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Warum Langweiler länger leben: Dachdecker, Gerüstbauer und Fernfahrer leben kürzer als Lehrer, Pfarrer und Richter – warum ist das so? Das hat mit dem Beruf zu tun, aber auch mit Genen und Konstitution. Mindestens genauso entscheidend sind aber der Lebensstil und die Einstellung zum Risiko und zu Routine. Alt wird, wer Sekundäreigenschaften mitbringt wie Selbstdisziplin, Gewissenhaftigkeit, Ordnungsliebe, Entschlusskraft, Beharrlichkeit, Krisenfestigkeit (Resilienz) und Zielorientierung.
Feste Strukturen und was sie bedeuten
Langweiler haben ein schlechtes Image, aber gute Chancen alt zu werden, das hat Jörg Zittlau in seinem Buch „Langweiler leben länger – über die wahren Ursachen eines langen Lebens“. So ein bisschen spielt das Erbgut natürlich eine Rolle, denn wer aus einer Familie mit Hundertjährigen kommt, hat gut Chance, selbst die Hundert zu erreichen. Darüber hinaus kommt es auf einen regelmäßigen Tagesablauf, einen pragmatisch-gelassenenen Pessimismus und Berechenbarkeit an. Zittlau plädiert deswegen für einen Lebensstil der unangestrengten Askese – neurotische Selbstüberschätzung und Aktionismus sind schlecht für ein langes Leben.
Anfangen und auch zu Ende bringen
Es ist zwar nie zu spät, kann aber nicht schaden früh anzufangen, alt zu werden. „Wer zuverlässig ist, flutet seinen Körper weniger mit Stresshormonen – und das schont Blutgefäße, Immunsystem und Magenwände“, so Zittlau. Ein deutlicher Hinweis, dass irgendwas in die falsche Richtung läuft beim Älterwerden lässt sich daran ablesen, ob jemand „alles anfängt und nie zu Ende bringt“, ob jemand „ständig zu spät zu Terminen kommt, sich beim Üben für das Examen ablenken und beim Gang durch den Supermarkt von Impulskäufen leiten lässt“. Denn der verschwende nicht nur Zeit und Geld, sondern auch seine körperlichen und psychischen Reserven.
Überstunden – schlecht für die Lebensbilanz
Das Leben ist ein Marathonlauf und kein Sprint – diese Wahrheit gilt es, sich immer wieder zu gegenwärtigen. „Wer ständig Überstunden macht und sich bei der Arbeit verausgabt, anstatt pünktlich Feierabend zu machen und in der Freizeit abzuschalten, landet am Ende im berüchtigten Burn-out“,
Zittlau bringt einige Beispiele – von Platon, Mozart, Schiller und Goethe, Kant sowie Heidegger. Noch nicht lange her, da galt unter Musikern das Motto „Live fast, die young“. Entsprechend starben einige der Musikgrößen in jungen Jahren, weil sie sich verausgabt hatten und in Drogenexzessen versanken.
Warum Langweiler länger leben
Was verlängert unser Leben? Zittlau zitiert den österreichischen Arzt und Philosophen Ernst Freiherr von Feuchtersleben mit den Worten: „Das ganze Geheimnis, sein Leben zu verlängern, besteht darin, es nicht zu verkürzen“.
Es geht um die richtige Mischung im Leben – zwischen Spannung und Entspannung, Sport und Ruhe, Euphorie und Gelassenheit. Wer es beispielsweise übertreibt mit der Ruhe, lebt auch nicht allzu lang. Sitzen, ein Übel unserer Zeit „tötet“. Eine Studie besagt laut Zittlau, dass „Männer, die täglich sechs Stunden oder mehr sitzend verbringen, haben eine um 20 Prozent höhere Sterberate als die Bis-zu-drei-Stunden-Sitzer“. Ideal ist es, möglichst viel Bewegung in seinen Alltag einzubauen. Seid euch selbst unbequem! Treppen steigen statt Aufzug, Radeln statt Auto.
Mitterweile gibt es einige Bücher zum Thema Altwerden und Ruhestand: Bücher
Zen, Grüntee und Meditation
Zittlau denkt auch über Zen, Grüntee, Meditation und Omega-3-Fettsäuren. In Japan, wo die meisten Hundertjährigen leben sei das Individuum weniger hoch gewichtet. Von Super-Ego sind die Japaner weit entfernt. Sie haben deswegen weniger Probleme damit, „sich auch im Alltag einer Ordnung zu unterwerfen – und das trägt weit mehr zur Lebensverlängerung bei als Grüntee …“. Sein Fazit: „Wir halten also fest – Langlebigkeit erreicht man am besten, indem man sein Leben in Ordnung hält. Doch dies lässt sich nur über den Umweg über bestimmte Persönlichkeitsmerkmale erreichen, und von denen ist eines der wichtigsten die Disziplin“.
