So wehren sich Rentner gegen Doppelbesteuerung

Finanzen

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Rentner werden doppelt besteuert. Schätzungsweise 160.000 Rentner haben Einspruch eingelegt. Der Bundesfinanzhof fällte Ende Mai 2021 ein Urteil.  Wer auf Rückerstattung hofft, sollte ebenfalls Einspruch einlegen. Wie ein Einspruch aussehen sollte.

Was hat es überhaupt mit der Doppelbesteuerung auf sich? „Nach dem Alterseinkünftegesetz wird Rente seit 2005 teilweise besteuert; der Anteil steigt jährlich. 2025 liegt der Besteuerungsanteil bei 83,5 Prozent, das heißt, nur 16,5 Prozent sind steuerfrei; 2058 liegt er bei 100 Prozent; gleichzeitig müssen die Rentenbeiträge schrittweise steuerfrei gestellt werden; doch das erfolgt nicht in gleichem Maße“, klärt Plusminus auf. Die Folge sei eine Doppelbesteuerung. Das Bundesverfassungsgericht hatte übrigens schon im März 2002 entschieden, dass eine doppelte Besteuerung vermieden werden soll. Bislang ist fast passiert. Schlimmer noch, inzwischen gibt es erste Urteile und die ignorieren die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes.

Entwicklung des Besteuerungsanteils

Jahr des RentenbeginnHöchste Jahresbrutto-Rente 2020, die steuerfrei bleibt in EuroMonatsbrutto 2. Halbjahr in EuroBesteuerungsanteil in %Rentenfreibetrag in Euro*
2005175551493506191
2006171401458525819
2007167951428545509
2008165831410565320
2009163141387585079
2010159511357604753
2011156811334624511
2012154881317644338
2013152931301664163
2014150621291683956
2015149231269703831
2016147891258723711
2017145681239743513
2018143391170763308
2019141141200783106
2020137081166802742
202113990812658
202282
202382,5
202483
202583,5
202684
202784,5
202885
202985,5
203086
*im Jahr, das auf den Rentenbeginn folgt

2025 lag der Besteuerungsanteil bereits bei 83,5 Prozent 🙁 – und er steigt weiter 😢. Er wurde rückwirkend durch das Wachstumschancengesetz um einen halben Prozentpunkt gesenkt.

Urteil vom 31. Mai 2021

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München beschäftigt sich mit diesem Missstand und fällte am 31. Mai 2021 ein Urteil.  „Konkret geht es um die Klagen zweier Personen gegen die geltende Besteuerung der Rente. Sie werfen dem Staat vor, während der Umstellung der Besteuerung sowohl die Rentenbeiträge als auch die Rente selbst besteuert zu haben. Dies wäre nicht verfassungsgemäß. Das Finanzministerium bestreitet dies. Das Urteil könnte sich als richtungsweisend für hunderttausende von Rentnern erweisen.“

Doch wer mögliche Ansprüche absichern will, müsse sich beeilen, so der „Münchner Merkur“. Denn auf eine mögliche Rückzahlung können der Zeitung zufolge Rentner nur hoffen, wenn sie gegen ihren Steuerbescheid rechtzeitig Einspruch einlegen. Diskutiert wird auch um eine Beweislastumkehr. „Dass Rentner selbst eine #Doppelbesteuerung nachweisen müssen, sei absolut „bürgerfeindlich“, meint der FDP-Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand im Interview mit #SWR Aktuell Radio. „Wir brauchen Beweislastumkehr & transparente Berechnungen anstatt Ablehnung rechtmäßiger Ansprüche!“

Mittlerweile gibt es mehrere Muster-Einspruchstexte gegen den Steuerbescheid und gegen die mutmaßliche Doppelbesteuerung, darunter einer von der „Saarbrücker Zeitung“ und einer von „Bild“.

Wie weiter nach dem Urteil?

