Was deutsche Rentenpolitik von der Schweiz lernen kann

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Die Schweizer sind bei der Altersvorsorge ein Vorbild, von dem deutsche Rentenpolitiker lernen können. Und was kann deutsche Rentenpolitik von der Schweiz lernen? Die Schweizer Altersvorsorge ruht auf drei Säulen – ein solides Fundament fürs Auskommen im Alter. Zu den drei Säulen gehört die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sowie die Invalidenversicherung (IV), die obligatorische berufliche Vorsorge (Pensionskasse) und die freiwillige Selbstvorsorge.

Die erste Säule: die AHV

Basis der Altersvorsorge in der Schweiz ist die Alters- und Hinterlassenenversicherung, kurz AHV. Das ist eine verpflichtende Rentenversicherung. Die AHV ist wie die gesetzliche Rente in Deutschland umlagefinanziert. Das heißt, die aktive Beschäftigten zahlen für die Rentner – das Geld wird unmittelbar und direkt weiter gereicht. Die Einnahmen der AHV liegen bei rund 40 Milliarden Franken, die unmittelbar für Renten ausgegeben werden; Überschüsse, so es sie denn gibt, wandern in den AHV-Ausgleichsfonds. Zurzeit verwaltet dieser Fonds ein Vermögen von 43 Milliarden Franken.

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Alle zahlen in die AHV ein

Anders als beim deutschen System – in Deutschland gibt es eine Beitragsbemessungsgrenze, 6200 Euro in West-, 5400 Euro in Ostdeutschland – zahlen in der Schweiz alle ein, sprich, auch Selbstständige, Hausfrauen und Beamte. Zum anderen ist die Höhe der Beiträge anders als in Deutschland nicht bei einem bestimmten Betrag gedeckelt. Begrenzt ist aber die ausgezahlte Rente. Das in Deutschland geltende Äquivalenzprinzip, wonach die Höhe der Einzahlungen die Höhe der Rente bestimmt, gibt es in der Schweiz also nur teilweise. Andererseits ist damit der Solidargedanke – die Reichen stehen für die Schwachen ein – sehr ausgeprägt. Der Beitragssatz liegt seit Anfang 2016 bei 10,25 Prozent, wobei Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte zahlen.

Schutz vor Altersarmut

Das Rentensystem der Schweiz einfach erklärt und was die Initiative AHVplus bedeutet – per Video

Das AHV bewahrt viele alte Schweizer vor dem Gang zum Sozialamt. Denn die Rente aus der AHV beträgt mindestens 1175 Franken und höchstens 2350 Franken – das sind umgerechnet 1075 und 2150 Euro. Zugegeben nicht viel in der teuren Schweiz, aber im Vergleich mit den Durchschnittsrenten in Deutschland immer noch mehr. Am 25. September 2016 stimmten die Schweizer über die Initiative AHVplus ab, sprich eine zehnprozentige Rentenerhöhung. Das hätte geheißen, 0,4 Prozent höhere Abzüge vom Gehalt. Der Vorstoß wurde mehrheitlich abgelehnt.

Die AHV sieht In der Schweiz für Männer ein ordentliches Rentenalter von 65 Jahren vor, für Frauen von 64 Jahren. Die Initiative AHVplus sah auch eine Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre vor.

Demographischer Wandel bleibt Problem

Nun, die Initiative „AHVplus“ ist durchgefallen. Die Gegner argumentierten, die Neuregelung hätte die Schweizer zusätzlich mit mehr als vier Milliarden Franken belastet. Zudem würden viele Personen, die heute Ergänzungsleistungen bezögen, nicht von der Initiative profitieren. Die Diskussion in der Schweiz ist damit nicht ausgestanden, denn auch unser Nachbarland spürt den demographischen Wandel, der eine Antwort verlangt, was das Rentensystem betrifft.

Die zweite Säule: die Pensionskasse

Wie die Schweizerische Eidgenossenschaft schreibt, sind bei der zweiten Säule „alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer versichert, die schon in der 1. Säule versichert sind und mindestens 21 150 Franken im Jahr verdienen (Stand: 2016)“. Die obligatorische Versicherung nach dem BVG (Gesetz über die berufliche Vorsorge) beginnt mit Antritt des Arbeitsverhältnisses. Das sei frühestens mit Vollendung des 17. Lebensjahres. Weitere Feinheit: „Vorerst – bis zum Erreichen des 24. Altersjahres – decken die Beiträge nur die Risiken Tod und Invalidität ab; ab dem Jahr nach Vollendung des 24. Altersjahres und bis zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit wird zusätzlich für die Altersrente angespart.“ Davon ausgenommen sind beispielsweise Selbstständige und Beschäftigte mit befristetem Arbeitsvertrag von höchstens drei Monaten.

