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Die Franzosen bekommen mehr und gehen früher in Rente. Allerdings ist Frankreichs Rentensystem alles andere als nachhaltig. Schon heute pumpt der Staat mehr Mittel in das System als es in anderen Ländern der Fall ist. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Und dennoch scheint eine Reform kaum möglich.
Die Durchschnittsrente in 🇫🇷 Frankreich liegt bei 1600 Euro, dabei gehen die Franzosen früher in Rente als die Deutschen. Sie haben es rein subjektiv gesehen deutlich besser als die Deutschen, denn hierzulande liegt die Durchschnittsrente bei 906 Euro. Selbst wer 45 Beitragsjahre hat, kommt nur auf 1311 Euro Bruttorente.
Frankreichs marodes Rentensystem
Dafür sind hierzulande die Rentenbeiträge mit 18,6 Prozent niedriger als in Frankreich (28 Prozent) und der Staat muss „nur“ zehn Prozent in das Rentensystem zahlen, während die staatlichen Zuschüsse in Frankreich bei 18 Prozent liegen. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass Frankreichs Rentensystem alles andere als nachhaltig ist. Damit nicht genug, es ist auch – kaum vorstellbar – noch komplizierter als das deutsche.
Proteste gegen Rentenreform
Mit Streiks wollen Gewerkschaften die Rentenreform von Macron verhindern
Grundsätzlich ist das französische Rentensystem ähnlich aufgebaut wie das deutsche: Es basiert auf drei Säulen:
- der Grundrente (règime de base),
- dem obligatorischen beruflichen Zusatzsystem (rètraite complementaire)
- der privaten Vorsorge mit dem System PERCO und PERP.
Die Grundrente
Die Grundrente soll etwa 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens betragen. 2010 wurde die Rente leicht reformiert – und die Beitragsjahre bis 2020 auf 41,5 Jahre festgelegt. Anders als bei der gesetzlichen Rente in Deutschland werden für die Rentenberechnung in Frankreich die besten 25 Beitragsjahre herangezogen. Die Franzosen können, so sie vor 1955 geboren wurden, mit 62 in Rente gehen. Das heißt, sie können, müssen aber nicht in Rente gehen. Wenn sie länger arbeiten, können sie eine Rentenzulage (surcote) bekommen. Pro Trimester erwirbt der Rentenanwärter 1,25 Prozent, pro Jahr sind das 3,75 Prozent. Für Kinder bekommen Franzosen ebenso wie hierzulande Jahre gut geschrieben: In Frankreich sind das zwei Jahre pro Kind, dazu gibt es noch ein einkommensabhängiges Rentenplus ab dem 3. Kind. Anders als in Deutschland gibt es nicht eine Rentenkasse, sondern mehrere für verschiedene Beschäftigungskategorien: für die Privatwirtschaft (CNAV), die Landwirtschaft (MSA), Selbstständige (SSI), Beamte (CNRACL) und staatlich Angestellte (FSPOEIE) und Kirchen (CAVIMAC).
Die Höhe der Rente hängt von drei Faktoren ab:
- dem durchschnittlichen Grundlohn oder Jahreslohn (SAM),
- dem gemäß den Versicherungs- und gleichwertigen Zeiten berechneten Abwicklungssatz sowie dem Alter zum Zeitpunkt der Abwicklung,
- der Versicherungsdauer sowie Ersatzzeiten. Der volle Satz (50 Prozent) richtet sich nach der Versicherungsdauer, dem Alter (67 Jahre für Versicherte, die ab 1955 geboren sind) oder der Zugehörigkeit zu bestimmten Kategorien (arbeitsunfähig, Mütter, die mindestens drei Kinder großgezogen haben).
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Die Zusatzrente
Dann gibt es die berufliche Zusatzrente (rètraite complementaire) AGIRC-ARRCO. Sie wird anhand von Punkten berechnet – 2019 ist ein Punkt 1,2714 Euro wert. Der Wert der Punkte bezieht sich auf ein Referenzentgelt. Entsprechend der angesammelten Punkte errechnet sich dann die Zusatzrente. Grundsätzlich unterscheidet sich die Zusatzrente in punkto Renteneinstiegsalter nicht von der Grundrente. Allerdings kann die Zusatzrente ab 57 Jahren in Anspruch genommen werden, allerdings mit Abschlägen.
