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Seit Anfang 2021 bekommen Rentnerinnen und Rentner Grundrente. Auf die Auszahlung mussten sie lang warten. Insgesamt beziehen 1,1 Millionen der 26 Millionen Rentner eine Grundrente.
Das Gesetz über die Grundrente ist zwar schon seit Anfang 2021 in Kraft, wegen der Kompliziertheit hat die Deutsche Rentenversicherung erst seit Mitte 2021 die ersten Bescheide verschickt. Rund 1,1 Millionen Rentner profitieren von der Grundrente. Es hat bis Ende 2022 gedauert, bis alle Berechtigten die Grundrente bekommen. Seit Februar 2022 werden die Ansprüche der Bestandsrenten mit einem Rentenbeginn ab 1992 geprüft. Im ersten Jahr nach Einführung der Grundrente wurden lediglich die Ansprüche von Neurentnerinnen und Rentnern sowie Rentnern mit Grundsicherung geprüft. Es hat dann bis Ende 2022 gedauert, bis alle Renten geprüft waren. Ein Antrag muss nicht gestellt werden, die Überprüfung erfolgt automatisch. Dazu die Deutsche Rentenversicherung:
Seit Juli 2021 prüft die Deutsche Rentenversicherung automatisch bei allen neuen Rentenanträgen, ob für die Antragstellerin oder den Antragsteller ein Anspruch auf einen Grundrentenzuschlag besteht. Zeitgleich startete die Prüfung der rund 26 Millionen Konten unserer Rentnerinnen und Rentner. Schrittweise erhalten auch hier alle Berechtigten ihre Bescheide. Voraussichtlich bis Ende 2022 werden dann alle Renten zur Prüfung aufgerufen worden sein.
Die rund 1,1 Millionen Rentnerinnen und Rentner bekommen laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchschnittlich 86 Euro mehr. Finanziert wird die Grundrente ausschließlich aus Steuermitteln.
Was die Grundrente ist
Die Grundrente ist eine Zuschlag auf die gesetzliche Rente – das kann die normale Altersrente oder Witwen- und Witwerrente sowie Erwerbsminderungsrente sein. Ziel der Grundrente ist dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zufolge Menschen, die „jahrzehntelang mit geringem Verdienst gearbeitet und verpflichtend Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt“ haben, höhere Altersbezüge zu ermöglichen.
Wer hat Anspruch auf die Grundrente? Nur Versicherte mit mindestens 33 Beitragsjahren. Wer 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, bekommt den Höchstsatz. Zu den Beitragsjahren zählen auch Kindeserziehung oder Pflege, nicht jedoch Zeiten, in denen Arbeitslosengeld I oder Harzt IV bezogen wurde. Weitere Voraussetzung: Derjenige oder diejenige haben weniger als 80 Prozent des Durchschnittsgehaltes aller Rentenversicherten in Deutschland verdient. Auch nach unten gibt es eine Grenze: Es werden nur Jahre berücksichtigt, in denen die Beschäftigten mindestens 30 Prozent jenes durchschnittlichen Einkommens verdient hat.
Im Schnitt 75 Euro
Wie hoch fällt die Grundrente aus? Das BMAS geht von einem durchschnittlich Grundrentenzuschlag in Höhe von monatlich 75 Euro aus. Nach neuesten Zahlen sind es 86 Euro. Allerdings liegt der Grundrente eine komplizierte und individuelle Berechnung zugrunde. Aber, wie gesagt, das ist nur der Durchschnitt – einige werden weniger, andere mehr bekommen. Wer deutlich weniger als die 80 Prozent des deutschen Durchschnittseinkommens verdient hat, profitiert mehr, wer näher an der Grenze liegt weniger. Um es noch komplizierter zu machen, wird vom errechneten Zuschlag noch einmal 12,5 Prozent abgezogen.
Der Rentenzuschlag könne, so die „Frankfurter Rundschau“, Rentnerinnen und Rentnern dabei helfen, besser über die Runden zu kommen. Doch Kritikerinnen und Kritiker betonen bereits, so die Zeitung weiter, dass die Grundrente mit einer Höhe von in etwa 418 Euro (als Maximalbetrag) viel zu gering ausfällt. Ein Experiment zeigte, oft reicht selbst die aufgestockte Rente nicht für einen Ruhestand fernab von finanziellen Nöten. Das dürfte sich angesichts der rasant steigenden Mietnebenkosten noch verschlechtern.