Und noch etwas spielt eine wichtige Rolle, warum Langweiler länger leben: Resilienz oder psychische Widerstandskraft. „Diese Krisenfestigkeit und Fähigkeit zum ‚Trotzdem‘ trägt auf ganz eigene Weise zu einem langen Leben bei.“
Zittlau warnt allerdings davor, Hartnäckigkeit mit Halsstarrigkeit zu verwechseln. Dran-Bleiben ist eben etwas Anderes als Nicht-Loslassen-Können. Es gilt, die verpassten Chancen hinter sich zu lassen. Forscher raten Senioren „Don’t look back in anger!“.
Der Mensch braucht Rituale
Noch etwas zum Thema Rituale und Gewohnheiten sowie Routine – der Mensch braucht sie. Denn, „Gewohnheiten sparen Zeit, Ressourcen und Planungsaufwand – dadurch lässt sich der Alltag sehr viel leichter bewältigen“, zitiert Zittlau den Psychologen Bernhard Schlag von der TU Dresden. Auch das ein Beitrag, warum Langweiler länger leben.
Interessant ist auch Zittlaus geistiger Ausflug zum Thema „Entscheiden“. Er titelt „Entscheiden statt Leiden – Zaudern ist nichts für Langlebige“. Zittlau unterscheidet dabei zwei Typen: den Satisficer und den Maximizer. Der erste gibt sich „mit der ersten Option zufrieden oder zumindest einer der ersten Optionen“ zufrieden. Der zweite sucht so langen nach Alternativen, bis die vermeintlich beste Lösung gefunden ist“. Der Maximizer lebe ständig im konjunktivischen „Es könnte doch noch was Besseres kommen“. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass der Maximizer „immer zwischen zwei Extremen des Unglücks“ pendle: „der Angst vor dem Entscheiden auf der einen und der Unzufriedenheit mit dem Entschiedenen auf der anderen Seite“. Ihr Leben sei geprägt von „kognitiver Dissonanz“.
Machen statt träumen
Daraus schließt Zittlau: „einfach machen statt schön träumen – Realisten leben länger“. Seine Empfehlung: „Wer also etwas erreichen will, sollte sich mehr auf die konkreten kleinen als auf die abstrakten großen Ziel fokussieren“. Das gilt gerade für die Gesundheit. Das Willensbudget ist meist kleiner als viele glauben – insofern ist es besser, möglichst viel Sport in den Alltag einzubauen, als sich vorzunehmen, am Abend noch die schweren Hanteln zu wuchten.
Wie Langlebigkeit lernen
Zum Schluss noch eine Frage: „Kann man Langlebigkeit lernen?“. Zittlau schlägt sieben Schritte zu einem langen Leben vor:
- „Seien Sie nett zu sich – dann wird sich auch etwas verändern“
- „Seien Sie ehrlich zu sich – denn sonst kann sich nichts ändern“
- „Trainieren Sie Ihre Disziplin – aber in kleinen Portionen“
- „Hören Sie niemals auf, diszipliniert zu sein“
- „Weniger Dinge – mehr erleben“
- „Befreien Sie sich von der Tyrannei des Glücks“
- „Seien Sie ohne Hoffnung“
Wer das berücksichtigt, braucht auch vor dem Ende keine Angst haben. Es gilt, „dem eigenen Leben Inhalt und Bedeutung“ zu verleihen. Vor dem eigenen Ende gibt es auch keine Chance mehr, noch etwas zu ändern. Schmerzhaft sei diese Erkenntnis des Nichts-mehr-Ändern-Könnens nur für den, der zuvor seine Chancen im Leben nicht genutzt habe. „Während derjenige, der sie genutzt hat, ohne Zorn zurückblicken sich leichten Herzens in den Tod verabschieden kann.“
Ein Buch gegen den allgegenwärtigen Aktionismus und die Betriebsamkeit und Spaßkultur. Es lohnt sich, über sich selbst nachzudenken und über „sein Ding“ – und das konsequent zu verfolgen. Das spart Kräfte für ein langes Leben – und das wiederum kann Spaß machen.
Das Geheimnis des langen100 Lebens – ein Bericht über Okinawa und Gétto
Ich freue mich über zahlreiche Kommentare hier im Blog oder via Twitter an https://twitter.com/dineros
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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
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