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Die Rente ist eine Dauerbaustelle. Jede Regierung, jetzt die Ampfel, schraubt daran herum. Kapiert haben es die wenigsten Abgeordneten, aber sie werden wegen des Fraktionszwangs brav zustimmen. Die Rentenformel ist reine Willkür – Beitrags- und Steuerzahler werden zur Kasse gebeten.
Schon heute ist die Rentenformel so kompliziert, das sie kaum einer begreift, sie wird in Zukunft aber noch komplizierter. Damit sich auch möglichst keiner querstellt, will Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, sein Rentenpaket möglichst schnell durch den Bundestag bringen will. Wichtige Bestandteile sind die doppelte Haltelinie und der Nachholfaktor.
Dafür muss allerdings die Rentenformel geändert werden. Zum Nachhaltigkeits– und Riester-Faktor (er bildet den fiktiven Aufbau von Riester-Vermögen ab) kommt die Niveausicherungsklausel. Die Rente errechnet sich übrigens nach der Formel:
Rente = Entgeltpunkte x Zugangsfaktor x aktueller Rentenwert x Rentenartfaktor
Der aktuelle Rentenwert (2021 alte Bundesländer: 34,19 Euro, neue Bundeslänger: 33,47 Euro) ist dabei eine reine Wundertüte mit so widerborstigen Inhalten wie eben diesen Faktoren – und künftig neu, der Niveausicherungsklausel und der Nachholfaktor. Damit lässt sich wunderbar mauscheln.
Rentenformel nur für Mathe-Genies
In dem neuen Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) steht eben nicht explizit drin, wie sich diese Niveausicherungsklausel berechnet. Das Gesetz ist ein Wust an Querverweisen, die kein Nicht-Jurist mehr nachvollziehen kann. Spätestens bei Artikel 1 steigen die allermeisten aus. Da heißt es: „Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), das zuletzt durch … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: a) Die Angabe zu § 255e wird wie folgt gefasst: „§ 255e Niveauschutzklausel für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 1. Juli 2025“. b) Die Angabe zu § 255f wird wie folgt gefasst: „§ 255f Verordnungsermächtigung“. c) Die Angabe zu § 255f wird wie folgt gefasst: „§ 255f (weggefallen)“. d) Die Angabe zu § 255g wird wie folgt gefasst: „§ 255g Ausgleichsbedarf bis zum 30. Juni 2026“. e) Die Angabe zu § 276b wird wie folgt gefasst: „§ 276b (weggefallen)“. f) Die Angabe zu § 287 wird wie folgt gefasst: „§ 287 Beitragssatzgarantie bis 2025“. g) Die Angabe zu § 287a wird wie folgt gefasst: ‚§ 287a Sonderzahlungen des Bundes in den Jahren 2022 bis 2025‘“. Das steht da tatsächlich drin. Na, alles klar?
Rentenniveau nicht unter 48 Prozent
Alle Bürger zahlen künftig, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fällt – allerdings nur bis 2025. Dann allerdings gehen die Babyboomer in Rente. Der große Knall ist programmiert, den wird auch die Niveausicherungsklausel nicht mehr verhindern. Im Gesetz heißt es lapidar: „Wird in der Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 1. Juli 2025 mit dem nach § 68 ermittelten aktuellen Rentenwert das Sicherungsniveau vor Steuern nach § 154 Absatz 3a des laufenden Jahres in Höhe von 48 Prozent unterschritten, ist der aktuelle Rentenwert so anzuheben, dass das Sicherungsniveau vor Steuern mindestens 48 Prozent beträgt.“ Bestimmt wird das Sicherungsniveau von der Regierung per Rechtsverordnung.
Höhere Steuern für stabile Renten?
Das geht aber nur mit zusätzlichen Steuermitteln. „Wird bei einem Beitragssatz von 20 Prozent die Mindestnachhaltigkeitsrücklage nicht erreicht, so sind die zusätzlichen Bundesmittel für das betreffende Kalenderjahr so zu erhöhen, dass die Mindestnachhaltigkeitsrücklage erreicht wird“, das heißt, der Bund buttern so lange zu, bis es passt. Kein Wort darüber, wo das Geld herkommen soll.
Das Rentenpaket kompakt erklärt
48 Prozent Rentenniveau sind lächerlich im Vergleich zu dem, was andere Europäer bekommen
Um sein Gesetz abzusichern, plant die Regierung Sonderzahlungen an die Deutsche Rentenversicherung von bis zu acht Milliarden Euro bis 2025. Dumm nur, für die Jungen, die für 2019 auf eine Beitragssatzsenkung hätten hoffen können – die wird annulliert.
