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Was heißt es, in Deutschland alt zu werden? Dieser Frage ist Michael Opoczynski in seinem Buch „Aussortiert und Abkassiert“ nachgegangen und kommt zu erstaunlichen Erkenntnissen. Was passiert heute mit den Alten? Werden sie von „skrupellosen Finanzberatern ausgenommen, in unzumutbaren Pflegeheimen entsorgt, ausgegrenzt bei der Arbeitssuche, diskriminiert wegen ihres Alters“? Ist das wirklich so? Der Blick fällt auf die anderen Alten, die ihr Leben aktiv leben, reisen, studieren, ihren Enkeln helfen, sich in der Integration von Flüchtlingen engagieren und ein Ehrenamt mit Elan ausfüllen. Wie fühlt sich Altwerden in Deutschland an?
Opoczynski, den vielen noch als Leiter der ZDF-Wirtschaftsredaktion und Moderator von Wiso kennen dürften, warnt vor Abzockermethoden und Diskriminierung. Er geißelt den Umgang mit Alten in Pflegeheimen, sieht genau hin bei Altersarmut und plädiert dafür, dass sich das Denken ändern muss. Er will, dass den Alten der Respekt zurückgegeben wird.
Er wehrt sich gegen das euphemistische „Senior“ und andere Umschreibungen für die Alten. Warum nicht „Alter“ sagen. Nun, vielleicht weil alle zwar „alt werden wollen, aber niemand alt sein will“. Opoczynski verdeutlicht die Folgen, wenn einer aufgegeben hat. Er verschwindet schnell im gesellschaftlichen Nichts.
Antrieb für sein Buch war: Er gehört mittlerweile selbst zu den Alten und bezieht seine Rente. Als Journalist hat er verschiedene Lebensentwürfe recherchiert; es interessierte ihn die Reaktion der Jüngeren auf die Älteren – und wo Alter ausgenutzt wird.
Altendiktatur – gibt’s die?
Der Ex-Wiso-Moderator glaubt nicht an eine Altendiktatur. Ob er damit nicht daneben liegt? Wie ist es denn mit der Rente mit 63? Eigentlich kann sich das Rentensystem dieses Zuckerl für eine bestimmte Klientel nicht leisten – und doch hat die Andreas Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, sie eingeführt. Wie ist es denn mit der überproportionalen Rentenerhöhung 2016 – und der Ankündigung, die Renten werden bis 2030 im Schnitt um zwei Prozent steigen? Höhere Renten bedeutet im Umkehrschluss höhere Beiträge – und die treffen die Jungen. Die Regierung will mit ihrer Rentenpolitik vor allem das Wohlwollen der Alten, weil sie die Mehrheit stellen in diesem Land. In dem Punkt ist Opoczynski zu blauäugig. Weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, muss der Staat zuschießen – von Jahr zu Jahr mehr. Es wird keinen Konflikt der Alten mit den Jungen geben, sondern der Alten mit der Politik. Bestes Beispiel sind die Direktversicherungsgeschädigten, die aufbegehren, weil die Politik, damals unter Sozialministerin Ulla Schmidt, die Regeln geändert hat, so dass Betriebsrentner auch mit alten Verträgen Arbeitgeber-und Arbeitnehmer-Beiträge an die Krankenkasse abdrücken müssen. Ihr Protest hat etwas bewirkt, denn zum 1. Januar 2020 ist das GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz in Kraft getreten, das zumindest einen Freibetrag von 159,25 Euro vorsieht.
Heraus aus der Opferfalle
Ok, genug der Kritik – in seinem Buch geht er auf Diskriminierung der Alten ein; er zeigt, wie die Alten abgezockt werden von Trickdieben, wie ihnen alles Mögliche aufgeschwatzt wird. Alte Menschen seien das bevorzugte Ziel von Kriminellen. Sein Fazit lautet: „Heraus aus der Opferfalle“. Dieser Befund gilt auch für das Gesundheitssystem. Nicht selten werden Menschen in finstere Ecken abgeschoben.
Opoczynski greift auch Themen auf, die bislang in der öffentlichen Diskussion nicht vorkamen wie die „alten Männer“. Da werde einfach die Hälfte der Alten ignoriert. Dabei altern Männer anders als Frauen. Opoczynski geht auf Eckart Hammer ein, der selbst wiederum das Buch „Männer altern anders“ geschrieben hat – vielleicht ein Geschenkvorschlag.
Schweden als Modell für die Rente
Opoczynski geht in seinem Buch auch auf die Verhältnisse in anderen Ländern ein, darunter denen in den USA und Frankreich, in Schweden, Dänemark, Japan sowie China. Sein Resümee: „Schweden kann Modell für unser Rentensystem sein“.
Der frühere Wiso-Moderator geht der Frage nach, wie es die Alten mit der Arbeit halten und stößt dabei auf so interessante Ansätze wie „Granny Aupair“. Michaela Hansen aus Hamburg hat dieses Online-Portal gegründet und vermittelt Leihomas ins In- und Ausland. Darüber gibt es übrigens auch ein Buch: „Als Granny-Aupair in die Welt“. Opoczynski stellt in seinem Buch auch die Idee „Gründer 50plus“ vor. Statt arbeitslos zu sein – ein Unternehmen gründen. Nicht für alle, aber für einige ältere Arbeitslose kann das die Lösung sein.
