Warum Deutschland der demografische Wandel ab 2020 voll trifft

Soziales

Werbung

Warum trifft Deutschland der demografische Wandel schon bald mit voller Wucht? Ganz einfach, weil Millionen Babyboomer in Rente gehen und ihre Schreibtische und die Werkbänke verlassen. Viele Betriebe, aber auch die Kommunen haben das immer noch nicht so richtig verinnerlicht. Damit dürfte sich einiges ändern in diesem Land.

13 Millionen Babyboomer gehen zwischen 2018 und 2031 in Rente gehen und scheiden aus dem Erwerbsleben aus“, stellt Peter Kupferschmid, Referatsleiter im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) lakonisch fest. Das seien 36 Prozent der Berufstätigen, betont er schon etwas alarmierender. Das stelle für die Gesellschaft eine Herausforderung dar. „Es kann nicht sein, dass wir nicht vorbereitet sind“, seufzt er.

Demografischer Wandel als Herausforderung

Das ist aber nicht nur ein deutsches Problem, denn die „Zahl der Europäer über 65 Jahre wird sich in den kommenden Jahren verdoppeln“. Leider sei der „Übergang ins Alter nicht geregelt“, bedauert er. Es gebe keine Regelstrukturen mehr im Übergang vom Beruf in die Rente, anders als beim Übergang von der Schule in den Beruf.

Alles strukturiere sich in Deutschland um den Faktor Arbeit. Wer in dieses Regelsystem nicht mehr reinpasst, der fällt einfach heraus – wird abgeschaltet. So etwas wie ein Übergangsmanagement gibt es hierzulande schlichtweg nicht. Das dürfte sich für viele Betriebe allerdings noch rächen.

1964 geburtenstärkster Jahrgang

Deswegen hat das BMFSFJ den „Runden Tisch Aktives Altern“ eingerichtet. Klingt gut, ist gut gemeint, ob das BMFSJ allerdings viel erreicht, darf bezweifelt werden. Andreas Mergenthaler vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung konfrontiert die Anwesenden mit der Größenordnung: „Der Jahrgang 1964 ist der geburtenstärkste Jahrgang überhaupt mit 1,4 Millionen Lebendgeborenen“. Dabei waren auch schon die Jahrgänge davor schon zahlreich. Und diese Jahrgänge gehen ab 2020 so langsam in Rente. Das werde auch eine Herausforderung für die Betriebe. 2015 haben die Babyboomer noch 36,6 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung gestellt, bis 2035 geht ihr Anteil gegen null.

1964 war der geburtenstärkste Jahrgang

1964 war der geburtenstärkste Jahrgang Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Wer kümmert sich um den Übergang?

Dass diese Kohorte in Rente geht und damit den Betrieben fehlen wird, ist das eine, das andere ist, dass sich so gut wie niemand um das Übergangsmanagement kümmert. Klaus Schmitz vom Amt für Senioren und Generationenfragen der Stadt Nürnberg zeigt auf, was notwendig wäre. Übergangsmanagement sei ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Er plädiert für kommunales und betriebliches Übergangsmanagement. Die Betriebe müssten seiner Meinung nach endlich begreifen, dass sie sich um eine „lebensorientierte Personalpolitik“ kümmern müssen.

Nürnberg als Vorreiter

Er verweist dabei auf das Zentrum Aktiver Bürger (ZAB) in Nürnberg, das als unabhängige Anlaufstelle für bürgerschaftliches Engagement fungiert. Es soll alle Altersgruppen zusammen bringen, die sich für die Stadtgesellschaft engagieren – ein Ansporn für die jungen Alten, die im ZAB neue Aufgaben finden.

Was bei diesem Runden Tisch auch deutlich wurde: Das Thema Bildung und Digitalisierung spielt beim Aktiven Altern eine wichtige Rolle. Michael Doh von der Psychologischen Alternsforschung der Universität Heidelberg verdeutlichte, welche Chancen die Digitalisierung bietet. Bildung und Digitalisierung haben seiner Meinung nach „positive Effekte auf die sozialen, emotionalen und körperlichen Ressourcen“. Wenn die Babyboomer lernen, mit der Digitalisierung umzugehen, dann bringe das viel für die gesellschaftliche Partizipation. Umgekehrt gilt für ihn, dass die digitale Exklusion zur sozialen Exklusion führt. Es braucht seiner Meinung nach neue Konzepte für die digitale Inklusion und die digitale Bildung.