Haltelinie kostet 45 Milliarden Euro
Das Münchner „Center for the Economics of Aging“ (MEA) hat die Kosten einmal hochgerechnet: „Da durch den demographischen Wandel die Zahl der Rentenempfänger weiter steigt und die der Beitragszahler weiter fällt, aber nun die beiden wichtigsten finanziellen Stellschrauben der umlagefinanzierten Rentenversicherung fixiert sind, entsteht ein Fehlbedarf, der laut Koalitionsvertrag durch
Steuermittel sicher zu stellen ist. Er wird im Jahr 2025 inflationsbereinigt knapp elf Milliarden Euro betragen. Danach steigt der Fehlbetrag sehr schnell an.“ Setzt die Regierung die doppelte Haltelinie weiter fortsetzen, steigt der Fehlbetrag im Jahr 2030 auf 45 Milliarden Euro, so das MEA.
Nachholfaktor
Der Nachholfaktor ist eine Art Rentenbremse, wie der DGB auf seine Homepage schreibt.
Er ist Teil einer Schutzklausel bei der Rentenanpassung, der sogenannten Rentengarantie. Zunächst wird mit der Rentenanpassungsformel bestimmt, wie hoch die jährliche Rentenanpassung zur Mitte des Jahres ausfallen könnte. Rentengarantie und Nachholfaktor greifen danach. Rentengarantie besagt, dass Rentenkürzungen gesetzlich ausgeschlossen sind. Der Nachholfaktor verschiebt die nicht umgesetzte rechnerische Rentenkürzung auf spätere Jahre. Bei wieder steigenden Renten wird die verhinderte Rentenkürzung nachgeholt, indem die Rente weniger stark steigt als durch die Anpassungsformel berechnet.
Der Nachholfaktor wurde im Jahr 2018 mit dem Rentenpakt ausgesetzt. Denn der Rentenpakt sieht vor, dass die Renten wieder mindestens so wie die Löhne steigen sollen. Rentenkürzungen durch Dämpfungsfaktoren sollen nicht wirken und auch nicht nachgeholt werden. 2022 ist der Nachholfaktor wieder abgeschafft worden, was bedeutet, dass die Renten weniger niedriger ausfallen. Verwiesen wird dabei auf die negative Lohnentwicklung des Jahres 2020. Angeblich seien deswegen 3,25 Prozent Rentenkürzung nachzuholen. Verwiesen wird damit aber auf Zahlen, die nichts mit der Lohnentwicklung in 2020 zu tun haben. Das heißt, die Renten werden 2022 weniger stark steigen: Im Westen voraussichtlich 4,4 Prozent, im Osten voraussichtlich 5,2 Prozent.
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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
[…] was bei den Wählern natürlich nicht gut ankommt. Also denkt Heil jetzt darüber nach, die Rentenformel zu ändern – wahltaktisch durchaus nachvollziehbar, aber nicht gerade […]
[…] gilt, wer 33 oder 35 Jahre Grundrentenzeiten nachweisen kann und weniger als 0,8004 Entgeltpunkte und mehr als 0,3 Entgeltpunkte im Jahresdurchschnitt nachweisen kann, hat Anspruch auf den Zuschlag […]
[…] getreten wird, bleibt es beim sehnsuchtsvollen Blick nach Norden. Die Folge wird sein, dass sich Altersarmut weiter ausbreitet und der Verteilungskampf nach 2025 erst so richtig […]
[…] gilt, wer 33 oder 35 Jahre Grundrentenzeiten nachweisen kann und weniger als 0,8004 Entgeltpunkte und mehr als 0,3 Entgeltpunkte im Jahresdurchschnitt nachweisen kann, hat Anspruch auf den Zuschlag […]
[…] Basis der vorliegenden Daten ergebe sich damit ab dem 1. Juli 2020 eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig 33,05 Euro auf 34,19 Euro und eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) von […]
[…] es 2021 keine Rentenerhöhung gab, liegt der aktuelle Rentenwert gegenwärtig bei 34,19 Euro (West) und bei 33,47 Euro […]
[…] Ampelregierung war angetreten, einen Kapitalfonds von zehn Milliarden Euro zur Entlastung der Rentenversicherung […]