Der Gesetzgeber muss dem Vergleichsportal Biallo zufolge nach der Bundestagswahl bei der Besteuerung von Renten nachbessern, um für künftige Jahrgänge die Gefahr einer Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dabei gehe es um viel Geld. Doch wie können Steuerzahler reagieren? Wer bereits Rentner ist und die oben genannten Kriterien erfüllt, sollte sich, so Biallo, unter Hinweis auf die Urteile per Einspruch gegen die Steuerfestsetzung zur Wehr setzen und bereits eingelegte Einsprüche auf jeden Fall aufrechterhalten und nicht auf Drängen des Amtes zurücknehmen; wer noch berufstätig ist oder nicht unter die oben genannten Kriterien fällt, kann momentan nur abwarten, Tee trinken und die vom Gericht angemahnte Reform abwarten.

Laut dem Internetportal „InFranken.de“ liegt der zu viel besteuerte Anteil für Rentner*innen, die 2017 in Rente gegangen sind, während des Berufslebens knapp unter 10.000 Euro. Bei Rentnern, die 2020 in den Ruhestand gegangen sind, lag der Betrag bereits bei mehr als 22.000 Euro. Wer 2040 die Rente antritt, bei dem wurden über 53.000 Euro zu viel besteuert. Die aktuelle Übergangszeit geht also nicht auf, teilweise werden mehr als 20 Prozent der Rente zusätzlich besteuert. Erst in 50 Jahren hat dies laut der Studie von Finanzmathematiker Werner Siepe ein Ende.

Wachstumschancengesetz

Die Bundesregierung hat zwar mit dem Wachstumschancengesetz die Lage für künftige Rente zwar etwas verbessert, für Bestandsrentner hat sich allerdings damit nichts verändert. Durch Wachstumschancengesetz wird laut „MSN“ der Besteuerungsanteil für Neurentner jedes Jahr erhöht. Das geht aus Plänen der Bundesregierung aus dem Jahr 2004 hervor. Diese Umstellung zieht sich 35 Jahre hin, passiert aber nicht plötzlich, sondern schrittweise. Der Bundesfinanzhof sah das vor einigen Jahren als verfassungswidrig an und forderte eine Änderung. Mit einem im Wachstumschancengesetz verankerten neuen Besteuerungsmodell steigt der Anteil für neue Renten rückwirkend ab 2024 nur um 0,5 Prozent jährlich statt um ein Prozent. Senioren bleibt dann mehr von ihrer Rente. Wirklich profitieren vom Wachstumschancengesetz nur die Jahrgänge 1975 bis 1980, denn sie zahlen künftig weniger Steuern.

Mustereinspruch I

Was tun nach Erhalt eines Steuerbescheids? So könnte ein Mustereinspruch aussehen (Quelle: Saarbrücker Zeitung):

Absenderangaben

Datum  …

Finanzamt …

Steuernummer  …

Einkommensteuerbescheid 20.. vom …

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen den Einkommensteuerbescheid für 20.. vom … wird hiermit Einspruch eingelegt. Es wird außerdem beantragt, das Verfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO aus Zweckmäßigkeitsgründen im Weiteren ruhen zu lassen, aber auch wegen anhängiger BFH-Verfahren.

Begründung:

In meinem zu versteuernden Einkommen sind Renteneinkünfte enthalten, die aus der Deutschen Rentenversicherung entstammen. Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 06.03.2002 Az. 2 BvL 17/99; BStBl. 2002 II S. 618) hatte unter anderem entschieden, dass Renteneinkünfte, soweit diese aus bereits versteuertem Einkommen stammen, in der Rentenphase nicht noch einmal der Besteuerung unterworfen werden dürfen. Dem wird der § 22 EStG in der aktuellen Fassung nicht gerecht, da es teilweise zur Doppelbesteuerung kommt.

Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung, insbesondere wegen der Problematik der Doppelbesteuerung, sind vor dem Bundesfinanzhof zwei Verfahren unter Aktenzeichen X R 20/19 und X R 33/19 anhängig. Es tritt daher bereits gesetzliche Zwangsruhe ein. Eine konkrete Berechnung des doppelt besteuerten Anteils ist in dem derzeitigen Stand für einen Ruhensantrag nicht erforderlich, da die Methoden dazu noch nicht vom Bundesfinanzhof geklärt sind.

Beim Finanzgericht des Saarlandes ist indes ein Verfahren wegen dieser Rechtsfrage und der Berechnung anhängig (Aktenzeichen 3 K 1072/20), auch wegen des Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot und der Zuordnung der Rentenbeiträge zu den beschränkten Sonderausgaben. Der Kläger dort hat bereits eine Berechnungsmethode in die Klage eingebracht, die Schindler/Braun-Formel (NWB-Heft 11 von 2020, Seite 784 ff), nach der auch hier eine Überprüfung stattfinden kann.

Dies genügt den Ausführungen im BFH-Urteil vom 21.06.2016 (Az. X R 44/14), als Nachweis für die Doppelbesteuerung. Für das Ruhen des Verfahrens ist die Berechnung nicht vom Einspruchsführer durchzuführen, sondern vom Finanzamt selbst. In der Fachzeitung NWB sind dafür Tabellen zugänglich, nach welchen die Doppelbesteuerung der Renten bei einer normalen Verteilung des Einkommens in der Einzahlungsphase angenähert werden können.

Dies ist Aufgabe der Finanzbehörde, da das Rechnen nach den Steuergesetzen ein Teil der Rechtsanwendung ist und den Rentnern nicht zumutbar.

Unter Bezugnahme auf dieses vorgenannte Verfahren im Saarland ist gemäß der Abstimmung unter den Bundesländern, den Dienstanweisungen, das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 1 AO auch aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen zu lassen. Der strittige Bescheid ist im Übrigen insoweit nach den Abstimmungen der Länder im Jahre 2020 nicht nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 4 AO vorläufig ergangen, sodass der Einspruch jedes Jahr neu erforderlich ist.

Bitte bestätigen Sie mir das Ruhen des Verfahrens schriftlich.

Im Voraus vielen Dank dafür.

Mit freundlichen Grüßen

 

Eigenhändige Unterschrift

Mustereinspruch II

So könnte ein Mustereinspruch aussehen (Quelle: Bild):

Name des Steuerzahlers:
Steuernummer und Steuer-Identifikationsnummer:
————————————————————————————–

Einspruch gegen den Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag ….. (Jahr) vom …. (konkretes Datum des Steuerbescheides)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit lege ich Einspruch gegen den Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom …. (Datum) ein. Ich beantrage im Weiteren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 Abgabenordnung.

Begründung:
In meinem zu versteuernden Einkommen sind Renteneinkünfte enthalten, die bereits in der Einzahlungsphase besteuert wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu entschieden, dass Renteneinkünfte, soweit diese aus bereits versteuerten Einkommen stammen, in der Rentenphase nicht noch einmal besteuert werden dürfen (Urteil v. 6. März 2002 Az. 2 BvL 17/99; BStBl. 2002 II S.618). Die geltende Besteuerung der Rente wird dem nicht gerecht, da es in meinen Fall zu einer Zweifachbesteuerung kommt. Ich verweise dabei auf die laufenden Revisionen beim Bundesfinanzhof (BFH: Az.: X R 20/19, X R 33/19). Zudem ist beim Saarländischen Finanzgericht unter dem Az.: 3 K 1072/20 die Klage eines ehemals gesetzlich rentenversicherten Klägers mit Rentenbezügen anhängig. In allen Verfahren soll geklärt werden, wie eine Doppelbesteuerung der Rente berechnet wird. Bis zur Klärung der offenen Rechtsfragen beantrage ich das Verfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

(Ihre Unterschrift)

Warum ein Mustereinspruch?

