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Die Franzosen bekommen mehr und gehen früher in Rente. Allerdings ist Frankreichs Rentensystem nicht nachhaltig. Schon heute pumpt der Staat mehr Mittel in das System als es in anderen Ländern der Fall ist. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Deswegen will Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Rente reformieren.
Die französische Regierung will das Renteneintrittsalter schrittweise um zwei Jahre auf 64 anheben. Premierministerin Élisabeth Borne erklärte, dass die Altersgrenze jährlich um drei Monate steigen soll, um 2030 schließlich 64 Jahre zu erreichen. Derzeit können die Französinnen und Franzosen bereits mit 62 Jahren in Rente gehen, so sie denn 42 Jahre Beiträge gezahlt haben. Sie erhalten dann die volle Rente. Wem Beitragsjahre fehlen, muss länger arbeiten – und kann spätestens mit 67 Jahren in Rente gehen, um die volle Rente zu bekommen.
Massenproteste in Frankreich
Die Franzosen sind am 31. Januar 2023 zu Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen die Rentenreform ihres Präsidenten Emmanuel Macron zu protestieren. Weite Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich waren lahmgelegt. Die Massen verlangen, dass die Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre zurückgenommen und die Reform im Papierkorb landet. Die Gewerkschaft CGT (Confédération Générale du Travail) mobilisierte in Paris nach ersten Schätzungen 500.000 Demonstranten. Landesweit sollen es nach Schätzungen der CGT 2,8 Millionen gewesen sein – und es wird weitere Demos am 7. Und 11. Februar geben.
Frankreichs Rentensystem
So weit die Regel, allerdings gibt es in Frankreich verschiedene Rentensysteme mit Privilegien, die, entgegen der allgemeinen Regel, ein früheres Rentenalter vorsieht. Diese Privilegiensysteme sollen abgeschafft werden.
Franzosen haben’s besser
Die Durchschnittsrente in Frankreich liegt bei 1600 Euro, dabei gehen die Franzosen früher in Rente als die Deutschen. Sie haben es rein subjektiv gesehen deutlich besser als die Deutschen, denn hierzulande liegt die Durchschnittsrente bei 1212 Euro (Männer alte Bundesländer) und bei 737 Euro (Frauen alte Bundesländer). Selbst wer 45 Beitragsjahre hat und immer durchschnittlich verdient hat, kommt nur auf eine Standardrente von 1620 Euro.
Frankreichs marodes Rentensystem
Dafür sind hierzulande die Rentenbeiträge mit 18,6 Prozent niedriger als in Frankreich (28 Prozent) und der Staat muss „nur“ zehn Prozent in das Rentensystem zahlen, während die staatlichen Zuschüsse in Frankreich bei 18 Prozent liegen. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass Frankreichs Rentensystem alles andere als nachhaltig ist. Damit nicht genug, es ist auch – kaum vorstellbar – noch komplizierter als das deutsche.
Grundsätzlich ist das französische Rentensystem ähnlich aufgebaut wie das deutsche: Es basiert auf drei Säulen:
- der Grundrente (règime de base),
- dem obligatorischen beruflichen Zusatzsystem (rètraite complementaire)
- der privaten Vorsorge mit dem System PERCO und PERP.
Die Grundrente
Die Grundrente soll etwa 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens betragen. 2010 wurde die Rente leicht reformiert – und die Beitragsjahre auf 42 Jahre festgelegt. Anders als bei der gesetzlichen Rente in Deutschland werden für die Rentenberechnung in Frankreich die besten 25 Beitragsjahre herangezogen. Die Franzosen können, so sie vor 1955 geboren wurden, mit 62 in Rente gehen. Das heißt, sie können, müssen aber nicht in Rente gehen. Wenn sie länger arbeiten, können sie eine Rentenzulage (surcote) bekommen. Pro Trimester erwirbt der Rentenanwärter 1,25 Prozent, pro Jahr sind das 3,75 Prozent. Für Kinder bekommen Franzosen ebenso wie hierzulande Jahre gut geschrieben: In Frankreich sind das zwei Jahre pro Kind, dazu gibt es noch ein einkommensabhängige Rentenplus ab dem 3. Kind. Anders als in Deutschland gibt es nicht eine Rentenkasse, sondern mehrere für verschiedene Beschäftigungskategorien: für die Privatwirtschaft (CNAV), die Landwirtschaft (MSA), Selbstständige (SSI), Beamte (CNRACL) und staatlich Angestellte (FSPOEIE) und Kirchen (CAVIMAC).
Die Höhe der Rente hängt von drei Faktoren ab:
- dem durchschnittlichen Grundlohn oder Jahreslohn (SAM),
- dem gemäß den Versicherungs- und gleichwertigen Zeiten berechneten Abwicklungssatz sowie dem Alter zum Zeitpunkt der Abwicklung,
- der Versicherungsdauer sowie Ersatzzeiten. Der volle Satz (50 Prozent) richtet sich nach der Versicherungsdauer, dem Alter (67 Jahre für Versicherte, die ab 1955 geboren sind) oder der Zugehörigkeit zu bestimmten Kategorien (arbeitsunfähig, Mütter, die mindestens drei Kinder großgezogen haben).
Die Zusatzrente
Dann gibt es die berufliche Zusatzrente (rètraite complementaire) AGIRC-ARRCO. Sie wird anhand von Punkten berechnet – 2019 ist ein Punkt 1,2714 Euro wert. Der Wert der Punkte bezieht sich auf ein Referenzentgelt. Entsprechend der angesammelten Punkte errechnet sich dann die Zusatzrente. Grundsätzlich unterscheidet sich die Zusatzrente in punkto Renteneinstiegsalter nicht von der Grundrente. Allerdings kann die Zusatzrente ab 57 Jahren in Anspruch genommen werden, allerdings mit Abschlägen.
Zusammen mit Grund- und Zusatzrente kommt ein durchschnittlich verdienender Franzose auf 70 Prozent des Brutto- und 85 Prozent des Nettogehalts. Geringverdiener komme nur auf 40 Prozent des Bruttoeinkommens und 50 Prozent des Nettoeinkommens.
Übrigens kann sich die Zusatzrente erhöhen, falls der Rentner Kinder hat oder hatte.
- Für ein Kind gibt es fünf Prozent
- Bei drei und mehr Kinder richtet sich der Satz nach Zugehörigkeit oder zehn Prozent der Rente nach der Erwerbstätigkeit nach 2011
Die Privatrente
Dank Grund- und Zusatzrente sind Franzosen vergleichsweise gut gestellt im Ruhestand. Der Druck, privat vorzusorgen, ist entsprechend niedrig. 2003 wurde PERCO und PERP eingeführt: Plan Epargne Retraite Collectif, eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge, ebenso Plan Epargne Retraite Populaire. Die Vorteile:
- Steuerermäßigung
- Arbeitgeberbeteiligung
Das Rentensystem in Frankreich ist unüberschaubar und ungerecht. Insgesamt gibt laut Monika Queisser, der Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Paris, 42 verschiedene Rentensysteme. „Das bedeutet, dass jeder Euro, der eingezahlt wird, je nach System eine unterschiedliche Rente ergibt“, hat sie dem „Spiegel“ in einem Interview gesagt. Hauptziel der geplanten Reform sei es, ein einheitliches System zu schaffen. Aber dabei gebe es natürlich immer Gewinner und Verlierer. Wer die Verlierer sind, ist klar – vor allem die Eisenbahner der staatlichen SNCF und die Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe, die teilweise schon mit 52 Jahren in Renten gehen können. Sie haben natürlich Angst, ihre Privilegien zu verlieren.
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