Zusammen mit Grund- und Zusatzrente kommt ein durchschnittlich verdienender Franzose auf 70 Prozent des Brutto- und 85 Prozent des Nettogehalts. Geringverdiener komme nur auf 40 Prozent des Bruttoeinkommens und 50 Prozent des Nettoeinkommens.
Übrigens kann sich die Zusatzrente erhöhen, falls der Rentner Kinder hat oder hatte.
- Für ein Kind gibt es fünf Prozent
- Bei drei und mehr Kinder richtet sich der Satz nach Zugehörigkeit oder zehn Prozent der Rente nach der Erwerbstätigkeit nach 2011
Die Privatrente
Dank Grund- und Zusatzrente sind Franzosen vergleichsweise gut gestellt im Ruhestand. Der Druck, privat vorzusorgen, ist entsprechend niedrig. 2003 wurde PERCO und PERP eingeführt: Plan Epargne Retraite Collectif, eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge, ebenso Plan Epargne Retraite Populaire. Die Vorteile:
- Steuerermäßigung
- Arbeitgeberbeteiligung
Das Rentensystem in Frankreich ist unüberschaubar und ungerecht. Insgesamt gibt laut Monika Queisser, der Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Paris, 42 verschiedene Rentensysteme. „Das bedeutet, dass jeder Euro, der eingezahlt wird, je nach System eine unterschiedliche Rente ergibt“, hat sie dem „Spiegel“ in einem Interview gesagt. Hauptziel der geplanten Reform sei es, ein einheitliches System zu schaffen. Aber dabei gebe es natürlich immer Gewinner und Verlierer. Wer die Verlierer sind, ist klar – vor allem die Eisenbahner der staatlichen SNCF und die Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe, die teilweise schon mit 52 Jahren in Renten gehen können. Sie haben natürlich Angst, ihre Privilegien zu verlieren.
Privilegien für Rentner
Dank dieser Privilegien stehen französische Rentner deutlich besser da als deutsche. „Frankreich ist eines der wenigen Länder in der OECD, wo die Rentner ihren Lebensstandard nicht nur halten können, sondern wo er sogar etwas über ‚dem der Gesamtbevölkerung liegt‘“, bemerkt Queisser in der „Welt“.
Das wollen der französische Präsident Emmanuel Macron und sein Premierminister Édouard Philippe ändern. Wie sieht die Reform aus? Der „Spiegel“ hat es zusammengefasst:
- Mit einem neuen Punktesystem soll in Zukunft jede Arbeitsstunde im Rentensystem verrechnet werden. Bisher zahlen die Franzosen erst bei mehr als 150 Arbeitsstunden in drei Monaten ein. So sollen auch Gelegenheitsjobs und Teilzeitarbeit den Renten zuträglich werden.
- Alle 41 berufs- und branchenspezifischen Rentenregelungen sollen auslaufen und in das allgemeine System überführt werden. Lokomotivführer, die bisher mit 52 Jahren in Rente gehen dürfen, können das in Zukunft frühestens mit 60 Jahren – zwei Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter von 62 Jahren. Egal wie schwer der Beruf ist, kann das Rentenalter nur noch um maximal zwei Jahre heruntergesetzt werden.
- Das neue System soll ab 2022 für alle Berufsanfänger gelten. Für diejenigen, die 1975 oder später geboren sind, wird es schrittweise eingeführt. Wer älter ist, ist von den neuen Regeln nicht betroffen.
- Franzosen, die länger als bis zu einem Alter von 62 Jahren arbeiten, sollen durch ein Bonussystem belohnt werden, damit das Durchschnittsrentenalter in Zukunft bei 64 Jahren liegt.
Im Moment sieht es nicht so aus, dass Macron mit seiner Reform durchkommt, denn die Franzosen gehen überall in Massen auf die Straße. Wie „C’est la grève“ berichtet, streiken Metro-Fahrer, Eisenbahner, Mediziner, Feuerwehrleute, Piloten und Radio-Journalisten, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Streik wird weiter gehen, die nächsten sind schon angekündigt.
Dreh- und Angelpunkt ist das Renteneintrittsalter, das die Regierung ab 2027 auf 64 Jahre hochsetzen will. Wer früher geht, muss mit Abschlägen rechnen, wer länger arbeitet, bekommt einen Bonus. Die Gewerkschaft sind durch die Bank dagegen, für die das Renteneintrittsalter eine „rote Linie“ bedeutet.
Bild: Philippe PATERNOLLI / Shutterstock.com
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Eine schöne Zusammenfassung, danke.
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