  • Recht auf Überprüfung: Jeder Steuerpflichtige hat das Recht, seine Steuerbescheide überprüfen zu lassen.
  • Gerechtigkeit: Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie zu viel Steuern zahlen, können Sie mit einem Einspruch eine Korrektur anstreben.
  • Orientierung: Ein Mustereinspruch gibt Ihnen eine erste Orientierung, welche Punkte in einem solchen Schreiben enthalten sein sollten.

Was ist bei einem Mustereinspruch zu beachten?

  • Individuelle Anpassung: Ein Mustereinspruch sollte stets an die persönlichen Verhältnisse angepasst werden.
  • Fristwahrung: Die Einspruchsfrist ist unbedingt einzuhalten. Diese beträgt in der Regel einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids.
  • Begründung: Der Einspruch muss gut begründet werden. Hierbei können Sie sich auf aktuelle Rechtsprechung, beispielsweise Urteile des Bundesfinanzhofs, beziehen.
  • Nachweise: Fügen Sie alle relevanten Unterlagen bei, wie z.B. Steuerbescheide, Rentenbescheide und Berechnungen.

Was steht in einem Mustereinspruch?

Ein typischer Mustereinspruch enthält folgende Punkte:

  • Kopfzeile: Hier werden Ihre persönlichen Daten und die Daten des Finanzamts angegeben.
  • Anschrift: Geben Sie hier die genaue Anschrift des Finanzamts an.
  • Betreff: Geben Sie hier deutlich an, dass es sich um einen Einspruch gegen den Steuerbescheid für das betreffende Jahr handelt.
  • Sachverhalt: Beschreiben Sie kurz und präzise den Sachverhalt, also warum Sie der Meinung sind, dass eine Doppelbesteuerung vorliegt.
  • Begründung: Begründen Sie Ihren Einspruch ausführlich und beziehen Sie sich dabei auf konkrete gesetzliche Bestimmungen oder Rechtsprechung.
  • Antrag: Fordern Sie eine Überprüfung des Steuerbescheids und gegebenenfalls eine Änderung.
  • Unterschrift: Unterschreiben Sie den Einspruch und geben Sie das Datum an.

Die Rentner sind die Dummen

 

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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • […] Doch wer mögliche Ansprüche absichern will, müsse sich beeilen, so der „Münchner Merkur“. Denn auf eine mögliche Rückzahlung können der Zeitung zufolge Rentner nur hoffen, wenn sie gegen ihren Steuerbescheid rechtzeitig Einspruch einlegen. […]

    Antworten
    • Birgit Fischer
      11. Juni 2021 15:46

      Ich habe bisher noch keine Steuern auf meine Rente bezahlt, aber irgendwann wird das fällig werden und davor habe ich Angst. Denn dann reicht meine Rente nicht mehr zum Leben.

      Antworten
      • Helmut Achatz
        11. Juni 2021 16:53

        Keine Angst. Ich würde dir raten, eine Steuersoftware zu kaufen und damit die Steuererklärung zu machen. Es gibt beispielsweise Wiso Steuer, Taxman, Steuersparerklärung. Die Programme kosten zwischen 25 und 30 Euro. Das Geld ist aber gut angelegt, weil die Software auf Möglichkeiten zum Steuern sparen hinweist, auf dich man selbst oft kaum kommt.

        Vor allem gilt: Belege sammeln. Vieles lässt sich steuermindernd absetzen.

        Viel Erfolg

        Antworten
  • […] betrieblicher Rente erhalten, so das  Statistische Bundesamt (Destatis). Zwar steigt wegen des Alterseinkünftegesetzes von 2005 der Besteuerungsanteil, das heißt aber nicht mehr Rentnerinnen und Rentner mehr Steuern […]

    Antworten
  • […] oder betrieblicher Rente erhalten, so das Statistische Bundesamt (Destatis). Zwar steigt wegen des Alterseinkünftegesetzes von 2005 der Besteuerungsanteil, sprich der Anteil der Rente, der besteuert wird, das heißt aber […]

    Antworten

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