Deutschland soll für Italien büßen

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Italien, Frankreich und Spanien fordern gemeinsame europäische Anleihen, um Konjunkturprogramme nach der Corona-Krise zu finanzieren. Kritiker warnen davor: Den Profiteuren gehe es nicht um niedrigere Zinsen, sondern um die Schulden-Transferunion.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte fordert, dass die Deutschen, Österreicher und Holländer ihm einen Blankoscheck ausstellen, denn nichts anderes sind Corona-Bonds. Die Rede ist nicht von einigen Millionen, sondern von Hunderten von Milliarden. Aus Corona-Bonds werden dann sehr schnell Euro-Bonds, sprich eine Vergemeinschaftung der Schulden.

Rom sind Regeln egal. Italien setzt sich einfach darüber hinweg, also ob die Regeln nur für die anderen Ländern gelten würden. Italien hat den Stabilitätspakts nie eingehalten hat. Statt zu sparen, hat Italien seine Schulden sogar noch deutlich erhöht. Italien verteilte statt sparen liebe soziale Wohltaten wie eine „neue Grundsicherung, drehte Arbeitsmarktreformen zurück und kündigte einmal getroffene Vereinbarungen mit der EU-Kommission zur Haushaltssanierung später einfach auf“, so Dorethea Siems von der „Welt“.

Dabei sind Italiener – und Spanier – vermögender als Deutsche. Dem Credit Suisse Global Wealth Reports zufolge lag die Relation von Vermögen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Italien bei dem 5,5-fachen und damit noch vor der Schweiz. Deutschland rangiert weit abgeschlagen mit einem Wert von 3,8 am unteren europäischen Ende. Das Median-Vermögen deutscher Privathaushalte liegt bei 60 800 Euro, in Italien bei 146 200 Euro und in Spanien bei 159 600 Euro. Die Abgabenquote hierzulande ist die zweithöchste weltweit. Übrigens, hat sich daran nicht viel geändert, denn schon 2014 hat die Banca d’Italia ähnliche Werte errechnet.

Vermoegen_im_internationalen_Vergleich

Vermoegen im internationale Vergleich       Quelle: arm und reich

Kredite zu Nullzinsen für Italien

Um den Schuldendienst zu erleichtern, hat der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, auf null gesenkt. Italien bekam Kredite trotz seiner schlechten Bonität jahrelang geschenkt. Der Italiener Draghi half also seinen Landsleuten, sich noch einfacher zu verschulden. Statt die Zeit zu nutzen, häuften sie noch mehr Schulden an. Schon jetzt hat Italien laut Statista 2,4 Billionen Euro Schulden. Das entspricht einer Quote bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt von 132 Prozent. Erlaubt sind nach Maastricht-Kriterien nur 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Italien lebt seit Jahren über seine Verhältnisse.

Für Italien bürgen

Das reicht den Italienern aber immer noch nicht. Sie wollen jetzt, dass die anderen Europäer, vor allem Deutschland, Österreich und die Niederlande für ihre Schulden bürgern – nichts anderes sind Corona-Bonds. Italien fordert, dass die Euro-Länder angesichts der Coronavirus-Pandemie gemeinsam Anleihen aufnehmen, und dann gemeinsam für die Rückzahlung haften und natürlich gemeinschaftlich Zinsen zahlen. Italien wärmt einen Gedanken aus der Zeit der Finanzkrise auf. Das ist ein klarer Verstoß gegen Art. 125 (ex-Artikel 103 EGV) des Maastricht-Vertrags. Darin heißt es: „Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens.“ Was ist ein Vertrag noch wert, wenn er ständig gebrochen wird?

Wieder der Nazi-Vergleich

Weil Deutschland das nicht will, greifen laut „Merkur“ italienische Politiker wie der erklärte Deutschland-Gegner Paolo Savona und Universitätsprofessor, ehemals Europaminister, zur Nazi-Keule. „Sie wenden weiter das gleiche Modell des ‚Funk-Plans‘ an, das vom Wirtschaftsminister der Nazis stammt; der hat darin vorgeschlagen, dass Deutschland das Land ist, das die Befehle gibt; dass alle Währungen sich an der deutschen Mark orientieren müssen; dass Deutschland sich auf die Industrie konzentriert und sich alle anderen Länder, einschließlich Italien, um die Landwirtschaft, den Tourismus und das Wohlergehen auch der Deutschen kümmern“. Ministerpräsident Conte gibt sich diplomatischer, fordert aber das gleiche. Der Komiker und Schauspieler Tullio Solenghi wirft den Deutschen „gnadenlose Arroganz“ vor. In einem Video lässt er sich über die Deutschen aus.

„Die Deutschen haben heute immer noch ihre gnadenlose Arroganz. Heute in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie halten sich noch immer für eine Herrenrasse“, urteilt Solenghi.

