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Bis März 2020 soll die Rentenkommission eine Reform vorschlagen. Daran ist das zehnköpfige Gremium wohl krachend gescheitert. Die Regierung von Angela Merkel fährt die Rente voll gegen die Wand.
Das parteipolitisch unabhängige Kommissionsmitglied Axel Börsch-Supan, Wirtschaftsprofessor an der TU München, lässt die Katze aus dem Sack: „Erwarten Sie nicht zu viel (von der Rentenkommission)“, sagte er laut „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf einer Renten-Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing. Der „Spiegel“ zitiert ihn mit den Worten, die Kommission sei „ein trauriges Beispiel dafür, wie rentenpolitische Denkverbote Handlungs- und Diskussionsspielräume so einengen, dass man sich nicht mehr bewegen kann“. Auf gut Deutsch: Die Rentenkommission steht mit leeren Hände da – und dafür hat sie seit Juni 2018 debattiert. Eigentlich sollten am 10. März 2020 Ergebnisse präsentiert werden, daraus wird wohl erst einmal nichts. Bei zentralen Punkten wie dem künftigen Renteneintrittsalter sowie der Entwicklung von Rentenbeiträgen und Rentenniveau sei kein Konsens in Sicht, berichtete das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Kommissionskreise. Nun steht „Focus Online„ zufolge Ende März als neuer Termin für eine Präsentation im Raum..
Rente an die Wand gefahren
Dass die Rentenkommission krachend scheitern würde, war bereits in der Zusammensetzung angelegt: Das Durchschnittsalter der zehnköpfigen Rentenkommission lag im Juni 2018 – zum Start – bei 56,5 Jahren. Das heißt, einige haben das Rentenalter bereits erreicht, andere stehen kurz davor. Die Jüngste, Simone Scherger, Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Lebenslauforientierte Sozialpolitik an der Uni Bremen, war zum Start der Rentenkommission 43 Jahre alt. Die beiden Vorsitzenden, Gabriele Lösekrug-Möller und Karl Schiewerling, waren Bundestagsabgeordnete – und beziehen eine Pension. Was ist von einer solchen Rentenkommission zu erwarten?
Allen war und ist klar, die gesetzliche Rente muss reformiert werden, wenn sie auf Dauer funktionieren soll. Statt sich selbst des Themas anzunehmen, hat es die Bundeskanzlerin Angela Merkel, delegiert und weit weg geschoben. Die Mitglieder sind mehrheitlich Parteipolitiker und Gewerkschaftler. Wie soll da eine zukunftsweisende Rentenreform herauskommen. Die Rentenkommission hat 20 wertvolle Monate verschwendet.
Alter der Mitglieder der Rentenkommission
Mitglieder der Rentenkommission | ||||
---|---|---|---|---|
Funktion/Amt | Geboren | Alter | ||
1 | Gabriele Lösekrug-Möller (Vorsitz) | Ex-Staatssekretärin (SPD) | 20. April 1951 | 67 |
2 | Karl Richard Maria Schiewerling | Ex-Bundestagsabgeordneter (CDU) | 18. May 1951 | 67 |
3 | Annelie Buntenbach | Mitglied DGB-Vorstand | 24. February 1955 | 63 |
4 | Alexander Gunkel | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände | 31. July 1968 | 49 |
5 | Katja Mast | MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD | 4. February 1971 | 47 |
6 | Hermann Gröhe | MdB, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU | 25. February 1961 | 57 |
7 | Stephan Stracke | MdB, Stellvertretender Vorsitzender der CSU im Bundestag | 1. April 1974 | 44 |
8 | Axel Börsch-Supan | Direktor Munich Center for Economis of Aging, Max-Planck-Institut | 28. December 1954 | 63 |
9 | Simone Scherger | SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Uni Bremen | 1. January 1970 | 43 |
10 | Gert G. Wagner | Vorsitzender des Sozialbeirats | 5. January 1953 | 65 |
Durchschnittsalter Rentenkommission | 56.5 | |||
Stand: 18. Juni 2018 |
Erst jetzt hat einer der wenigen parteipolitischen Mitglieder, Axel Börsch-Supan (Vita siehe unten), den Mut, das auch auszusprechen: „Eine unabhängige Arbeit der Kommission wurde von Anfang an dadurch erschwert, dass sie durch Politiker der Regierungskoalition dominiert wird. Geleitet durch die ehemaligen Abgeordneten Karl Schiewerling (CDU) und Gabriele Lösekrug-Möller (SPD), gehören ihr unter anderem auch Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe und die SPD-Sozialpolitikerin Katja Mast an.“ (O-Ton Börsch-Supan). Offensichtlich haben die „Vertreter der SPD ihre Position eng mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund abstimmen“.
