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„Die Rente ist sicher“, propagierte einst Norbert Blüm. Aber eben nicht in der Höhe, vergaß er zu sagen. Das ist das Problem. Was für die gesetzliche Rente gilt, gilt auch für die Riester-Rente. Sie kann die Versorgungslücke nicht schließen, wofür sie ursprünglich gedacht war.
„Das Kopfkissen – die bessere Riester-Rente?“, behauptet der Bund der Versicherten und provoziert damit die Versicherungsbranche. Wer hat Recht? Der Bund der Versicherten (BdV) hat in einer Studie ermittelt, „dass die Versicherungsunternehmen strukturell nicht in der Lage sind, erfolgreich mit den ihnen anvertrauten Werten zu arbeiten“. Das lasse sich sowohl auf hohe Kosten in der Ansparphase zurückführen, wie auch auf überzogene Annahmen zur Lebenserwartung, die die Rentenhöhe – und damit auch die Rendite – mindere, so die Studie des BdV.
Nur noch 0,25 Prozent Zins
Die Studie des BdV bezieht sich auf Riester-Rentenversicherungen, die mindestens den sogenannten Höchstrechnungszins abwerfen sollen. Der Höchstrechnungszins ist seit 1997 von vier Prozent auf mittlerweile 0,25 Prozent gesunken, entsprechend niedrig fallen die Riester-Renten aus. Wer beispielsweise 20 Jahre lang monatlich 85 Euro eingezahlt hat und die 175 Euro Grundzulage mitgenommen hat, bekommt laut Stiftung Warentest bei der Allianz 77 Euro Riester-Rente ausgezahlt, bei DEVK nur 74 Euro, bei der R+V AG 77 Euro – nicht gerade üppig. Die Versicherungen versprechen zwar Überschussbeteiligungen, nur wer bereits Erfahrungen mit Versicherungen gemacht hat, weiß, dass die Überschussbeteiligungen im Lauf der Jahre teilweise bis auf null Euro abgeschmolzen wurden. Wie sollen die Konzerne auch Überschüsse angesichts der jahrelangen Nullzinsphase erwirtschaften – und daran wird sich auch so schnell nichts ändern, wie Mario Draghi, Ex-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) unmissverständlich der ganze Welt mitteilte. Seine Nachfolgerin, Christine Lagarde, setzte Draghis Politik kompromisslos fort.
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Wie die Überschüsse zusammenschmelzen
Der BdV hat also Recht, wenn er nur mit dem rechnet, was die Versicherer auf alle Fälle zahlen müssen. Aber selbst, wenn ein paar Euro Überschuss herausspringen, macht es das kaum besser. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) lässt das natürlich nicht auf sich sitzen und hält dagegen. Von Negativrenditen könne keine Rede sein, nach Steuern seien mit Riester-Renten Renditen zwischen drei und vier Prozent zu erzielen. „Das ist reine Polemik“, so der GDV-Geschäftsführer Peter Schwark. Der BdV kalkuliere mit viel zu niedrigen Lebenserwartungen und gehe von einem „unrealistischen Worst-Case-Szenario“ aus. Den schlimmsten Fall gibt es offensichtlich bei Versicherern nicht. Die Realität sieht leider anders aus, wie viele Kunden von Versicherungsunternehmen sicher bestätigen können.
Werden Männer 93 Jahre alt?
Was die Lebenserwartung betrifft, so nimmt der BdV die Zahlen vom Statistischen Bundesamt, während die Versicherungsbranche ihre eigenen Zahlen hat. Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) geht von einer Lebenserwartung bei Männern von 92,7 Jahren aus, das Statistisches Bundesamt von 78,7 Jahren – macht einen Unterschied von 14 Jahren. Aber wie viele Männer werden schon annähernd 93 Jahre alt? Die Rechnung gilt übrigens für heute 40jährige, heute 60Jährige hätte laut DAV noch 34 Jahre vor sich, dem Statistischen Bundesamt nur noch 21 Jahre. Der GDV meint, dass ein Viertel der 2009 geborenen Jungen und 38 Prozent der Mädchen voraussichtlich mindestens 95 Jahre alt werden. Umgekehrt sterben aber drei Viertel schon früher.