60 Prozent des Gehalts

Anders als bei der AHV sind die Pensionskassen – davon gibt es nach Schätzung der „Neuen Zürcher Zeitung“ rund 2000 – kapitalgedeckte Arbeitnehmer-Versicherungen. Gehälter sind zwischen Jahreseinkommen von 21.150 bis 84.600 Franken durch das BVG obligatorisch versichert.  Wie bei der AHV ist der Arbeitgeber verpflichtet, 50 Prozent beizutragen. Ziel der zweiten Säule sei es, den „gewohnten Lebensstandard“ über die Pensionierung hinaus zu sichern. Mit diesen zwei Säulen kommen Schweizer, die ein durchschnittliches Einkommen erhalten haben, im Alter auf etwa 60 Prozent ihres letzten Gehalts.

Mit dem Geld aus der betriebliche Vorsorge wird die AHV-Rente aufgestockt. Das angesammelte Kapital wird dabei mit einem Umrechnungsfaktor von 6,8 Prozent für Männer und Frauen umgewandelt. Das wird am besten anhand eines Beispiels deutlich: Für ein Altersguthaben von 100 000 Franken wird eine Jahresrente von 6800 Franken ausbezahlt.  Die Einzahler in eine Pensionskasse sammeln nämlich ein Altersguthaben an – und das setzt sich zusammen aus den jährlichen Altersgutschriften plus Zins von mindestens 2,0 Prozent (2009-2010-2011), 1,5 Prozent (ab 2012), 1,75 Prozent (ab 2014) und 1,25 Prozent (ab 2016). Das heißt, auch die Schweizer leiden unter dem Niedrigzins wie deutsche Altersvorsorger. Der Garantiezins von Lebensversicherungen ist in Deutschland mittlerweile auf ebenfalls 1,25 Prozent gefallen – und er soll für ab 2017 neu abgeschlossene Lebensversicherungen auf 0,9 Prozent fallen.

Die dritte Säule: private Vorsorge

Die dritte Säule der Altersvorsorge in der Schweiz besteht aus steuerlich geförderten Anlagen in Wertpapiere oder privaten Rentenversicherungen. Viele Schweizer können jährlich bis zu rund 6200 Euro an Ausgaben für eine eigene Altersvorsorge von der Steuer absetzen. Viele schöpfen dieses Angebot auch voll aus. Die dritte Säule hat zwei Teile:

Säule 3a – gebundene Selbstvorsorge

Das ist die gebundene Selbstvorsorge für angestellte und selbstständige Erwerbstätige. Beiträge sind zu einem gewissen teilweise steuermindernd. Wo „gebunden“ drauf steht, ist „gebunden“ drin, das heißt, der Altersvorsorger kann nicht jederzeit frei über sein Guthaben verfügen. Wie hoch der Beitrag ist, legt das Bundesamt für Sozialversicherungen fest. 2016 dürfen Angestellte, die einer Pensionskasse angehören, maximal 6 768 Franken in die Säule 3a einzahlen. Selbstständige dürfen 2016 20 Prozent des jährlichen Erwerbseinkommens, maximal aber 33 840 Franken einzahlen. Sich das Guthaben vorzeitig auszahlen zu lassen, ist nur möglich, wenn eine selbst genutzte Immobilie gekauft oder gebaut wird, beim definitiven Wegzug aus der Schweiz und bei der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Übrigens hat jeder zweite Schweizer ein 3a-Konto. Dem Verein Vorsorge Schweiz (VVS) wächst die Zahl weiter. Banken und Versicherungen müssen immer findiger werden, um den 3a-Vorsorgern noch akzeptable Renditen zu bieten. Deswegen gehen einige dazu über, deutlich mehr in Aktien zu investieren.

Säule 3b – die ungebundene Selbstvorsorge

Die Beiträge sind bei der ungebundenen Selbstvorsorge in der Höhe nicht limitiert, allerdings lassen sie sich steuerlich nur in geringem Umfang abziehen. Der Bezug aus der dritten Säule wird zu einem wesentlich günstigeren Steuersatz besteuert. Auf Zins und Überschussbeteiligungen einer Lebensversicherung wird keine Einkommensteuer erhoben.

Weiterführende Links:

Schweizer Renten sind nur Durchschnitt

Die AHV bleibt die gerechteste Altersvorsorge

 

 

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Helmut Achatz

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