Bei Betriebsrenten misst der Staat mit zweierlei Maß

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Ist das gerecht, dass Riester-Rentner keine Krankenkassenbeiträge zahlen, Altersvorsorger mit einer Direktversicherung aber doppelt? Ist das ein Verfassungsbruch gegen das Gleichbehandlungsprinzip des Grundgesetzes? Riester-Rentner sind privilegiert, was das Bundessozialgericht abstreitet. Das schreit nach Klärung durch das Bundesverfassungsgericht in punkto Betriebsrenten.

Von Dirk Feldhinkel

Können Direktversicherte neue Hoffnung in punkto Abschaffung des Doppelbeitrags schöpfen? Betriebliche Riester-Renten sind vom Doppelbeitrag befreit. Gerichtsurteile scheinen sich beim Doppelbeitrag für gesetzliche Krankenkassen und Pflegeversicherungen zu widersprechen. Liegt doch ein Verfassungsbruch des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vor? Der VdK sah das so und klagte vor dem Bundessozialgericht.

Gleichheit von Betriebsrenten?

Seit dem Eintritt des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1. Januar 2019 werden sogenannte Riester Renten aus betrieblichen Versorgungen in der Rentenbezugsphase nicht mehr für Beiträge an die Krankenkasse herangezogen. Diese Maßnahme wird offensichtlich von den meisten als gerecht empfunden, denn die Beiträge für Sozialabgaben wurden bereits bei der Ansparung erhoben. Doch ist diese Maßnahme wirklich gerecht? Das sah eine Rentnerin Anfang des Jahres 2019 völlig anders. Sie hat eine Direktversicherung, die mit vollen Beiträgen für Krankenkasse und Pflegeversicherung beim Rentenbezug belastet wurde. Sie verglich die unterschiedlichen Behandlungsweisen zwischen Direktversicherungen und Riester Verträge und zog mit Hilfe des VDK vor das Bundessozialgericht (Az. B 12 KR 27/19 B).

Riester-Renten werden besser behandelt

Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BVR 1660/08) mit einem Rundumschlag jeden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der nachgelagerten Beiträge bei gesetzlich Versicherten für Krankenkassen und Pflegeversicherungen zur Seite gewischt. § 229 Abs. 1 Satz. 1 Nr. 5. SGB V war anzuwenden, soweit der Arbeitgeber für den jeweiligen Kapitalstockaufbau Vertragsnehmer war. Nettoentgeltbezahlte und pauschalversteuerte Direktversicherungen entkamen dieser Regelung nicht. Hätte das nicht auch die Regel für Riester-Renten sein müssen? Diese unterschiedliche Behandlung ist erklärungsbedürftig. Liegt ein Verfassungsbruch gegen das Gleichbehandlungsprinzip des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vor? Wenn ja, bei welcher Durchführungsart?

Die Beschwerden der Direktversicherten scheiterten bisher an der politischen Strategie Beschwichtigen und Aussitzen. Das platte Argument: Geld! Darum geht es im Kern auch in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Az. 1 BVR 1660/08), welches die als ungerecht empfundene Maßnahme völlig legitimierte. Hier wurde sogar mit dem Verursacherprinzip, das heißt den erhöhten Kranken- und Pflegekosten im Rentenalter argumentiert. Das ist im Grunde nicht abwegig, jedoch greift es in das Solidaritätsprinzip ein, auf dessen Fundament unsere Sozialsysteme entwickelt wurden. Offensichtlich wirkt sich hier das Spiel „Jung gegen Alt“ nicht nur politisch, sondern sogar rechtlich aus. Sind die Argumente der Gerichte stichhaltig oder bedeutet Jung „glaubt noch an Versprechen“ und Alt „sitzt in der Falle“?

Direktversicherte – seit Jahren hingehalten

Die Frustration und Wut der Betriebsrentner über nachträgliche Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge hält inzwischen seit vielen Jahren an. Die Betriebsrentner, die ihre selbst bezahlten Direktversicherungen vor 2004 abschlossen haben, werden sogar zweimal zur Kasse gebeten. Häufig ist es ein Minusgeschäft. Unzählige Politiker versprachen sofort Hilfe. Dabei blieb es. Lediglich der Arbeitgeberzuschuss innerhalb der betrieblichen Altersversorgung soll halbherzig für einen zukünftigen Ausgleich des verlorenen Arbeitgeberanteils bei nachgelagerten Beiträgen sorgen. Überzeugt hat das jedoch nicht.

