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Trotz Urteil des Bundesfinanzhofs und Gesetzesänderung werden Rentner auch künftig doppelt besteuert. Beim Geldeintreiben nimmt der Staat keine Rücksichten.
Finanzminister Christian Lindner weiß, dass Rentnerinnen und Rentner auch weiterhin doppelt besteuert werden – er lässt das sogar in das Wachstumschancengesetz hineinschreiben. Ändern will oder kann er daran nichts. Durch einen perfider Trick, von dem die meisten immer noch nichts wissen, zahlen Rentnerinnen und Rentner prozentual immer höhere Steuern, je älter sie werden. Denn, jede Rentenerhöhung ist zu 100 Prozent steuerpflichtig. Somit steigt auch der gesamte versteuerte Anteil von Renten.
Finanzminister Lindner und seinen Beamten ist das bewusst. Im Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes (offizieller Name: Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness) steht auf Seite 145, dass die Anpassungen „nicht ausreichen, um ‚doppelte Besteuerung‘ für alle zukünftigen Rentenkohorten vollständig zu vermeiden“. Wir Bestandsrentner, sprich, alle, die vor 2023 in Rente gegangen sind, gehen jedoch beim Wachstumschancengesetz leer aus. Die „Welt“ tröstet zwar, dass „auch Bestandsrentener bald entlastet werden“. Sicher sei dies jedoch nicht.
So funktioniert der Trick
Das Finanzamt gewährt Rentner zwar einen Rentenfreibetrag, offiziell „Anpassungsbetrag als steuerfreier Teil der Rente“, doch der wird in Euro ausgewiesen und bleibt für das ganze Leben fix. Jede Rentenerhöhung wird dagegen zu hundert Prozent versteuert. Das sei vielen Rentner nicht klar, so das Internetportal „Lohnsteuerkompakt“. Wenn jede Rentenerhöhung komplett versteuert werde, führe das dazu, dass nach jeder Rentenerhöhung mehr Rentnerinnen und Rentner steuerpflichtig werden, so „Steuertipps.de“.
Rentner höher besteuert
Da hilft es auch wenig, wenn der Staat den Grundfreibetrag erhöht, durch den Mechanismus, den Rentenfreibetrag in Euro auszuweisen und nicht in Prozent, steigt automatisch der gesamte prozentuale Besteuerungsanteil der Rente.
Mit dem Alterseinkünftegesetz, das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat, müssen Rentner auch Steuern zahlen. Seitdem zahlen Neurentner jedes Jahr prozentual mehr Steuern, das heißt, der steuerpflichtige Anteil der Rente steigt von Jahr zu Jahr. Die Diskussion um die Doppelbesteuerung veranlasste das Finanzministerium, den steuerpflichtigen Anteil weniger schnell steigen zu lassen. Das heißt, die Rente soll nicht schon 2040 voll versteuert werden, sondern erst 2058: Der jährlich steuerpflichtige Teil der Rente steigt weniger stark als bisher, zumindest sieht es das Wachstumschancengesetz so vor. „Mitte Juli 2023 legte das Bundesfinanzministerium eine Anpassung vor, die die Steuerpflicht langsamer greifen lässt – und zwar rückwirkend ab Januar 2023“, so steht es im Entwurf für das Wachstumschancengesetz. Für jetzige Rentnerinnen und Rentner ist das allerdings nur ein schwacher Trost. Ihnen hilft das Urteil des Bundesfinanzhofs und das Gesetz wenig. Übrigens, das Wachstumschancengesetz ist noch nicht verabschiedet (Stand 20. Oktober 2023).