Schuldenvergemeinschaftung

Und die Deutschen halten dagegen: „Mit den Fantasien über ‚Corona-Bonds‘ muss Schluss sein, denn eine Vergemeinschaftung von Schulden ist keine Lösung. Italien hätte kaum einen finanziellen Vorteil davon“, sagt Christian Dürr in der „Welt“. Dürr ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag. Auch für Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim ist klar, Rom und Paris gehe es um die Vergemeinschaftung der Haftung mit ihrer Langfristperspektive. „Die erste Emission eines Corona-Bonds wäre daher die Weichenstellung in Richtung einer umfassenden Umfinanzierung der nationalen Staatsschulden.“

Erwiderung von Prof. Wolfgang Gerke

Vielleicht sollte Italien seine Frühverrentung überdenken. Italiener gehen im Schnitt mit 62 in Rente und viele Italienerinnen sogar mit 58 Jahren. Das muss irgendjemand zahlen – in Italien die Steuerzahler. Auch deswegen sind Italiens Schulden so hoch. Der italienische Staat investiert deutlich mehr in seine Rente als der deutsche. Schon heute lässt sich Italien seine Rentner 286 Milliarden Euro kosten, das sind laut INPS immerhin 16,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), sprich dessen, was Italien jährlich erwirtschaftet. Deutschland zahlt seinen Rentner „nur“ 355 Milliarden Euro oder elf Prozent des BIP. Das ist, bezogen auf die Einwohnerzahl (Deutschland 82,5 und Italien 60,5 Millionen) prozentual deutlich weniger.

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9 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Gabriele Spindler
    8. April 2020 17:10

    Ich bin beim Lesen gerade vom Sessel gefallen. Wir sind in der Tat weit hinter den Italienern beim Median Vermögen pro Kopf. Wir sind auch weit hinter Frankreich, Österreich und auch Spanien. Siehe auch wikipedia – Liste der Länder nach Vermögen pro Kopf aus 2019. Also, da läuft doch was gewaltig schief.

    Antworten
  • Ich bin nicht vom Sessel gefallen, weil ich das schon lange wusste. Mehr noch: Auch „dank“ Ex-EZB-Chef (u. gelerntem Spekulations-Investmentbanker) M. Draghi wurden Banken, die sich noch mehr verspekuliert hatten als die Deutsche B., West-LB oder HSH-Nordbank, „gerettet“. Frage: Welche Bank hatte mehr faule Kredite in ihrem Portfolio als die Banca Monte Paschi dei Sienna? Ich kenne keine.
    Und: Hat Italien, haben die verantwortlichen Politiker aus der Finanz- / Eurokrise von 2008/09 in ausreichendem Maße die richtigen Schlußfolgerungen gezogen? Große Zweifel sind angebracht.
    Wenn jetzt Solidarität – sprich: Geld – von den reichen Deutschen, Niederländern, Österreichern und Finnen – gefordert wird (unterstützt durch Die Linke sowie B. 90 / Die Grünen), darf gefragt werden: Haben nicht die Italiener selbst ihre ständig wechselnden, oft korrupten Regierungen gewählt? Oder wir?

    Antworten
    • Dirk Feldhinkel
      9. April 2020 12:13

      Dem stimme ich zu. Eurobonds sind keinesfalls die Lösung für Fehlkonstruktionen der europäischen Gemeinschaft. Immerhin hat Olaf Scholz ein schlüssiges 3-Säulen-Programm vorgelegt. Aber an dem Erhalt von Zombie-Banken wie auch einer verdeckten Zombie-Wirtschaft ist jedoch Deutschland nicht ganz unbeteiligt.
      Die systemisch angelegte Staatenkrise wurde durch die Finanzkrise 2008 in Gang gesetzt und verstärkt. Die Finanzkrise ging in einem erheblichen Maß von Deutschland aus. Vorne dran: die Deutsche Bank.

      Als der damalige Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann arrogant verkündete, „…er würde sich schämen, staatliche Hilfen anzunehmen…“ hatte sich die Deutsche Bank bereits mit zweistelligen Milliarden Beträgen von der amerikanischen Regierung helfen lassen. Heute kennen wir die erbärmliche Wahrheit. Wir lassen uns gerne etwas vormachen.

      Es ist eben nicht alles schwarz oder weiß:

      Deutschland profitiert offensichtlich sehr stark vom Produktivitätszusammenbruch der südeuropäischen Länder. Die Arbeit wird jetzt hier gemacht. Dabei ist die großzügige Rentenpolitik der Südeuropäer eine ordentliche Konsumstütze, um zum Beispiel deutsche Autos zu kaufen.
      Ein anderes Beispiel: In Deutschland investiert man zu wenig in eine breite ordentliche Ausbildung der Bevölkerung. OECD-Studien belegen das. Schulen brechen zusammen und Fachkräfte sind Mangelware. Stattdessen werden arbeitslose junge Menschen aus Südeuropa, zum Beispiel aus Spanien sogar mit politischer Unterstützung von Frau Merkel angeworben.