In der Kommission fehlt die junge Generation komplett, wie auch schon die „Stuttgarter Nachrichten“ monierte. Sarna Röser, Vorsitzende des Verbands „Die Jungen Unternehmer“ und Firmennachfolgerin aus dem Kreis Ludwigsburg, zieht in der „Stuttgarter Nachrichten“ vom Leder. „Als ich erfuhr, dass in der neuen Rentenkommission kein einziges Mitglied unter 40 Jahren ist, habe ich mich richtig aufgeregt.“ Röser hält die Besetzung für „einen üblen Scherz“. Da wird über den Kopf der Jungen hinweg entschieden, was sie künftig an Lasten zu stemmen hat, ohne dass die Jungen eine Chance haben, mitzuentscheiden. Das versteht Sozialminister Hubertus Heil offensichtlich unter Generationengerechtigkeit. Übrigens, haben die Jungen Unternehmer „als Antwort darauf und auf die generationenungerechte Rentenpolitik der GroKo die Junge Rentenkommission gegründet zu der Wissenschaftler, Unternehmerinnen und Politiker gehören. Mit ihren Vorschlägen soll die Rente für alle Generationen zukunftsfest, fair und transparent gemacht werden.“ Sarna Röser ist auch Vorsitzende der Jungen Rentenkommission.
Rentenkommission ist ein Witz
Ein Witz ist natürlich, dass die Kommission aufgestellt wurde, nach dem die Regierung bereits ihr Rentenpaket geschnürt hatte. Mütterrente, Grundrente und doppelte Haltelinie wurden einfach festgeklopft, ohne die Kommission zu fragen. Die Kommission kann nur noch das abnicken, was bereits Fakt ist. Da stellt sich grundsätzlich der Sinn einer solchen Rentenkommission.
Angela Merkel hat uns alle wieder einmal für dumm verkauft. Angesichts der bisherigen Entscheidungen hat die Kommission eh keinen Handlungsspielraum mehr. Und ab 2025 sowieso nicht, denn da gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, das heißt, die Finanzreserven, über die die Rentenversicherung heute noch verfügt, werden nicht reichen.
Späteres Renteneintrittsalter gefordert
Börsch-Supan lotet schon mal die Akzeptanz für ein späteres Renteneintrittsalter aus. Er favorisiert das Modell „3:2:1“: Wenn die Lebenserwartung um drei Jahre steige, so Börsch-Supan in der „Frankfurter Allgemeinen“ müssten davon zwei Jahre auf eine längeres Berufsleben entfallen und ein Jahr auf eine längere Rentenzeit. Das entspreche der Vorstellung, das nach 40 Jahren Arbeit noch 20 Jahre Rente folgen. Nach seiner Rechnung müsste das Renteneintrittsalter seiner Meinung nach bis 2045 auf 68 Jahre steigen.
Drängendsten Probleme
„Focus“ hat sich des Themas angenommen und die drängensten Probleme des Rentensystems aufgelistet:
1. Finanzpuffer verschwindet
Die Finanzreserven, über die die Rentenversicherung heute noch verfügt, werden jedoch voraussichtlich bis 2025 aufgebraucht sein.
