Die Rentenformel braucht ein Update

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Die Rente ist eine Dauerbaustelle. Jede Regierung, jetzt die Ampel, schraubt daran herum. Selbst Abgeordnete kapiere die Rentenformel nicht. Es braucht dringend ein Update und mehr Transparenz.

Schon heute ist die Rentenformel so kompliziert, das sie kaum einer begreift, sie wird in Zukunft aber noch komplizierter. Das hat Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, mit seinem sein Rentenpaket geschafft. Eines seiner Lieblingsprojekte war die Grundrente. Die Grundrente ist eine Zuschlag auf die gesetzliche Rente – das kann die normale Altersrente oder Witwen- und Witwerrente sowie Erwerbsminderungsrente sein. Ziel der Grundrente ist dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zufolge Menschen, die „jahrzehntelang mit geringem Verdienst gearbeitet und verpflichtend Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt“ haben, höhere Altersbezüge zu ermöglichen.

Wichtige Bestandteile sind der Rentenformel sind die doppelte Haltelinie und der Nachholfaktor. Der Nachholfaktor wurde 2018 von der großen Koalition eingeführt und 2022 wieder kassiert. Der Nachholfaktor ist eine Art Rentenbremse, wie der DGB auf seine Homepage schreibt.

Er ist Teil einer Schutzklausel bei der Rentenanpassung, der sogenannten Rentengarantie. Zunächst wird mit der Rentenanpassungsformel bestimmt, wie hoch die jährliche Rentenanpassung zur Mitte des Jahres ausfallen könnte. Rentengarantie und Nachholfaktor greifen danach. Rentengarantie besagt, dass Rentenkürzungen gesetzlich ausgeschlossen sind. Der Nachholfaktor verschiebt die nicht umgesetzte rechnerische Rentenkürzung auf spätere Jahre. Bei wieder steigenden Renten wird die verhinderte Rentenkürzung nachgeholt, indem die Rente weniger stark steigt als durch die Anpassungsformel berechnet.

Der Nachholfaktor wurde im Jahr 2018 mit dem Rentenpakt ausgesetzt. Denn der Rentenpakt sieht vor, dass die Renten wieder mindestens so wie die Löhne steigen sollen. Rentenkürzungen durch Dämpfungsfaktoren sollen nicht wirken und auch nicht nachgeholt werden. 2022 ist der Nachholfaktor wieder abgeschafft worden, was bedeutet, dass die Renten weniger niedriger ausfallen. Verwiesen wird dabei auf die negative Lohnentwicklung des Jahres 2020. Angeblich seien deswegen 3,25 Prozent Rentenkürzung nachzuholen. Verwiesen wird damit aber auf Zahlen, die nichts mit der Lohnentwicklung in 2020 zu tun haben. Das heißt, die Renten werden 2022 weniger stark steigen: Im Westen voraussichtlich 4,4 Prozent, im Osten voraussichtlich 5,2 Prozent.

Die Rentenformel an sich scheint unkompliziert, aber nur auf den ersten Blick. Wer die Faktoren hinterfragt, verirrt sich sehr schnell im Dschungel der Sozialpolitik. Zum Nachhaltigkeits und Riester-Faktor (er bildet den fiktiven Aufbau von Riester-Vermögen ab) kommt die Niveausicherungsklausel. Die Rente errechnet sich übrigens nach der Formel:

Rente = Entgeltpunkte x Zugangsfaktor x aktueller Rentenwert x Rentenartfaktor

Der aktuelle Rentenwert (2021 bis 30. Juni 2022 alte Bundesländer: 34,19 Euro, neue Bundeslänger: 33,47 Euro) ist dabei eine reine Wundertüte mit so widerborstigen Inhalten wie eben diesen Faktoren – und künftig neu, der Niveausicherungsklausel und dem Nachholfaktor. Damit lässt sich wunderbar mauscheln. Übrigens, den aktuellen Rentenwert legt die Bundesregierung per Rechtsverordnung fest, in der Regel im April. Die jüngste Verordnung stammt vom 29. April 2021 und darin sind die Rentenwerte und das Sicherungsniveau vor Steuern festgelegt.

§ 1 Aktueller Rentenwert und aktueller Rentenwert (Ost) in der gesetzlichen Rentenversicherung (1) Der aktuelle Rentenwert beträgt ab dem 1. Juli 2021 34,19 Euro. (2) Der aktuelle Rentenwert (Ost) beträgt ab dem 1. Juli 2021 33,47 Euro.
§ 2 Sicherungsniveau vor Steuern in der gesetzlichen Rentenversicherung Das Sicherungsniveau vor Steuern beträgt für das Jahr 2021 49,37 Prozent.

Rentenformel nur für Mathe-Genies

In dem neuen Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) steht eben nicht explizit drin, wie sich diese Niveausicherungsklausel berechnet. Das Gesetz ist ein Wust an Querverweisen, die kein Nicht-Jurist mehr nachvollziehen kann. Spätestens bei Artikel 1 steigen die allermeisten aus. Da heißt es: „Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), das zuletzt durch … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: a) Die Angabe zu § 255e wird wie folgt gefasst: „§ 255e Niveauschutzklausel für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 1. Juli 2025“. b) Die Angabe zu § 255f wird wie folgt gefasst: „§ 255f Verordnungsermächtigung“. c) Die Angabe zu § 255f wird wie folgt gefasst: „§ 255f (weggefallen)“. d) Die Angabe zu § 255g wird wie folgt gefasst: „§ 255g Ausgleichsbedarf bis zum 30. Juni 2026“. e) Die Angabe zu § 276b wird wie folgt gefasst: „§ 276b (weggefallen)“. f) Die Angabe zu § 287 wird wie folgt gefasst: „§ 287 Beitragssatzgarantie bis 2025“. g) Die Angabe zu § 287a wird wie folgt gefasst: ‚§ 287a Sonderzahlungen des Bundes in den Jahren 2022 bis 2025‘“. Das steht da tatsächlich drin. Na, alles klar?