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Kleine Rente aufbessern
Wer eine magere Rente hat, kann Grundrente beziehen. Die Grundrente soll eine geringe Rente aufbessern – und das ist gesetzlich verankert. Auszahlen soll sie zwar die Deutsche Rentenversicherung, aber sie soll nicht von Beiträgen der Arbeitnehmer bezahlt werden, sondern über Steuern vom Staat. Zur Finanzierung war einmal eine Finanztransaktionssteuer geplant, aber daraus wird wohl vorerst nichts. Das heißt, letztlich werden alle Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Die Grundrente ist keine Grundsicherung, sprich keine Sozialleistung wie die Grundsicherung, die Bedürftigkeit voraussetzt. Aber, der Staat prüft auch bei der Grundrente die Einkommensverhältnisse.
Wer hat Anspruch auf Grundrente?
- Eine Grundrente in voller Höhe bekommt, wer als Rentner monatliche höchstens ein Einkommen von 1250 Euro als Alleinstehenden oder 1950 Euro als Paar hat. Wer mehr als 1250 (1950) Euro Einkommen hat, aber nicht mehr als 1600 Euro als Alleinstehende oder 2300 Euro als Paar, bekommt auch Grundrente, aber nicht in voller Höhe. Wer ein höheres Einkommen hat, bekommt keine Grundrente. Die Bedürftigkeit wird nicht geprüft, sondern nur das Einkommen.
- Eine Grundrente bekommt nur, wer Rentner oder Rentnerin mindestens 33 Versicherungsjahre vorweisen kann. Allerdings fällt die Grundrente für Rentner mit „nur“ 33 oder 34 Jahren geringer aus als für Rentner mit 35 Jahren, nur letztere bekommen den vollen Aufschlag.
- Eine Grundrente hängt auch von der Art der Rentenansprüche ab. Denn, wer nur Minijobs hatte, bekommt keine Grundrente. Wenn seine normale gesetzliche Rente zu gering ausfällt, muss er nach wie vor zum Amt, um Grundsicherung zu beantragen.
- Eine Grundrente bekommt, wer als Rentner Versicherungsjahre vorweisen kann aus Berufstätigkeit oder Selbständigkeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, Zeiten der Leistungen bei Krankheit oder Rehabilitation, Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege, ferner Ersatzzeiten wie Wehr- oder Zivildienst.
Wie wird die Grundrente berechnet?
Entscheidend für die Höhe der Grundrente sind die im Laufe des Berufslebens gesammelten Entgeltpunkten. Rentenbescheid24 fasst es knapp zusammen: „Grundsätzlich gilt, wer 33 oder 35 Jahre Grundrentenzeiten nachweisen kann und weniger als 0,8004 Entgeltpunkte und mehr als 0,3 Entgeltpunkte im Jahresdurchschnitt nachweisen kann, hat Anspruch auf den Zuschlag an weiteren Entgeltpunkten. Der Zuschlag kann nie mehr als die Grenze von 0,8004 Entgeltpunkten erreichen. Wer also im Schnitt 0,7 Entgeltpunkte pro Jahr hat, wird einen Zuschlag auf den maximalen Grenzsatz von 0,8004 Entgeltpunkten bekommen. Wer ‚nur‘ 0,3 Entgeltpunkte nachweist, kann fast mit einer Verdopplung seiner Entgeltpunkte auf 0,6 Entgeltpunkte rechnen, aber nur fast. Denn der neue Kompromiss beinhaltet auch einen allgemeinen Abschlag auf die Grundrente von 12,5 Prozent.“
Das Portal „Steuertipps“ hat Grundrente an zwei Beispielen durchgerechnet:
„Wenn die beiden notwendigen Bedingungen – 35 Beitragsjahre als Grundrentenzeit und durchschnittliche Entgeltpunkte zwischen 0,3 und weniger als 0,8 pro Jahr – erfüllt sind, wird die erreichte Rente durch einen Zuschlag an Entgeltpunkten aufgestockt. Im künftigen § 76a SGB VI wird der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährig Versicherte ausdrücklich geregelt.
