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Österreich hat seit 2005 eine Rentenversicherung für alle mit der Folge, dass Altersarmut kein Thema ist. Pensionären geht es in Österreich deutlich besser. Davon kann sich Deutschland eine Scheibe abschneiden. Was wir von den Ösis lernen können.
„Wer die gesetzliche Rente in Deutschland armutsfest und lebensstandardsichernd umbauen will, kommt an Österreich nicht vorbei“, proklamiert Matthias Birkwald, Rentenexperte der „Linken“. Die Linken haben für die Debatte um die Zukunft der gesetzlichen Rente hat eine Studie beim Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegeben, die die beiden Altersvorsorgesysteme vergleicht. Die Studie kommt dabei auf folgende Werte:
- Alterspension in Österreich: Männern 1678 Euro, Frauen 1028 Euro
- Altersrenten in Deutschland: Männer 1148, Frauen 711 Euro
In Österreich sind alle Pensionäre
Die ewigen Skeptiker werden sofort sagen, Österreich und Deutschland seien nicht vergleichbar. Aber so ein Vergleich ist durchaus zulässig, denn die Lebensverhältnisse in beiden Ländern sind ähnlich. In beiden Ländern wird Deutsch gesprochen, beide gehören zu Mitteleuropa. Dann hören die Ähnlichkeiten auch schon auf.
Beide Länder sind bei den Reformen ihrer Rentensysteme allerdings ganz unterschiedliche Wege gegangen, schreibt die Datev (Genossenschaft der Steuerberater). Das lasse sich an verschiedenen Zahlen festmachen, so die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. Die Experten stellen eine Rechnung auf: Danach erhielten etwa langjährig versicherte Männer, die 2019 in Deutschland neu in Rente gingen, eine monatliche Altersrente von durchschnittlich 1148 Euro. Österreicher, die in den Ruhestand gehen, verbuchen dagegen am Monatsende 1678 Euro auf ihrem Konto – bei 14 Auszahlungen pro Jahr. Nach 30 Beitragsjahren liegt die Mindestrente in Österreich bei 1136 Euro monatlich. Davon können deutsche Rentner nur träumen. Damit nicht genug, auch für die heute Jüngeren seien die Perspektiven in Österreich für zukünftige Rentner wesentlich besser als in Deutschland.
Allerdings, das darf nicht verschwiegen werden, zahlen Österreicher auch höhere Beiträge für die gesetzliche Rente. Österreich setzt, anders als Deutschland, weiterhin weitgehend auf die umlagefinanzierte gesetzliche Rente (GRV), während in Deutschland das Rentenniveau systematisch abgeschmolzen wird. Übrigens, in Österreich sind auch die Selbstständigen einbezogen worden.
Staat hat Rentner geschröpft
„In Deutschland wurde und wird über die kommenden Jahre das Niveau dieser ‚ersten Säule’ dagegen deutlich reduziert, um den Beitragssatz in der GRV zu stabilisieren“, schreibt die Datev. Die Differenz sollte eben durch staatlich subventionierte Riester-Vorsorge ausglichen werden. Dumm nur, dass viele da nicht mitmachen – weil sie nicht wollen oder nicht können. Weder haben alle eine betriebliche Altersvorsorge, noch riestern sie. Nur etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer hierzulande habe Aussicht auf eine betriebliche Rente. Dazu kommt, dass viele Riester-Verträge kaum Rendite abwerfen – wie auch, da die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank viele Pläne zunichte macht. Diese Negativ-Trends werden sich eher noch verschlimmern.
Höheres Rentenniveau in Österreich
Österreicher dürfen sich den Experten der Hans-Böckler-Stiftung zufolge über ein Rentenniveau von 78,1 Prozent (brutto, vor Steuern und Sozialabgaben) und 91,6 Prozent (netto) aus freuen; in Deutschland sei das zukünftige Rentenniveau der GRV hingegen weitaus niedriger: 37,5 Prozent netto und 50,0 Prozent brutto, denn von der Brutto-Rente werden Kranken- und Pflegebeiträge abgezogen sowie die Steuern.
Riester kann nicht alles ausgleichen
Jetzt der entscheidende Satz: Der große Rückstand der Deutschen lasse sich durch private Zusatzvorsorge selbst unter den aus Sicht der Forscher zu optimistischen Annahmen der OECD nur zur Hälfte ausgleichen. Auch was die Rentenanpassung betrifft, sind die Österreicher besser dran: Während die österreichische GRV einen jährlichen Inflationsausgleich vorsehe, koppele die deutsche GRV die Rentenentwicklung an das Wachstum der Löhne, allerdings gedämpft unter anderem durch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor. In den vergangen zehn Jahren hätten die unterschiedlichen Anpassungsmechanismen tatsächlich aber zu einem deutlich größeren Abstand geführt.
Höhere Beitragssätze in Österreich
Die Österreicher müssen vordergründig für ihre Rente tiefer in die Tasche greifen: Der Beitragssatz liege in der Alpenrepublik seit 1988 unverändert bei 22,8 Prozent, in Deutschland seien es im Jahr 2015 18,7 Prozent. Wer jedoch ein bisschen mehr will, als das, was ihm die GRV gönnt, muss riestern. Die vier Prozent für die Riester-Vorsorge hinzu gerechnet, unterscheiden sich die Beitragssätze in beiden Ländern kaum noch. Dazu kommt der Studie zufolge, dass die österreichischen Arbeitgeber einen höheren Anteil am Rentenbeitrag tragen als die Beschäftigten (12,55 Prozent versus 10,25 Prozent), während es in Deutschland umgekehrt ist. Übrigens, passen die Österreicher auch die Renten an die Pensionen an, was hierzulande einfach ausgeblendet wird.
Die Forscher schlagen vor, den „Riester-Faktor aus der Rentenformel zu entfernen und so das Leistungsniveau der GRV zu stabilisieren“. Für den Sozialverband VdK ist eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle Arbeitskräfte einzahlen, eine der zentralen Forderungen der VdK-Kampagne #Rentefüralle. Dafür gibt es mit Österreich ein erfolgreiches Vorbild.
Ösis machen’s uns vor
Insgesamt zeigt Österreich, dass es auch anders geht – zum Nutzen der Rentner. Nach den Reformen in Deutschland ist „ein System übrig geblieben, das in Zukunft viele noch nicht einmal vor Altersarmut schützen wird“, schreiben die Wissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung. Das habe zwei der Studie zufolge Ursachen:
- Erstens erreiche weder die betriebliche noch die Riester-Rente alle Beschäftigten. Umfragen zeigen, dass nur rund 35 Prozent „riestern“. Aussicht auf eine betriebliche Rente haben gut 56 Prozent. Knapp 30 Prozent aller Arbeitnehmer nutzen keine der freiwilligen Vorsorgeformen. Das gilt besonders häufig für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen. Sie hätten zwar eine zusätzliche Absicherung besonders nötig, verzichten aber darauf – oft aus finanziellen Gründen.
- Zweitens bringen insbesondere viele Riester-Verträge nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht die Renditen, die nötig wären, um Lücken in der gesetzlichen Rente auszugleichen. Das zeige sich an den hohen Gebühren und am stetig sinkenden Garantiezins, der von vier Prozent im Jahr 2000 auf mittlerweile nur noch 0,9 Prozent herabgesetzt wurde.
Weiterführende Links:
- Datev: Deutsche oft schlechter abgesichert als Österreicher
- AMS: Pensionsversicherung
- Pensionsversicherungsanstalt: Österreichs Rentenversicherungsträger
- Berliner Zeitung: Tendenziöse Studie preist Österreichs Rentensystem an
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