Digitale Kluft vergrößert sich

Die Babyboomer-Generation ist allerdings alles andere als homogen: Da gibt es zum einen die männlichen Babyboomer im Westen mit guter Bildung, die nicht allein leben und zu 89 Prozent in der digitalen Welt angekommen sind. Und es gibt Frauen in der 60plus-Generation aus dem Osten, alleinlebend mit niedrigem Bildungsstand, die zu weniger als zehn Prozent digitale Medien nutzen. Doh spricht von „digitaler Kluft“.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die Herausforderungen des Übergangsmanagements groß sind. Es braucht noch viel mehr Seniorennetzwerke und betriebliche Coaches, um diese Aufgabe zu bewältigen.

Du kannst den Artikel teilen:

Werbung

Das könnte dich auch interessieren

9 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Lieber Helmut,
    danke für diesen aufschlussreichen Artikel.

    Mir stellen sich dabei folgende Fragen: Haben unsere Kommunen diese Situation wirklich nicht auf dem Schirm? (außer Nürnberg 🙂 Lässt sich so eine Einrichtung auch im privaten Bereich organisieren? Kann es wirklich ein Anreiz für Rentner sein sich beruflich weiter zu engagieren? (Flexirente)

    Liebe Grüße aus M-Pasing
    Barbara

    Antworten
    • Doch, die Kommunen (nicht nur in Hessen und Rheinland-Pfalz)haben das sehr wohl auf dem Schirm, nur haben sie jahre -lang vernachlässigt, den eigenen Nachwuchs zu entwickeln!!!

      Antworten
  • Von grober Fahrlässigkeit in der Arbeitskultur kann man hier schon nicht mehr sprechen, denn die Zahlen sind seit Jahrzehnten bekannt. Der überwiegende Teil von Wirtschaft, Politik und Vewaltung nimmt sehenden Auges die Gefahr eines niedergehenden Wohlstandsstaates in Kauf. Die Sattheit des Augenblicks regiert die Entwicklung. Eine Politik auf Sicht, wie Frau Bundeskanzlerin mal bemerkelte. Wenn sich der Nebel vor den Augen der Entscheider dann lichtet, ist der Crash vorprogrammiert.
    Beste Grüße aus Bad Saarow
    Wolfgang Schiele

    Antworten
  • […] sind mehr als 22 Millionen hierzulande über 60 Jahre alt – weit mehr als jemals zuvor. Wir, die Babyboomer, sind nicht nur viele, sondern auch noch vergleichsweise fit und als 68er- oder Post-68er in einer […]

    Antworten
  • […] Rentenbeginn können die meisten von uns noch viel Jahre ihres Lebens genießen. Zugegeben, der demographische Wandel ist für die Gesellschaft als Ganzes eine Herausforderung, vor allem, was Pflege und Mobilität […]

    Antworten
  • […] die Kommission eh keinen Handlungsspielraum mehr. Und ab 2025 sowieso nicht, denn da gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Von den Finanzreserven, über die die Rentenversicherung verfügte, ist nach Corona nichts mehr […]

    Antworten
  • […] demografische Wandel hat deutliche Spuren in der deutschen Bevölkerung hinterlassen. Die Geburtenrate hat in den […]

    Antworten
  • […] Wandel: Die Alterung der Bevölkerung und die niedrige Geburtenrate stellen große Herausforderungen für das Rentensystem […]

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.

null

Helmut Achatz

Macher von vorunruhestand.de

Newsletter

Erhalte regelmäßig News, Tipps und Infos rund um’s Thema Rente und Co. Du erhältst 14-tägig einen Newsletter.

Weitere Inhalte

Rentenplaner für Dummies

Werbung

Menü