Rentenfreibetrag 2005 bis 2058
Rentenbeginn | Steuerpflichtiger Anteil in Prozent | Rentenfreibetrag in Prozent |
---|---|---|
2005 | 50 | 50 |
2015 | 70 | 30 |
2016 | 72 | 28 |
2017 | 74 | 26 |
2018 | 76 | 24 |
2019 | 78 | 22 |
2020 | 80 | 20 |
2021 | 81 | 19 |
2022 | 82 | 18 |
2023 | 82,5 | 17,5 |
2024 | 83 | 17 |
2025 | 83,5 | 16,5 |
2026 | 84 | 16 |
2027 | 84,5 | 15,5 |
2028 | 85 | 15 |
2029 | 85,5 | 14,5 |
2030 | 86 | 14 |
2031 | 86,5 | 13,5 |
2032 | 87 | 13 |
2033 | 87,5 | 12,5 |
2034 | 88 | 12 |
2035 | 88,5 | 11,5 |
2036 | 89 | 11 |
2037 | 89,5 | 10,5 |
2038 | 90 | 10 |
2039 | 90,5 | 9,5 |
2040 | 91 | 9 |
2058 | 100 | 0 |
War der steuerpflichtige Anteil 2005 noch bei 50 Prozent und der Rentenfreibetrag ebenfalls bei 50 Prozent, verschiebt sich seitdem das Verhältnis mehr und mehr zuungunsten der Rentner. 2015 beispielsweise mussten sie schon 70 Prozent ihrer Rente versteuern. Bis 2020 stieg der steuerpflichtige Anteil pro Jahr um zwei Prozent, ab 2021 steigt er nur noch um ein Prozent. 2023 liegt der steuerpflichtig Anteil bei 83, der steuerfreie nur noch bei 17 Prozent. 2040 muss schließlich die gesamte Rente versteuert werden. 2040 gibt es dann keinen Rentenfreibetrag mehr. Das gilt bislang: Durch das Wachstumschancengesetz soll nun der Zeitraum der Vollbesteuerung auf 2058 gestreckt werden.
Renteneintrittsjahr entscheidend
Deswegen ist das Datum des Renteneintritts für den Einzelnen so entscheidend. Das Finanzamt legt für jede Rentnerin und jeden Rentner entsprechend ihres oder seines Renteneintritts ihren oder seinen individuellen Rentenfreibetrag fest. Diesen Rentenfreibetrag behält jeder ein Leben lang, entsprechend geringer ist die Steuerlast. Der Rentenfreibetrag ist zwar als Prozentsatz ausgewiesen, dieser Prozentsatz bezieht sich aber auf einen Rentnerjahrgang (eine Rentenkohorte), sprich das Jahr des Renteneintritts (nach dem Kohortenprinzip, wie die Finanzexperten sagen). Der individueller Freibetrag eines jeden Einzelnen wird als fester Betrag ermittelt – und der bleibt immer gleich.
⚠️ Weil die meisten Rentner unterjährig in Rente gehen, sprich eben nicht am 1. Januar eines Jahres, berechnet das Finanzamt den Rentenfreibetrag aus der vollen Jahresbruttorente des zweiten Rentenjahres.
Rentenerhöhung zu 100 % besteuert
Der Rentenfreibetrag gilt nicht für Rentenerhöhungen – die sind zu hundert Prozent steuerpflichtig. Damit sinkt prozentual gesehen im Lauf der Jahre – sollte es Rentenerhöhungen geben – der Rentenfreibetrag, weil der nominal gleicht bleibt, sich aber auf eine höhere Rente bezieht. Somit profitiert das Finanzamt bei jeder Rentenerhöhung. Im Steuerbescheid liest sich das dann so: „Dem steuerpflichtigen Teil der Rente wurde die Rentenerhöhung hinzugerechnet. Regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente führen nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente“.
Selbst nachrechnen
Wer es nicht glaubt, kann es auch selbst nachrechnen, so er denn schon einige Jahre in Rente ist. Das lässt sich anhand des letzten Steuerbescheids berechnen:
➖➕✖️➗ Einfach den „Jahresbetrag der Rente“ ins Verhältnis zum „Anpassungsbetrag ab steuerfreier Teil der Rente“ setzen. Das ergibt eine Prozentzahl. Wer schon länger in Rente ist, dürfte staunen, um wie viel niedriger sein prozentualer Rentenfreibetrag heute ist.
► Mein Beispiel: Ich bin 2017 in Rente gegangen mit einem prozentualen Rentenfreibetrag von 26 Prozent, 2023 – nach vier Rentenerhöhungen – liegt der prozentuale Rentenfreibetrag nur noch bei 24 Prozent. Der nominale Rentenfreibetrag ist seit 2017 gleichgeblieben, aber eben nicht der prozentuale.
