Krankenkassen enteignen Betriebsrentner

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Krankenkassen schröpfen Betriebsrentner. Die Krankenversicherung kassiert von Direktversicherten und Betriebsrentner ein Fünftel der Auszahlung und sabotieren so deren Altersvorsorge

Krankenkassen schröpfen Betriebsrentner

Wer sich auf die Auszahlung seiner Direktversicherung freut, sprich seine Altersvorsorge, die meist als Lebensversicherung abgeschlossen wurde, dürfte schwer enttäuscht sein. Die Krankenkasse zieht ihm fast ein Fünftel ab. Wie viel genau? Mittlerweile im Schnitt 15,9 Krankenversicherung plus 3,05 Prozent (Kinderlose 3,3 Prozent) Pflegeversicherung. Die 15,9 Prozent setzen sich zusammen aus 14,6 Prozent Beitrag plus 1,3 Prozent Zusatzbeitrag.  Alles in allem annähernd 19 Prozent.  Das Perfide daran, der Direktversicherte, sprich der Lebensversicherungskunde zahlt den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil. Ganz zu recht spricht die „Wirtschaftwoche“ davon, dass „Krankenkassen die Rentner schröpfen“. Damit konterkarieren die Krankenkassen (und der Staat) die Bemühungen aller, die per Kapitallebensversicherung fürs Alter vorsorgen. Die Kapitallebensversicherung hat damit für die Altersvorsorge ausgedient.

Monatlich 131 Euro an die Krankenkasse

Bei einer Einmalzahlung aus der Direktversicherung von beispielsweise 100 000 Euro machen die Abgaben an die Techniker Krankenversicherung zurzeit 15730,80  Euro aus. Die Einmalzahlung aus der Direktversicherung legt die Krankenkasse auf zehn Jahren (100 000 geteilt durch 120 = 833,33 Euro) um und kommt so auf eine fiktive Rente von 833,33 Euro). Sie verlangt pro Monat 131,09 Euro Kranken- und Pflegebeiträge. Seit 1. Januar 2020 gilt mit Inkrafttreten des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetzes zumindest ein Freibetrag von zurzeit 164,50 Euro, sonst wären die monatlichen Kranken- und Pflegebeiträge noch höher.

100 000 verteilt auf 120 Monate = 833,33 Euro
– Freibetrag 164,50                     = 668,83 Euro
davon 15,8 % KV                        = 105,67 Euro
von 833,33 3,05 % PV                =  25,42  Euro
Gesamtbeitrag                             131,09  Euro

Rentner doppelt abkassiert

Dem Lebensversicherer bleibt nur übrig, zu bedauern: „Auch wenn die Beiträge bereits aus sozialversicherungspflichtigen Einkünften bezahlt wurden, besteht aufgrund des Solidarprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung eine Beitragspflicht“, schreibt beispielsweise das Versorgungswerk der Presse den Versicherten. „Leider ist ein Vertrauensschutz vom Gesetzgeber im Modernisierungsgesetz zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorgesehen“. Also von wegen pacta sunt servanda. Krankenkassen schröpfen Betriebsrentner.

Erst angelockt, dann abgezockt

Matthias W. Birkwald, DIE LINKE: Erst angelockt, dann abgezockt! – seine Rede im Bundestag

Millionen Direktversicherter werden geschröpft

Dieser an Enteignung erinnernder Einschnitt in die Altersvorsorge von Millionen geht auf die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zurück, die der SPD angehört. Sie initiierte das „Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ (GMG). Darin steht, dass auf „Renten der betrieblichen Altersversorgung“ bei Auszahlung auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssen. Von Vertrauensschutz in punkto Betriebsrente hielt Ulla Schmidt nicht sonderlich viel, deswegen gilt das GMG auch für Verträge, die vor 2004 abgeschlossen wurden, sprich sogenannte Altverträge. Die Sozialpolitiker verweisen auf das Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) und dort insbesondere auf den §229 (Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen) – mit Verweis auf die §§255 und 228. Wie viele Betriebsrenter davon betroffen sind, lässt sich nur schätzen: Es lässt sich von rund 7,5 Millionen Direktversicherungsverträge ausgehen; die versicherte Summe dürfte bei 200 Milliarden Euro liegen, so die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Es dürfte angesichts dieser Zahlen nicht sonderlich verwundern, dass die Krankenkassen zeitweise im Geld schwammen: Sie hatten 2016 ein Plus von 1,4 Milliarden Euro erzielt, so der „Merkur“. Die Rücklagen seien 2016 von 14,5 Milliarden Euro auf etwa 15,9 Milliarden Euro gestiegen. Selbst der Spitzenverband GKV spricht von „stabilen Finanzen“. 