2. Gesellschaft überaltert
Zugleich kommen dramatische Veränderungen auf das Rentensystem zu, weil die Babyboomer in Rente gehen, ohne dass neue Beitragszahler in gleicher Zahl nachrücken.
3. Rentenniveau sinkt
Das bedeutet, dass das Rentenniveau sinken muss, um allen Rentnern einen Anteil an den Einzahlungen zu garantieren. Die Bundesregierung rechnet laut einer Antwort auf eine FDP-Anfrage damit, dass es bis zum Jahr 2045 von 48 auf 43 Prozent sinken wird.
4. Rentenbeitrag
Zugleich muss der Rentenbeitrag steigen, um überhaupt dieses Niveau halten zu können. Hier ergeben Berechnungen einen Anstieg von 18,6 Prozent auf 23 Prozent des Bruttogehalts.
Vita
Axel Börsch-Supan, Jahrgang 1954, studierte Volkswirtschaftslehre und Mathematik in München und Bonn und promovierte 1984 am M.I.T. in Cambridge (USA) bei Daniel McFadden in Volkswirtschaftslehre. Von 1984 bis 1987 war er Assistant Professor an der J.F. Kennedy School of Government der Harvard University. 1987 kehrte er nach Deutschland zurück und lehrte für zwei Jahre an der Universität Dortmund. Seit 1989 gehört Börsch-Supan der Universität Mannheim an. Er war bis 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik und Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre und Statistik, und ist seit 2001 Direktor des von ihm gegründeten Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA). Seit Januar 2011 ist Börsch-Supan Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Börsch-Supan ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Nationalakademie Leopoldina. Er ist einer der Direktoren des Netzwerks Altern der Universitäten Heidelberg und Mannheim und koordiniert den Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE). Börsch-Supan war von 2004 bis 2008 Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, Mitglied des Beraterkreises „Demographischer Wandel“ beim Bundespräsidenten und diverser Enquetekommissionen. Er leitete die Rentenreformgruppe der Nachhaltigkeits-(„Rürup“)-Kommission.
Link
Rheinische Post: Nur Minimalkonsens bei der Rente
Redaktions Netzwerk Deutschland: Rentenkommission präsentiert am 27. März ihre Empfehlungen
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8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Great content! Super high-quality! Keep it up! 🙂
Thanks
Sehr guter Content!
Es wird immer offensichtlicher, dass es bei den Rentenproblemen nicht um einfach „Unfälle“ im Sinne von politischen Fehlentscheidungen geht. Anstatt Fehler einzusehen und richtig zu analysieren, werden Vertuschungen, Manipulationen und Scheinaktionen gestartet.
Erst wenn die Parteiposten und Abgeordnetensitze in Gefahr sind, denkt man über die Zersplitterung der Wählerschaft in den Extremismus nach. Dagegen werden dann teure kaum nachhaltige Reparaturen vorgenommen, um meist ältere Wähler zu beschwichtigen – mit dem direkten Griff in die Staatskasse.
Das Prinzip kennen wir vom Beispiel des Doppelbeitrages. Ein Problem wird von der vorhergehenden Politikergeneration in die Zukunft geschoben. Die nachfolgende Politikergeneration kann danach die Schuld für die harten Einschnitte den Vorgängern der Politikergeneration hinschieben. Damit hat man politisch eine „wunderbare“ Verantwortungsdiffusion. Erst recht bei einer Groko.
Die heutige Politik verkriecht sich in dieser Frage ertappt hinter Ignoranz und Angst vor dem letzten Wählerverlust. Doch genau das werden die verantwortlichen Politiker damit erreichen – Wählerverlust. Der Vertrauenskredit wird weiter verspielt. Das macht Bürger weiter skeptisch.
Bürger haben heute viel bessere Methoden, sich zu informieren. Zahlreiche digitale Plattformen, wie diese hier, helfen dabei. Es ist jedoch nicht immer leicht, Wahrheit von Manipulation zu unterscheiden.