Bitte beachten Sie:
Auch wenn Sie zu Rentenbeginn noch keine Steuern zahlen, kann sich dies im Laufe des weiteren Rentenbezugs ändern. (Deutsche Rentenversicherung)
Grundfreibetrag
Jahr | Grundfreibetrag | Zuwachs | Inflation |
---|---|---|---|
2014 | 8354 | 1.4 | 0,9 |
2015 | 8472 | 2.1 | 0,3 |
2016 | 8652 | 1.9 | 0,5 |
2017 | 8820 | 2.0 | 1,8 |
2018 | 9000 | 1.9 | 2,0 |
2019 | 9168 | 2.6 | 1,4 |
2020 | 9408 | 2.6 | 0,5 |
2021 | 9744 | 3.6 | 3,1 |
2022 | 10.347 | 6.2 | 7.9 |
2023 | 10.908 | 5,4 | 5,9 |
2024 | 11.784 | 8,0 | - |
Ab wann Rentner Steuern zahlen
Der Grundfreibetrag für 2022 lag ursprünglich bei 9.984 Euro, wurde aber angesichts der steigenden Inflation im Februar 2022 rückwirkend um 363 auf 10.347 Euro für Alleinstehende angehoben und auf 20.694 Euro für Verheiratete.
Wenn alle Freibeträge, sprich Grundfreibetrag und Rentenfreibetrag berücksichtigt werden sowie die Beiträge zur Kranken- und Pflegversicherung und pauschale Werbungskosten von 102 Euro (Stand 2021) und 36 Euro für Sonderausgaben (für Ehepaare doppelt so hoch), dann muss ein Alleinstehender bei einer Bruttorente von mehr 14.636 Euro und einem Rentenbeginn im Jahr 2022 keine Steuern zahlen. Die Werbungskosten-Pauschale für Rentner ist in den vergangenen Jahren gleich geblieben, obwohl die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Rentner oder die Pensionäre erhalten einen Werbungskostenpauschbetrag von jährlich 102 Euro.
Jahr des Rentenbeginn | Höchste Jahresbrutto-Rente 2020, die steuerfrei bleibt in Euro | Monatsbrutto 2. Halbjahr in Euro | Besteuerungsanteil in % | Rentenfreibetrag in Euro* |
---|---|---|---|---|
2005 | 17555 | 1493 | 50 | 6191 |
2006 | 17140 | 1458 | 52 | 5819 |
2007 | 16795 | 1428 | 54 | 5509 |
2008 | 16583 | 1410 | 56 | 5320 |
2009 | 16314 | 1387 | 58 | 5079 |
2010 | 15951 | 1357 | 60 | 4753 |
2011 | 15681 | 1334 | 62 | 4511 |
2012 | 15488 | 1317 | 64 | 4338 |
2013 | 15293 | 1301 | 66 | 4163 |
2014 | 15062 | 1291 | 68 | 3956 |
2015 | 14923 | 1269 | 70 | 3831 |
2016 | 14789 | 1258 | 72 | 3711 |
2017 | 14568 | 1239 | 74 | 3513 |
2018 | 14339 | 1170 | 76 | 3308 |
2019 | 14114 | 1200 | 78 | 3106 |
2020 | 13708 | 1166 | 80 | 2742 |
2021 | 13990 | 81 | 2658 | |
2022 | 82 | |||
2023 | 82,5 | |||
2024 | 83 | |||
2025 | 83,5 | |||
2026 | 84 | |||
2027 | 84,5 | |||
2028 | 85 | |||
2029 | 85,5 | |||
2030 | 86 | |||
*im Jahr, das auf den Rentenbeginn folgt |
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So lassen sich Steuern drücken
Belege sammeln muss zur Pflicht für jede Rentnerin und jeden Rentner werden. Sie können mehr absetzen als sie vielleicht denken. Das reicht von
- Sonderausgaben über
- haushaltsnahe Dienstleistungen,
- Handwerkerrechnungen,
- außergewöhnliche Belastungen,
- Behindertenpauschbetrag,
- Werbungskosten.
Buchempfehlung
Kurz vor der Rente – und nun? Das Buch „Rentenplaner für Dummies“ hilft allen künftigen und seienden Rentner, sich in punkto Finanzen zurechtzufinden. Das klingt einfacher als es ist, ist aber kein Hexenwerk. Mit Ende 50, Anfang 60 fragen sich viele, ob Ihre Rente reicht und was auf Sie zukommt. Wer mit der Rente auskommen will, hat als Vorruheständler noch die Chance, an der Schraube zu drehen. Aber auch Rentner können noch etwas deichseln, um mit ihrer Rente besser über die Runde zu kommen.
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
[…] kommt darauf an, wie hoch die Freibeträge sind, die gelten. Da ist zum einen der Grundfreibetrag, der allen Steuerzahlern zusteht, zusätzlich gibt es für Rentner und Rentnerinnen den […]
[…] der Rente werden versteuert, 2022 waren noch 18 Prozent steuerfrei. Dieser Anteil sollte zwar im Wachstumschancengesetz etwas abgemildert werden, aber das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Was darf abgezogen […]