Die anfänglich geradezu überschäumend echauffierenden Politiker aller Parteien sind ziemlich wortkarg geworden. Sie zeigen sich bei dieser Frage inzwischen selbst frustriert und hilflos. Dabei ist dieses Problem selbst gemacht. In der Aussicht, leicht Wählerstimmen zu fangen, hatte ein ganzer Chor der Marktschreierei eingesetzt. Anscheinend hatten sich solche Politiker zuvor nicht ausreichend mit der Materie beschäftigt. Inzwischen übernehmen das die Sozialgerichte und das Bundesverfassungsgericht. Für die in Auszahlung befindlichen Altverträge gibt es inzwischen kaum mehr Hoffnung – oder doch, mit dem zweiten Blick auf das Urteil des Bundessozialgerichtes mit Aktenzeichen B 12 KR 27/19 B?

Verwirrung durch das Bundessozialgericht

Das bisher angeführte Prinzip des Bundesverfassungsgerichtes (Az. 1 BVR 1660/08): Jeder zahlt Beiträge gemäß seiner Leistungsfähigkeit, also nach dem, was im Pott ist und nicht nach dem, was er an Beiträgen zuvor geleistet hat. Das ist eine besonders bittere Pille für diejenigen, die Verträge in Sinne § 40b EStG vor 2004 für eigene Entgeltzahlung abgeschlossen haben. Hierbei war es nicht von Belang, dass bereits einmal die Beiträge erhoben wurden. Anders als im Steuersystem, wurde das vom Bundesverfassungsgericht nicht als relevant gesehen.

Man sollte davon ausgehen können, dass zumindest rechtliche Klarheit herrscht. Weit gefehlt: Das Bundessozialgericht (Az. B 12 KR 27/19 B) bestätigt die nachgelagerte Beitragsfreiheit für Riester-Renten. Hierbei kommt mir die unerwartete Einbeziehung der vorgelagerten Beiträge zur Bewertung spontan wie eine sachlogische Geisterfahrt vor. Der Gesetzgeber windet sich bei Direktversicherungen seit Jahren ausgesprochen ungeschickt hölzern um eine Lösung der vollen oder doppelten Beitragsbelastung herum.

Er hatte anders dagegen kurzerhand und nonchalant zugunsten der Riester-Verträge den doppelten Beitrag einfach per Gesetz weggewischt.  Das Bundessozialgericht hatte die Rentnerin mit ihrer Beschwerde darüber zurück gewiesen. Deshalb war Bundessozialgericht  gezwungen, die Riester-Renten von Direktversicherungen verfassungsgerecht zu differenzieren. Ist das gelungen?

Null- und Strafzinsen ausgeblendet

Beim Lesen der weitschweifigen Urteilsbegründung staunte ich nicht schlecht. Sie liest sich in Teilen wie eine Presseerklärung der Bundesregierung unter Beisitz der Vertreter großer Finanzkonzerne. Hier wird das Betriebsrentenstärkungsgesetz durchweg gelobt. Sicher sind einige längst überfällige Reparaturen vollzogen, aber auch Fehler begangen worden. Der naive Glaube jedoch, mit versicherungsförmigen Finanzprodukten könne man das schwere politische Versäumnis zur zukünftigen Rente wieder hin basteln, setzt die irrige Lobby-Ideologie der 2000er Jahre fort. Der Finanzmarkt bietet für diese Fehlannahme längst nicht mehr die nötigen Voraussetzungen. Er bereitet versicherungsförmigen Finanzprodukten, neben drohenden ungedeckten Kosten und Strafzinsen, unaufhaltsam zunehmende Risiken. Lernen Politiker aus der Finanzkrise? Bringen Sie lieber einem Elefanten Rollschuhlaufen bei, das ist einfacher!

Weitere Alibis gegen Altersarmut?

Trotzdem hält der Gesetzgeber an der daran verdienenden Finanzwirtschaft fest. Zur Kaschierung der Risiken und Verluste werden zusätzliche Sozial- und Steuergelder in ein Fass ohne Boden verschwendet. Die Förderungen sind die Fahrkarten für das Finanzkarussell. Sie werden von den Betreibern geschickt abkassiert. Der Spender der Fahrkarten, der Staat, will von den Betriebsrentnern nach der Rundfahrt das Geld wieder haben. – einiges davon doppelt. Zur „Belohnung“ gibt es bereits heute Verlustverträge. Die betriebliche Riester Rente soll es jetzt retten?

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Helmut Achatz

Macher von vorunruhestand.de

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