      Wer hat jedoch mit staatlichen Ausgaben diese jungen Menschen so gut gebildet?
      Deutschland bedient sich sehr selbstverständlich an dem Vermögen Südeuropas und steht dabei noch als gönnerhafter Retter da.

      Wenn wir dann die tatsächliche Vermögensverteilung bei uns Deutschen anschauen, dann sollten langsam merken, dass unsere ideologischen Fehler uns selbst schmerzhaft auf die Füße fallen werden. Fehlende Pflegekräfte können wir Deutsche zum Beispiel auch nicht mit viel Geld bei Amazon bestellen, damit die Lieferung über Nacht in einem Karton vor der Tür steht.

      „Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben.“
      Philip K. Dick, Autor von Total Recall

      Antworten
      • Vielen Dank für den ausgewogenen Kommentar. Populismus ist jetzt völlig fehl am Platz. Es müssen ja nicht gleich Corona(Euro) Bonds sein, aber wir sollten in der Tat nicht verkennen, dass Deutschland durchaus seinen Nutzen aus dem Dilemma in den Südländern zieht. Deren Nazikeulen finde ich allerdings auch mehr als ärgerlich.

        Antworten
        • Danke und „Ja“: Auch ich sehe das ähnlich differenziert. Nicht zuletzt, weil ich seit rd. 45 Jahren wirtschaftspraktisch u. theoretisch mit dem internat. Währungssystem, Außenhandel und Investitionsgüter-Finanzierungen zu tun habe. Wie Griechenland von der Troika inkl. Deutschland behandelt wurde – zum „Wohle“ auch der dt. Banken, fand u. finde ich schlimm.
          Deutschland (u. die EU) braucht auch Italien (Spanien, Frankreich…). Nicht nur, weil wir international stark verflochten sind. Eine starke EU (ist aber eben nicht identisch mit dem €-Raum) ist auch zwingend notwendig als Gegenpart zu den USA u. China. Deutschland könnte rein wirtschaftlich nichts Besseres als starke EU-Südländer passieren. Aber dafür muss Italien usw. mehr strukturell bewegen, mehr Innovationen bringen.
          Ja, den aktuellen „dreifach-Schirm“ der EU mit ESM und EIB halte auch ich für nützlich. FM O. Scholz macht, soweit ich das beurteilen kann, einen guten Job.
          Allerdings: Schlimm finde ich das immer größere internat. Gewicht der von der Realwirtschaft losgelösten „Geldwirtschaft“, speziell das ausufernde Spekulationswesen. Leider sehe/ lese ich kaum etwas Konstruktives von EU/ EZB zur Eindämmung der Finanzderivate-Flut. Trotz der vorhandenen positiven Schritte zur Bankenunion.

          Antworten
      • Ohne in Rechthaberei verfallen zu wollen bin ich geneigt, Dirk in 3 Punkten zu widersprechen bzw. seine Statements zu relativieren:
        1.) Die Finanz- und Bankenkrise ging definitiv von den USA als Immobilien-Spekulationskrise aus (Pleite Lehmann Brothers). Da sich aber dort sowie in Europa auch deutsche Banken (über direkte u. indirekte Immobilienkredite, Fonds, Swaps usw.) spekulativ engagiert hatten, konnte sich die US-Immobilienkrise schnell zu einer deutschen u. europäischen Banken- und Eurokrise ausdehnen.
        2.) Die deutsche Wirtschaft profitier(t)e natürlich von den Märkten in Italien, Spanien usw.: sowohl als Absatzmärkte als auch als Lieferanten. Der selbstproduzierte „Produktivitätsverlust“ von Italien steht aus meiner Erfahrung aber v. a. in engem Zusammenhang mit einem Qualitäts-, Liefer-, Service- und (damit) Wettbewerbsverlust Italiens. Z. B. bei Fiat-Pkw´s, Werkzeugmaschinen usw.. Früher konnte Italien in solchen Fällen abwerten. Seit der Euro-Einführung funktioniert das nicht mehr.
        3.) Ob die großzügige südeuropäische Rentenpolitik (= sehr nett formuliert) eine große Stimulanz zum Kauf deutscher Autos ist, wage ich zu bezweifeln. Eher dürfte das mit zum Produktivitäts- und Intensitätsverlust beitragen- oder?
        Bei OECD- und andere Studien zu den Bildungs- und Forschungsausgaben pro Kopf findet sich Deutschland seit Jahren meist auf einem „guten Mittelplatz“. Hier liegen i. d. R. Norwegen, Dänemark, die Schweiz, z. T. die Niederlande deutlich vor uns.
        (Übrigens auch bei den Rentensystemen).
        Evtl. sollte „man“ ´mal über den eigenen Tellerrand hinausblicken (?)

        Antworten
  • Helmut Achatz
    10. April 2020 07:03
    Antworten
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    Antworten
  • […] genommen, hätte Italien nicht in den Euro-Raum aufgenommen werden dürfen, weil das Land nicht den Maastricht-Kriterien […]

    Antworten

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