Dieser Aufstockungsbetrag oder Zuschlag macht 87,5 Prozent der erreichten Rente aus, sofern zwischen 0,3 und 0,4 Entgeltpunkte im Durchschnitt der Grundrentenzeit von 35 Jahren erreicht werden.
Beispiel für Zuschlag bei durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkten:
35 Jahre x 0,4 x 35 Euro x 0,875 = 428,75 Euro.
Der für 35 Beitragsjahre errechnete Zuschlag von 428,75 Euro liegt also – anders als ursprünglich vorgesehen – um 12,5 Prozent oder ein Achtel unter der bereits erreichten Rente von 490 Euro. Diese Kürzung des Zuschlags erfolgt zur „Stärkung des Äquivalenzprinzips“, wie es im Koalitionsbeschluss vom 10. November 2019 heißt. Der Abzug von 12,5 Prozent erfolgt also, um zumindest einen kleinen Abstand zwischen Grundrente und einer ohne Zuschlag erreichten Rente von 980 Euro bei 35 Beitragsjahren mit durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkten zu wahren (Abstandsgebot). Dieser finanzielle Abstand macht gerade einmal 61,25 Eurio aus.
Wichtig: Sofern die durchschnittlichen Entgeltpunkte pro Jahr mehr als 0,4 und weniger als 0,8 ausmachen, reduziert sich der Zuschlag weiter, da die Grundrente als Summe aus erreichter Rente und Zuschlag bei 0,8 Entgeltpunkten pro Jahr gedeckelt wird.
Beispiel für Zuschlag bei durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkten:
35 Jahre x (0,8-0,5) x 35 Euro x 0,875 = 35 x 0,3 x 35 x 0,875 = 321,56 Euro.
Der Zuschlag auf die erreichte Rente liegt mit 428,75 Euro am höchsten bei Entgeltpunkten von durchschnittlich 0,4 pro Jahr. Er sinkt, je höher die durchschnittlichen Entgeltpunkte für Geringverdiener ausfallen. Bei durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkten ist er genauso hoch wie bei durchschnittlich 0,3 Entgeltpunkten. Bei 0,79 Entgeltpunkten im Durchschnitt würde er nur 10,72 Euro betragen und ab durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkten pro Jahr entfällt der Zuschlag völlig.
Stiftung Warentest hat ein Beispiel berechnet, in dem der Rentner Einkommen über der Freibetragsgrenze hat.
Ein Rentner hat 40 Jahre lang im Durchschnitt 0,5 Entgeltpunkte im Jahr erarbeitet, er hat also im Schnitt halb so viel wie der Durchschnitt verdient. Das entspricht in den alten Bundesländern aktuell einem Jahresgehalt von 20 276 Euro. Seine gesetzliche Rente beträgt dann 661 Euro. Durch die Grundrente bekommt er für 35 Jahre 0,3 Entgeltpunkte zusätzlich (347 Euro). Dieser Wert wird um 12,5 Prozent gekürzt. Der Zuschlag des Rentners würde somit 304 Euro betragen, und als neue Rente bekäme er 965 Euro.
Angenommen, der alleinlebende Rentner arbeitet nebenbei und kommt auf ein monatliches anrechenbares Einkommen von insgesamt 1 400 Euro. Nach Abzug des Freibetrags (1 250 Euro) bleiben 150 Euro. Davon werden 60 Prozent von der Grundrente abgezogen: 90 Euro. Der Zuschlag durch die Grundrente würde dann nur noch 214 Euro betragen.
- Er kommt somit auf ein Gesamteinkommen (Grundrente + Gehalt) von 2302 Euro.
- Bleibt er unter der Freibetragsgrenze von 1250 Euro kommt er auf ein Gesamteinkommen von 2215 Euro.
- Differenz 87 Euro
Wenn er unter der Freibetragsgrenze bleibt, hat er monatlich 87 Euro weniger zur Verfügung, er müsste aber pro Monat (bei Mindestlohn) zehn Stunden weniger arbeiten.
Grundrente niedriger als Grundsicherung?
