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Seit Jahresanfang haben viele Krankenkassen den Zusatzbeitrag erhöht. Die Techniker Krankenkasse beispielsweise um 0,2 auf ein Prozent, die DAK sogar um 0,6 Prozent auf 1,5 Prorzent – und die Viactiv, eine der größten Betriebskrankenkassen sogar um 0,9 auf 1,7 Prozent. Dumm nur, dass Arbeitnehmer und Rentner diesen Zusatzbeitrag allein zahlen müssen, denn Arbeitgeber und Rentenversicherung halten sich vornehm zurück. Wie schreibt die Viactiv so schön: „Davon übernimmt Ihr Arbeitgeber (oder Rentenversicherungsträger) in jedem Fall 7,3 Prozent – nämlich die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes; der Zusatzbeitrag wird prozentual nach Ihrem Einkommen berechnet“. Das heißt also, bei der Viactiv zahlt der Versicherte neun Prozent (16,3 – 7,3 = 9), der Beitragssatz liegt bei 16,3 Prozent. Kleines Goody für Rentner: Die Erhöhung greift erst ab dem 29. Februar 2016. Übrigens, dieses Goody verdanken Rentner nicht der Generosität der Krankenkassen, sondern der Schwerfälligkeit der Rentenversicherung, worauf ein Hinweis der Techniker Krankenkasse schließen lässt. Hintergrund für die spätere Änderung sei, „dass den Rentenversicherungsträgern und Zahlstellen von Versorgungsbezügen zur Systemumstellung eine Übergangsfrist von zwei Monaten eingeräumt wird“.
Paritätischen Finanzierung adé
So weit zu den sachlichen Hintergründen. Mit diesen Zusatzbeiträgen entfernt sich die Krankenkassen immer weiter von der paritätischen Finanzierung des Gesundheitssystems. Der Systemwechsel ist leider schon passiert – wo endet er? Können sich die Arbeitgeber noch weiter zurückziehen? Genau das passiert, da ihr Anteil bei 7,3 Prozent eingefroren ist. Übrigens, der Paradigmenwechsel wurde 2003 von der SPD eingeleitet.
Versicherten zahlen immer mehr
Beim Sozialverband VdK mehren sich denn die kritischen Stimmen. VdK-Präsidentin Ulrike Mascher hat deswegen in der „Frankfurter Rundschau“ einen Beitrag geschrieben, in dem sie die Rückkehr zur Parität fordert. „Seit Jahren leisten einseitig die Versicherten einen Zusatzbeitrag, der im Durchschnitt bei 0,9 Prozent lag – Tendenz weiter steigend“, so Mascher. Hochleistungsmedizin koste natürlich Geld, aber ihre Finanzierung darf nicht einseitig zu Lasten der Angestellten und Rentner gehen, so Mascher. „Die Kassen dürfen ihre Defizite nicht durch immer höhere Zusatzbeiträge auf den Schultern ihrer Kunden abladen“, postuliert sie. An der Finanzierung der Krankenversicherung müssten sich die Arbeitgeber wieder gleichverpflichtet beteiligen. Sie denkt für die kostenlose Mitversicherung für Kinder und Ehefrauen über eine entsprechende Steuerfinanzierung nach.
Brille und Zahnersatz bald unerschwinglich?
Die Versicherten zahlen unterm Strich immer mehr. Damit nicht genug, die Versicherten zahlen ja noch bei Medikamente zu. Einige Leistungen übernehmen die Kassen nicht mehr – auch das belastet die Versicherten. So seien Zahnersatz oder neue Brillen für Ältere, chronisch Kranke oder Menschen mit Behinderung oft zu teuer. Besonders hart treffe es dann einkommensschwache Rentnerinnen und Rentner. „Wer von Grundsicherung im Alter lebt, muss sich zwei Mal überlegen, ob er sich seine Salbe oder Tropfen noch leisten kann“, resümiert Mascher. Wir seien bereits in der Zwei-Klassen-Medizin angekommen. „Das darf nicht so weitergehen: Gesundheit muss für alle bezahlbar bleiben“, lautet ihre Forderung. Wer sich das nicht leisten könne, sei automatisch ein Patient zweiter Klasse.