Alte bei Finanzen für dumm verkauft
Ach ja, die schöne Warenwelt, die angeblich die Alten als Kunden gern sehen. Die Wirklichkeit sieht nach Opoczynskis Ansicht anders aus. Hersteller und Händler empfänden immer noch und gegen alle Ratschläge die Einstufung „alt“ als Killerkriterium – und seien irritiert bis erschrocken, wenn ihr Produkt bei Alten ankommt.
Altwerden will gelernt sein
Am schlimmsten geht es den Alten allerdings bei den Finanzen, weil viele Banken und Sparkassen immer noch glauben, sie könnten „den Alten alles andrehe“, wie es der Buch-Autor formuliert, womit er sicher richtig liegt. Sein Tipp: „Keine Finanzprodukte kaufen, die man nicht restlos versteht“. Denn, das hat sicher jeder schon selbst festgestellt, dass Verkäufer ihren Kunden gern Produkte andienen, die besonders viel Provision abwerfen, aber eben auch riskant sind. Übrigens, wenn Alte einen Kredit nachfragen, werden sie schnell feststellen, dass Banken und Sparkassen sie schnell abblitzen lassen.
Auch mit Finanzen zu tun hat das Thema Wohnen, das Opoczynskis kritisch beleuchtet. Alte, die an ihrem Heim hängen, weil es für sie der Fixpunkt im Leben ist. In Großstädten wie München, Frankfurt und Hamburg sind die Mieten in den vergangenen Jahren jedoch stark gestiegen, so dass sich Rentner das zunehmend nicht mehr leisten können. Das ist das eine Problem – anders sieht es auf dem Land aus, wo Dörfer verwaisen, weil die Jungen in die Ballungsräume abwandern. Opoczynskis fordert: „Alleinlebende Alte brauchen mehr als eine technische Problemlösung“.
Was sich ändern muss
Am Ende des Buchs geht Opoczynskis noch auf die „alten Alten“ ein. Seiner Meinung nach „fehlt unserer Gesellschaft eindeutig das Verständnis für Menschen, die am Ende ihres Lebens angekommen sind“. Er fordert deswegen, die Rechte der Über-80-Jährigen zu stärken. Opoczynskis wünscht sich, auch als alter Mensch, seinen Teil zu dieser Gesellschaft beizutragen und seine Erfahrungen weiter zu geben – gemeinsam mit anderen Alten, gemeinsam mit den Jungen. „Das ist es, was sich verändern muss“. Übrigens, sein Quellenverzeichnis ist eine wahre Fundgrube mit vielen Hinweisen auf Beratungsstellen und Institutionen.
Übrigens, von Opoczinski gibt es auch „Krieg der Generationen“, ebenfalls aus dem Gütersloher Verlagsaus.
Opoczinski hat einen Blog mit aktuellen Beiträgen und Kommentaren.
„Aussortiert und Abkassiert“ von Michael Opoczynskis
Erschienen 2016 im Random House, München.
Preis: 15,99 Euro
ISBN: 978-3-641-18377-6
Alle Rezensionen auf vorunruhestand.de
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Die Bewertung des Buches finde ich insgesamt gelungen. Allerdings sollte der Autor das Bruttosozialprodukt mit der Gesamtbevölkerung Deutschlands in Bezug setzen. Dann würde ihm schnell klar, dass es keinen Konflikt Jung gegen Alt gibt, sondern lediglich ein Finanzierungs- und Umverteilungsproblem. Renten dürfen nunmal nicht nur durch den Produktionsfaktor Arbeit finanziert werden, sie müssen von der Gesamtheit der Bevölkerung durch Steuern finanziert werden. Dabei ist unser asozialer Außenhandelsüberschuss langfristig abzubauen. Wir dürfen nicht länger eine Beggar your Neighbour Policy betreiben. Dass dies nicht im Hauruck-Verfahren geändert werden kann, ist jedem klar. Verbrauchen wir die produzierten Güter im Inland, so wird ein steigender Anteil alter Menschen kein Problem mehr sein. Außerdem müssen die Privilegien des Alters abgeschafft werden. Ein alter Mensch hat keinen höheren Finanzbedarf als ein junger, wird er aber besser bezahlt, so führt dies zu Entlassungen älterer Arbeitnehmer. Warum nicht eine echte Rentenflexibilisierung einführen? Wer möchte, darf weiter arbeiten, wer nicht verzichtet auf Rente und wer nicht scheidet früher aus dem Erwerbsleben aus oder …. wechselt den Beruf mit dem Background einer geringeren Rente.
Danke für den Kommentar. Persönlich finde ich das System der Schweiz vorbildhaft. http://vorunruhestand.de/2016/10/was-deutsche-rentenpolitik-von-der-schweiz-lernen-kann/
Das Buch ist im Bertelsmann Verlag erschienen und kostet €19,99. Wer Michael Opoczynski noch als ZDF Journalist kennt kann sich auf ein spannendes Buch freuen.
Das ist richtig. Deswegen kommt jetzt noch das Cover-Bild rein plus Infos übers Buch selbst. Danke für den Hinweis
[…] ist Gedächtnisverlust allerdings ein Zeichen von Demenz oder kann durch seelische Belastung entstehen. Wer sich sorgt, dement zu werden, sollte sich schon ab 50 Jahren untersuchen zu lassen, […]