Keine Hilfe vom Bundesverfassungsgericht

Klingt kompliziert, ist kompliziert – und Staat sowie Sozialversicherung sind bei der Direktversicherung gnadenlos. Einige Direktversicherungsgeschädigte haben geklagt, aber vor dem Bundessozialgericht nicht Recht bekommen. Es wird aber noch abstruser: Zahlungen einer Pensionskasse unterliegen selbst dann immer der vollen Beitragspflicht, auch wenn ein Arbeitnehmer seine Firma verlässt und seine betriebliche Altersvorsorge selbst weiter gezahlt hat. (Az: B 12 KR 28/12 R). Die Sozialrichter reden von einer „institutionellen Abgrenzung“ – und deswegen sei egal, ob ein Arbeitnehmer danach die Beiträge selbst übernehme. Vom Bundesverfassungsgericht dürfen sich die Betroffenen leider auch keine Hilfe erwarten. Es sah die volle Beitragspflicht zwar als verfassungswidrig an, ja, richtig gelesen, es sah die Verbeitragung der Direktversicherung als verfassungswidrig an, doch der Beschluss zu den Direktversicherungen sei nicht auf Pensionskassen anwendbar. Es komme eben darauf an, ob eine Lebensversicherung den Charakter einer Betriebsrente habe. Da werden Betriebsrentner geschröpft, um die Krankenkassen zu pampern, um es salopp auszudrücken. Wer die ganzen Wirren um die Doppelverbeitragung und den Kampf der Geschädigten nachvollziehen will, findet auf den Seiten des VdK eine tabellarische Übersicht (Vorsicht Frustgefahr!). Krankenkassen schröpfen Betriebsrentner.

Schock für Direktversicherte

Da dürfte viele künftige Betriebsrentner in punkto Sozialversicherungspflicht noch ein schwerer Schock erwarten, wenn sie ihre Direktversicherung zum Ende ihres Berufslebens abrufen. Viele laufen Sturm. Einige der Betroffenen, die um einen Teil ihrer Altersvorsorge geprellt wurden, haben sich im Verein der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) zusammen gefunden, einem Verein „im Kampf gegen Krankenkassenbeiträge auf Direktversicherungen“. Sie demonstrierten in Hamburg und Berlin. Mehr als einen Achtungserfolg haben sie jedoch nicht errungen.

Das ist schlicht Enteignung

Der Verein der Direktversicherungsgeschädigten empfindet diesen „Zwangsbeitrag“ als Enteignung und Betrug am Bürger und fordert von der Politik, diese Regelung endlich abzuschaffen. So richtig unterstützt wurden die Direktversicherungsgeschädigten bislang nur von den Linken, deren Vorstoß zu einer Gesetzesänderung im vorigen Jahr am Widerstand der anderen Fraktionen scheiterte. Laut Kurt Lindinger, einem der Aktivisten, liegen zehn Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht zur Klärung vor. Das Problem wird eher größer, denn „jährlich kommen zirka 240 000 Betroffene hinzu, die bis zur Auszahlung der Versicherung keine Information erhalten, dass sie bei der Auszahlung den vollen Krankenkassenbeitrag zu entrichten haben“, sagte er dem „Donaukurier“. Hoffnungen setze der Verein der Direktversicherungsgeschädigten in CDU-Bundestagsabgeordnete Anja Karliczek aus Nordrhein-Westfalen. Aber allzu große Hoffnungen solle sich niemand der Betroffenen machen.

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Helmut Achatz

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