Klar, wenn die Auszahlung auf so viele Jahre gestreckt wird, sind viele bereits gestorben und beziehen damit auch keine Riester-Rente mehr. Deswegen gibt’s monatlich auch weniger, als wenn die Zahlen des Statistischen Bundesamts genommen würden. Der BdV prangert genau diese zu vorsichtig kalkulierten Lebenserwartungen an.
Riester-Rente nur für Methusaleme
Aber zurück zur BdV-Studie: Der BdV hat durchgerechnet, was wäre wenn jemand jeden Monat 85 Euro einzahlt – plus Grundzulage von jährlich 175 Euro und es unters Kopfkissen legt. Es würde sich ein Betrag von 20 400 Euro plus 3500 Euro Zulage, sprich insgesamt 23 900 Euro ansammeln. Der Sparer könnte sich davon 20 Jahre lang jeden Monat 99 Euro auszahlen und es wären immer noch einige Hunderte übrig. Wenn er sich „nur“ 77 Euro auszahlt, wie bei der Allianz beispielsweise, würde das Geld unterm Kopfkissen 25 Jahre reichen. Da Männer im Schnitt laut Statistischem Bundesamt nur eine Lebenserwartung von 78,4 Jahren haben, würde der Unterm-Kopfkissen-Sparer also deutlich besser abschneiden, denn er hat ab 65 nur noch 13,4 Jahre zu leben. Das heißt, er könnte sich sogar 150 Euro auszahlen. Klingt makaber, aber ist nur ein Rechenexempel. Nur so viel, mit den 77 Euro monatlicher Riester-Renter muss ein Sparer schon sehr alt werden, dass sich Riester für ihn gelohnt hat.
Riester-Rente ist ein Draufzahl-Geschäft
Der BdV hat nicht viel anders gerechnet – und kommt bei den üblichen Riester-Angeboten auf erzielbare Renditen (plus Staatszuschuss) von minus 2,9 Prozent bis minus 0,3 Prozent – also ein Draufzahl-Geschäft. Die Versicherer kalkulieren einfach mit viel zu hohen Lebenserwartungen.
Übrigens, wenn die betriebliche Riester-Rente nicht von der Doppelverbeitragung durch die Krankenversicherung befreit worden wäre, sähe es sogar mit den Verlusten noch viel schlimmer aus. Denn bis 2018 wurde Riester noch doppelt verbeitragt, wie andere Betriebsrenten heute leider immer noch. Außerdem wurde sie bis dahin auf die Grundsicherung angerechnet. Beides hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz zumindest für Riester verbessert, nicht aber für andere Betriebsrenten.
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11 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Die Riester-Rente ist die gleiche Altersvorsorge-Lüge wie die Direktversicherung und alle Lebensversicherungen.
Alle bisherigen Finanzkrisen haben gezeigt, dass weltweit die kapitalgedeckten, privaten Renten den Bach runtergehen, die Einlagen flöten gehen oder zumindest drastisch schrumpfen.
Statt unsere unlagefinanzierte Rente zu stärken, wird das Geld als „staatliche Zulage“ an Versicherungen verteilt, die auch die heutigen Rentner, die nicht mal riestern konnten mit dem rentenkürzenden Altersvorsorgeanteil (AVA-§255 d,e SGB VI) mitbezahlen.Finanzkrise hat gezeigt, dass weltweit die kapitalgedeckten, privaten Renten den Bach runtergehen, die Einlagen flöten gehen oder zumindest drastisch schrumpfen.
Statt unsere umlagefinanzierte Rente zu stärken, wird das Geld als „staatliche Zulage“ an Versicherungen verteilt, die auch die heutigen Rentner, die nicht mal riestern konnten, mit dem rentenkürzenden Altersvorsorgeanteil (AVA-§255 d,e SGB VI) mitbezahlen. So bezahlen alle gesetzl. Rentenversicherten diese Zulagen alle selbst.
„Bei der gesetzlichen Rente hat jeder Rentner einen Vorteil dadurch, dass die Löhne steigen, bei den privaten Versicherungen sind die Leistungen höher, wenn die Arbeitenden möglichst schlecht bezahlt werden und dadurch die Gewinnausschüttungen für die Rentenfonds steigen.“
Demografie nur bei gesetzl. Rentenversicherten?
Gerd Bosbach, der Statistikprofessor aus Remagen, sagte treffend, „wenn die Versicherungswirtschaft es nicht auf eine Privatisierung der Rente abgesehen gehabt hätte, dann hätten wir nie ein „Demografie-Problem“ bekommen.
oh, oh, da ist in meinem Text etwas doppelt beim Korrigieren verblieben.