Weiterführende Links:
- Deutsche Rentenversicherung: Krankenversicherung der Rentner
- Krankenkasse.de: Zusatzbeitrag der Krankenkassen: Geordnet nach Krankenkassen-Arten
- Viactiv: Beitragssätze ab 1.1.2016
- Frankfurter Rundschau: Ulrike Maschers Gastbeitrag
- T-Online: zwei Prozent bis 2020?
- Pro-contra: Die ARD und die Altersrente
Das schreibt Ulrich Reitz vom Focus in seinem Newsletter:
Wie geht es eigentlich Ihrer Krankenkasse? Zwei Drittel aller gesetzlichen Krankenkassen heben für dieses Jahr ihre Beitragssätze an, ergaben unsere aktuellen Recherchen. Der Versicherungsschutz wird bei 79 Kassen teurer. Für Arbeitnehmer bedeutet dies je nach Einkommen eine Mehrbelastung um bis zu 518 Euro für das Gesamtjahr 2016. Nur 38 Kassen können ihre Beitragssätze gerade noch konstant halten. Keine einzige verfügt mehr über genügend Rücklagen, um ihren Beitragssatz zu senken.
Allerdings gibt es unter AOK, Barmer & Co. auch weiterhin einige wenige Anbieter, die ihren Mitgliedern hohe Zuschüsse für besondere freiwillige Leistungen zahlen, wie zum Beispiel 500 Euro für alternative Arzneimittel oder ebenfalls 500 Euro für Osteopathie. Immerhin 44 Kassen bieten ihren Versicherten als geldwerten Vorteil noch kostenlosen Zahnersatz an. Im neuen FOCUS (ab 18 Uhr hier) erklären wir Ihnen, wie sie das Beste aus Ihrer Krankenversicherung rausholen.
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hier kommt eine Bitte an Herrn Achatz,
die Tendenz Ihrer Artikel hat immer so etwas von „Ausverkaufsstimmung“: „rien ne va plus“. Nichts geht mehr. Das ist schade. Rentner, Pensionäre, oder die, die es werden wollen, suchen doch Verbündete und Lösungen. Ich für meinen Teil suche zumindest weniger die Problemstellungen. Wie ich an anderer Stelle schon diverse Male geschrieben habe, ist es evident, dass „alles teurer wird“ bei weniger Leistung. So erklärt sich ja nun mal unsere seit Jahren unendlich niedrige Inflationsrate in Deutschland. Oder wie sind Ihre Mahnungen zu verstehen??? Es ist doch nur allzu klar und einleuchtend, dass wir Älteren dem „System“ mehr entziehen als die Jungen. Wir leben länger, brauchen mehr medizinische Betreuung etc. Wenn wir Alten also nicht wollen, dass die Jungen für uns alles blechen müssen, müssen wir selbst tiefer in die Tasche greifen. Die exorbitant hohen Kosten im Gesundheits- oder auch Rentenwesen haben doch in uns selbst den Ursprung. Wir wollen immer Vollkasko ohne Selbstbehalt zum Nulltarif. Ich muss kein Versicherungsmathematiker sein, um zu verstehen, dass dieser Wunsch in den Bereich der Träumerei gehört. Mein Traum hingegen ist: lasst uns unsere Lebensweisheiten austauschen, praktische Tipps zum „Selbermachen“ und das „Motzen“ auf die da oben, Politiker, Bonzen etc. aufhören.
Genießt das Leben. In Deutschland sicherlich am besten realisierbar.
Georg-W.Moeller
Hallo Georg-W., leider ist so, dass für viele der Zug bereits abgefahren ist. Sie sind in Rente und müssen das Beste daraus machen – machen sie auch, entweder, indem sie sparen oder auswandern oder … Auch darüber steht einiges in meinem Blog. Dass Vorruheständler und Rentner auf ihre Gesundheit achten sollen, sollte allen bewusst sein – auch dazu gibt es einige Tipps.
Ja, der Appell „Genießt das Leben“ ist gar nicht oft genug zu erwähnen.
vive la vie – ein bisschen mehr savoir vivre täte uns Deutschen gut.
beste Grüße
Helmut Achatz