Ja, das kann passieren. „Steuertipps“ rechnet auch das vor:
Anders als bei der Grundsicherung muss ein Grundrentner Krankenkassen- und Pflegebeiträge zahlen, so dass er netto weniger hat als jemand mit Grundsicherung. „Der Zahlbetrag der Grundrente wird 2021 bei 35 Beitragsjahren in allen Fällen zwischen 613 und 865 Euro liegen und damit vielfach unter der Grundsicherung von aktuell 808 Euro. Dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis hat mit den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu tun. Die Grundrente ist wie jede Rente beitragspflichtig. Das heißt, von der erreichten Rente brutto und dem Zuschlag auf diese Bruttorente ist noch der Beitrag zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen, der von der Deutschen Rentenversicherung bei der Zahlung der gesetzlichen Rente direkt einbehalten wird. Im ersten Gesetzentwurf des Bundessozialministeriums zur Grundrente vom 21.5.2019 heißt es auf Seite 23 ausdrücklich: ‚Die Grundrente führt zu höheren Beiträgen in die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung‘.
Somit kommt es unterm Strich auf den Zahlbetrag der gesetzlichen Rente an und nicht auf die Bruttorente. Die neue Grundrente als eine Rentenleistung gemäß SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung) darf nicht mit der beitragsfreien Grundsicherung gemäß SGB XII (Sozialhilfe) verwechselt werden. Die Grundsicherung ist im Unterschied zur Grundrente keine Rente, sondern eine Sozialhilfe oder Sozialleistung und verpflichtet das Sozialamt oder Grundsicherungsamt auch zur direkten Zahlung der Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung an die zuständige Krankenkasse.
Daher ist lediglich ein Vergleich von Zahlbetrag der Grundrente mit der beitragsfreien Grundsicherung zielführend und sinnvoll. Leider wird auf diesen Vergleich in fast allen Publikationen (auch denen des Bundessozialministeriums) verzichtet, da die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht von der Grundrente brutto abgezogen werden. Dies führt dann zu irreführenden Ergebnissen. Tatsächlich wird der Zahlbetrag der Grundrente bei abschlagspflichtigen Frührenten noch niedriger liegen. Die Grundrente setzt im Unterschied zur Grundsicherung nicht das Erreichen der Regelaltersgrenze aus. Wer also als langjährig Versicherter mit 63 Jahren vorzeitig in Rente geht, muss mit einem Rentenabschlag rechnen. Beispiel: Wer 1958 geboren ist und 2021 als langjährig Versicherter mit 63 Jahren in Rente geht, muss einen Rentenabschlag von 10,8 Prozent einkalkulieren. Der Zahlbetrag der Grundrente sinkt nach 35 Pflichtbeitragsjahren und durchschnittlich 0,75 Entgeltpunkten dann sogar auf rund 772 Euro und liegt damit ganz sicher unter dem Grundsicherungsniveau.“
Das sieht auch Finanzmathematiker und Rentenexperte Werner Siepe. „Berechnungen zeigen jedoch, dass die Grundrente dafür nicht reicht“, so Siepe. „In den meisten Fällen von langjährigen Niedrigverdienern wird die ausgezahlte Grundrente unter der Grundsicherung liegen“, sagt der Finanzmathematiker und Rentenexperte Werner Siepe in der „Wirtschaftswoche“. Der Grund, Bezieher einer Grundrente müssten darauf rund elf Prozent Beitrag für Kranken- und Pflegekasse zahlen. In der Grundsicherung hingegen falle kein Kassenbeitrag an.
Bürger werden gläsern
Peter Knöppel, Rentenberater und Rechtsanwalt, beschreibt auf der Plattform rentenbescheid24, was auf potentielle Grundrentner zukommt: „Zur neuen Grundrente wird es eine umfassende Einkommensprüfung geben. Was viele Versicherte und Grundrentenberechtigte nicht wissen, dass die DRV in Ihre Konten, Schließfächer und Depots bei Ihrer Bank reinschauen. Ohne dass Sie vorher gefragt werden. Dies betrifft auch die Kontodaten – Schließfächer und Depots Ihres Ehegatten. Damit existiert de facto kein Bankgeheimnis mehr! Und die Deutsche Rentenversicherung erfährt, wie viel Geld Sie auf Ihrem Konto haben. Dank des neuen Grundrentengesetzes gibt es einen massiven Eingriff in Ihre persönlichen Daten.“
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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
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