Davon mal abgesehen, wird die Statistik sehr einseitig betrachtet. Denn es sterben auch sehr viele Menschen vor der Rente oder kurz danach und gehören somit nicht mit zu den mehr werdenden Rentnern. Es sind ja auch nur gesetzl. versicherte Rentner, die mehr werden? Obwohl von weniger Kindern können unmöglich noch mehr Alte kommen. Von mehr Kindern aber schon. Es ist also absehbar, wann es für den Finanzmarkt/Versicherungen weniger Einzahler geben wird. Und weniger Auszahlungen für die gesetzl. Rentenversicherung.
Hallo Antje,
ich denke, das bringt es auf den Punkt. In einer Reportage habe ich auch die Aussagen des Herrn Gerd Bosbach verfolgt.
Aus den gleichen Gründen verurteile ich verstärkte Umleitung in die betriebliche Altersversorgung mit allen Tricks.
Die „Förderungen“ aus der Renten- und Sozialkasse versinkt über Provisionen und Kosten in den Taschen der Finanzindustrie.
Das gilt auch für die Riesterrente (Rentenkasse).
Die Regierenden Politiker der 90er Jahre haben in einem arroganten Überschwang geglaubt, die liberalen Märkte und eine unendliche Freiheit des Kapitals würde alles regeln. Peer Steinbrück hat oft genug bekannt, dass diese Ideologie der Deregulierung und der Glaube an die Finanzmärkte „Zeitgeist „ gewesen sei.
Das ist jedoch kein seriöses Argument dafür, die Verantwortung derart aus den Händen zugeben und auch noch stur diesen Weg fortzusetzen.
Es ist etwa so wie mit dem Unterschied zwischen Stil und Mode.
Ein guter Stil ist jederzeit auf jedem Parkett sicher.
Die Mode dagegen … ich weiß noch, wie ich in den 80ern ausgesehen habe … 😉
Das zynische dabei ist, dass sowohl diese Erosion der gesetzlichen Rente als auch die Null-Zinsen Ergebnisse politischen Handelns sind.
Beides hat nur einer Gruppe gedient: der Finanzindustrie.
Oh je! Da tue ich ja gut daran meine Fitness Challenge bis ins hohe Alter durchzuziehen, damit ich als Methusalem die Riester Rente abstauben kann. Darf mich nur nicht der Schlag treffen oder so. 😉
LG Ina
😀 Oder der Blitz, wenn du bei Wind und Wetter laufen gehst 😀 Echt bitter, oder?
Sagen wir mal so: die Wahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden ist inzwischen höher als mit einer Riesterrente Rendite zu erwirtschaften. Es sei denn, man verkauft selbst diesen …
Also: weiter beschwören lassen, wie von der Schlange im Dschungelbuch mit den „Kringel-Augen“ und fit bleiben – oder –
diesen Blödsinn stoppen (stilllegen) und das Geld besser anlegen. Man bekommt auf dem Tagesgeldmarkt mehr Zinsen.
Vorteile:
Gesetzliche Rente geschont
Mehr Rendite
Höchste Flexibilität, wenn`s die Waschmaschine nicht mehr macht
– und fit bleiben kann man dabei auch…
Auf YouTupe gibt es einen herrlichen Vortrag zum Thema „Volksverarschung Riester Rente“ von Volker Pispers.
Einfach genial!
https://www.youtube.com/watch?v=cOoj7g5Lrys
[…] Studie des Bundes der Versicherten (BdV) hat das einmal im Detail vorgerechnet: Der Höchstrechnungszins ist seit 1997 von vier Prozent […]
[…] die Anbieter von Riester-Verträgen auch geflissentlich verschweigen: Jeder, der riestert, mindert damit seinen Anspruch auf die gesetzliche Rente. Das erzählen Riester-Sparern nur Verbraucherverbände oder kritische Zeitungen und Zeitschriften […]
[…] die Anbieter von Riester-Verträgen geflissentlich verschweigen: Jeder, der riestert, mindert damit seinen Anspruch auf die gesetzliche Rente. Das erzählen Riester-Sparern nur Verbraucherverbände oder kritische Zeitungen und Zeitschriften […]