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Der Gesundheitsminister will den Pflegebeitrag für Kinderlose auf vier Prozent, für Versicherte mit Kindern auf 3,4 Prozent erhöhen – und das bereits zum 1. Juli 2023.
Wenn sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach durchsetzt, dann steigen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung am 1. Juli 2023 auf mehr als 20 Prozent. Denn Lauterbach will den Pflegebeitrag für Kinderlose auf vier Prozent erhöhen und den für Versicherte mit Kinder auf 3,4 Prozent. 4 + 14,6 + 1,6 = 20,2 Prozent – so viel sollen gesetzlich Krankenversicherte Kinderlose künftig zahlen. Für Versicherte sieht die Rechnung dann so aus: 3,4 + 14,6 + 1,6 = 19,6 Prozent. Wer indes mehr als zwei Kinder hat, soll eine Ermäßigung von 0,15 Punkte pro Kinder bekommen. Die Rechnung könnte dann so aussehen: 3,4 + 14,6 + 1,6 – 0,15 (bei drei Kindern) = 19,45, bei vier Kindern sind es dann 19,3 Prozent. Allerdings soll der Abschlag auf 0,6 Prozentpunkte begrenzt werden. Dumm, wer mehr als vier Kinder hat.
Pflegebeitrag wird erhöht
Dieser Vorstoß Lauterbachs kommt nicht von ungefähr: Schon im April 2022 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Pflegeversicherung ungerecht ist, denn Familien mit vielen Kinder zahlen kaum weniger als Kinderlose. Das widerspricht dem Gleichheitsgebot in punkto Belastungsgleichheit. Eltern müssten, so fordert das oberste Gericht, endlich stärker entlastet werden.
Der Gesetzesentwurf Lauterbachs liegt „ThePioneer“ zufolge bereits vor, das Bundesverfassungsgericht hat ihm aufgetragen, die Ungerechtigkeit bei der Pflegeversicherung zwischen Versicherten mit Kindern und Kinderlosen zu korrigieren.
Lauterbachs Entwurf des Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetzes (PUEG) sieht neben der Beitragserhöhung auch Leistungserhöhungen vor, so soll das Pflegegeld, das pflegende Angehörige erhalten, ab Anfang 2024 um fünf Prozent erhöht werden. Auch die Leistungen für ambulante Pflege will Lauterbach, so „ThePioneer“, um fünf Prozent anheben.
Die Pflegeversicherung ist in Deutschland Pflicht. Wer nicht gesetzlich krankenversichert ist, muss eine private Pflege-Pflichtversicherung abschließen. Rentnerinnen und Rentner zahlen dabei den vollen Beitrag, bei Beschäftigten teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Beitrag, außer in Sachsen, wo wegen des nicht abgeschafften Feiertags, Arbeitnehmer 2,2025 und Arbeitgeber 1,025 Prozent in die Pflegeversicherung zahlen.
Familien mit vielen Kindern benachteiligt
Bei der Unterscheidung zwischen Pflegeversicherungszahlern mit und ohne Kinder wird nicht nach der Zahl der Kinder gefragt, sondern generell entschieden: Kinderlose zahlen 0,35 Prozent mehr als Beitragszahler mit Kindern, egal wie viele sie haben.
Das sahen viele als ungerecht an und haben vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt – und Recht bekommen. Familien mit vielen Kindern leisten „generativ“ mehr für die umlagefinanzierte Pflegeversicherung als solche mit weniger Kindern oder nur mit einem Kind – und natürlich deutlich mehr als Beitragszahler ohne Kinder. (Aktenzeichen: 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16 u.a.)
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Bis Juli 2023 nachbessern
Das muss die Bundesregierung berücksichtigen und die Beitragssätze anpassen, das heißt, kinderreiche Familie beim Pflegeversicherungsbeitrag entlasten. Passen muss die Staffelung nach Kindern bis zum 31. Juli 2023. Eltern brauchten einen langen Atem, denn in Deutschland sind solche Entscheidung äußerst langwierig, wie die „Welt“ feststellt: „16 Jahre lang haben sich Familien durch alle Instanzen geklagt, um eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen zu erreichen; das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass ihre Forderung teilweise berechtigt ist – der Gesetzgeber muss die Kinderzahl beim Beitrag für die Pflegeversicherung künftig berücksichtigen.“
Entwicklung der Pflegeversicherungsbeiträge

Seit 2022 zahlen Kinderlose 0,35 Prozent mehr in die Pflegekasse Quelle: sozialpolitik-aktuell.de
Wieder kein Ausgleich versicherungsfremder Leistungen
Die AOK und auch Sozialverbände sehen in dem Gesetzesentwurf keine sichere Finanzierungsgrundlage. Sie haben deswegen einen Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner geschrieben.
Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel-Regierung nicht nur auf Leistungsverbesserungen, sondern auch auf eine dauerhafte finanzielle Stärkung der Sozialen Pflegeversicherung verständigt. Mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf wird dieses Versprechen aber nicht eingelöst. Es fehlt die im Koalitionsvertrag zugesagte Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen durch den Bund.
Zwar sollen Leistungsverbesserungen wie beispielsweise die Dynamisierung der ambulanten Leistungsbeträge und die Ausweitung des Anspruchs auf Pflegeunterstützungsleistungen kommen. In dem Entwurf fehlt aber die Refinanzierung der Corona-bedingten Mehrkosten durch den Bund in Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Vor allem aber fehlt die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die bislang von der Pflegeversicherung bezahlt werden. Damit müssen sämtliche reformbedingte Mehrausgaben und das strukturelle Defizit durch die Beitragszahlenden finanziert werden.
Bei den Leistungsverbesserungen hält die Koalition Wort, bei der Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen stiehlt sie sich aus der Verantwortung. Dabei muss die Soziale Pflegeversicherung gerade in Krisenzeiten ein Stabilitätsanker sein und einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten. Mit dem Referentenentwurf ist die Pflegeversicherung aber weiter ohne sichere finanzielle Grundlage. So ist absehbar, dass die geplanten Maßnahmen mit Beitragserhöhungen und weiteren Belastungen der Beitragszahlenden einhergehen werden.“
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