Zum Beispiel ist es nicht gesagt, dass eine Organisation von jungen wirtschaftsliberalen Unternehmern die junge Generation als solche wirklich vertritt. Bei der Sichtung der Eckpunkte der jungen Unternehmer, namentlich Sarna Röser, stelle ich fest, dass sicher einige Ideen modern scheinen, wie zum Beispiel die Digitalisierung in Form eines Rentenkontos. Das ist jedoch zur steuer- und abgabentechnischen Überwachung von Versorgungsbezügen zum Teil bereits geschehen.
Das haben die Direktversicherten mit dem Doppelbeitrag sozusagen live und in Farbe erlebt. Oder als anderer Punkt: was bedeutet genau „Generationengerechtigkeit“ für eine geeignete Formulierung im Grundgesetz? Was die anderen Vorschläge betrifft, handelt es sich im Wesentlichen um uralten Wein in neuen Schläuchen. Schlimmer noch, an den wahren Kernproblemen analysiert man zielgerichtet vorbei und transportiert mit den vermeintlichen innovativen Ideen genau die Fehler wieder in die Bevölkerung, die genau den Kernproblemen der Politik des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder entsprechen. Das damalige Motto: „Mach mal ne Volksaktie und du bist in der Rente sowieso reich!“ Im Jahr 2000 folgte das allgemeine „Erwachen“.
„Ein bisschen mehr Aktien und schon ist alles gut, am besten mit einem Aktien Riester.“(?) – Das ignoriert zum Beispiel die wahren Probleme von Riester Renten. Die Nullzinspolitik ist nur ein (vorgeschobenes) Problem. Intransparente unkontrollierte Kosten und die Rentenkalkulation sind die Kernprobleme. Und die können in aktienorientierten Produkten gerade noch einmal katastrophal zuschlagen. Das wurde oft genug dokumentiert. Dazu habe ich jedoch bei vielen „Renten-Experten“ nichts lesen können. Das Spiel geht also weiter: Anstatt Analysen und ernste Lösungsansätze gibt es interessengeleitete Ideologien!
Die Rentenkasse hat Reserve und zahlt deswegen immer höhere Strafzinsen an die Europäische Zentralbank (EZB). In diesem Jahr dürfte sich das Minus auf 68 Millionen Euro summieren.
Die Deutsche Rentenversicherung ist in einem Dilemma. Sie hat Rücklagen und muss diese Rücklagen weitgehend bei der EZB bunkern – (warum?) die aber bestraft die Rentenkasse dafür mit Negativzinsen.
Da die Rentenkasse ihr Geld ja nicht anders anlegen als in der Art, dass es jederzeit verfügbar ist, zahlt sie natürlich Strafzinsen an die EZB unter ihrer neuen Chefin Christine Lagarde.
Das heißt im Umkehrschluss, die EZB zehrt die Rücklagen der Deutschen Rentenversicherung systematisch auf.
Das Perfide dabei, je höher die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage, desto mehr zahlt die Rentenkasse an die EZB.
Lagarde sabotiert mit ihrer Geldpolitik das deutsche Sozialsystem. Sie höhlt es langsam, aber systematisch aus, indem das Geld seinen Wert verliert. (Und täglich grüßt das Murmeltier.)
Wer die Strafzinsen von sechs Jahren addiert, kommt auf eine Summe von 408 Millionen Euro, denn die Rentenkasse musste ja schon 2017 Strafzinsen für ihre Rücklagen zahlen – und das wird von Jahr zu Jahr mehr.
Wer unternimmt denn endlich etwas dagegen?
Der Raubzug bei den Rentnern geht ungestraft weiter. Was unternehmen die verantwortlichen Politiker dagegen. Werden andere EU-Länder ebenfalls geschröpft, oder sind dort andere Einlagesysteme vorhanden, die nicht der EZB zum Opfer fallen? Decken sie diese korrupten Machenschaften auf.?
Quelle
siehe vorgänger Beitrag durch H.Achatz
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