Rentenniveau nicht unter 48 Prozent

Alle Bürger zahlen künftig, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fällt – allerdings nur bis 2025. Dann allerdings gehen die Babyboomer in Rente. Der große Knall ist programmiert, den wird auch die Niveausicherungsklausel nicht mehr verhindern. Im Gesetz heißt es lapidar: „Wird in der Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 1. Juli 2025 mit dem nach § 68 ermittelten aktuellen Rentenwert das Sicherungsniveau vor Steuern nach § 154 Absatz 3a des laufenden Jahres in Höhe von 48 Prozent unterschritten, ist der aktuelle Rentenwert so anzuheben, dass das Sicherungsniveau vor Steuern mindestens 48 Prozent beträgt.“ Bestimmt wird das Sicherungsniveau von der Regierung per Rechtsverordnung.

Höhere Steuern für stabile Renten?

Das geht aber nur mit zusätzlichen Steuermitteln. „Wird bei einem Beitragssatz von 20 Prozent die Mindestnachhaltigkeitsrücklage nicht erreicht, so sind die zusätzlichen Bundesmittel für das betreffende Kalenderjahr so zu erhöhen, dass die Mindestnachhaltigkeitsrücklage erreicht wird“, das heißt, der Bund buttern so lange zu, bis es passt. Kein Wort darüber, wo das Geld herkommen soll.

Das Rentenpaket kompakt erklärt

48 Prozent Rentenniveau sind lächerlich im Vergleich zu dem, was andere Europäer bekommen

Um sein Gesetz abzusichern, plant die Regierung Sonderzahlungen an die Deutsche Rentenversicherung von bis zu acht Milliarden Euro bis 2025. Dumm nur, für die Jungen, die für 2019 auf eine Beitragssatzsenkung hätten hoffen können – die wird annulliert.

Haltelinie kostet 45 Milliarden Euro

Das Münchner Center for the Economics of Aging“ (MEA) hat die Kosten einmal hochgerechnet: „Da durch den demographischen Wandel die Zahl der Rentenempfänger weiter steigt und die der Beitragszahler weiter fällt, aber nun die beiden wichtigsten finanziellen Stellschrauben der umlagefinanzierten Rentenversicherung fixiert sind, entsteht ein Fehlbedarf, der laut Koalitionsvertrag durch
Steuermittel sicher zu stellen ist. Er wird im Jahr 2025 inflationsbereinigt knapp elf Milliarden Euro betragen. Danach steigt der Fehlbetrag sehr schnell an.“ Setzt die Regierung die doppelte Haltelinie weiter fortsetzen, steigt der Fehlbetrag im Jahr 2030 auf 45 Milliarden Euro, so das MEA.

 

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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Als deutscher Rentner muss man sich schaemen von Politikern regiert zu werden die nicht in der Lage sind eine gerechte Rentenformel zustande zu bringen. 48% Rentenniveau sind wirklich laecherlich imVergleich zu anderen Laendern. Wenn Deutschland ein Sozialstaat waere koennte es die Rentenformel der Niederlande uebernehmen. Dann wuerden Leute die ueber 5000 Euros verdient haben etwa 48 % bekommen, aber Leute die nur 2000 Euros verdient haben wuerden nicht zu Hartz IV Empfaengern degradiert werden. Um das moeglich zu machen sollten alle in die Rentenkasse einzahlen und die Beitragsbemessungsgrenze muesste abgeschafft werden. Lreider ist das in Deutschland nicht moeglich weil die Abgeordneten eine eigene Altersversorgung haben. Die ist mehr als fuerstlich, wer 16 Jahre im Bundestag gesessen hat darf ab dem Alter von 56 Jahren Ruhestandsbezuege von ueber 5000 Euros in Empfang nehmen. Wenn der Joschka Fischer von der Gruenen Taxifahrer geblieben waere muesste er noch 150 Jahre arbeiten um eine Rente von 5000 Euros zu bekommen.

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  • […] Die Ampelkoalition verweigert sich einer Rentenreform. Wesentliche Stellschrauben, um den demographischen Entwicklungen Rechnung zu tragen, schreibt sie nämlich in ihrem Koalitionsvertrag als unveränderlich fest, wie das […]

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  • […] die Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, ist das Irrsinn. Mit Rentenkürzungen gegen Inflation vorzugehen sei wirtschaftspolitischer Irrsinn und klinge, als ob sich die Ökonomen […]

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  • […] in Westdeutschland um 5,35 Prozent und in den neuen Bundesländern um 6,12 Prozent steigen. Ein Rentenpunkt ist ab Juli im Westen 36,02 Euro (bis dato 34,19)   wert und im Osten 35,52 (33,47) Euro.  Auch […]

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  • […] 2023 beträgt das Rentenniveau angesichts der guten Lohnentwicklung 48,15 Prozent. Damit wird die Haltelinie von 48 Prozent eingehalten und die Niveauschutzklausel greift nicht. Ob sich das ab 2025 halten […]

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  • […] in Kauf nehmen muss, kann die Abstriche etwas abmildern, in dem er Rentenpunkte (offizielle Entgeltpunkte) kauft. 2022 war das wegen Corona besonders günstig, 2023 zahlten Rentenpunkte-Käufer schon mehr […]

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  • […] dafür ist die Rentenform des Jahres 1972, im Zuge derer die Vorruhestands- und Frühverrentungsmöglichkeiten deutlich ausgeweitet wurden. […]

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Helmut Achatz

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