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Die Union möchte das Thema „Rente“ am liebsten ganz aus dem Bundestagswahlkampf heraus halten. Das wiederum will der Sozialverband VdK der Union nicht durchgehen lassen und gibt sich kämpferisch. VdK-Präsidentin Ulrike Mascher legte die Finger in die Wunde und fordert die „soziale Spaltung zu stoppen“. Ihre Bestandsaufnahme fällt wenig schmeichelhaft für Bayern aus.
Rentenpolitik auf dem Prüfstand
Der VdK stellt die Pflege- und Rentenpolitik auf den Prüfstand und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis als beispielsweise die Union und vor allem als CSU-Chef Horst Seehofer, der den Freistaat als „Vorstufe zum Paradies“ betrachtet. Nicht von ungefähr titelt der „Münchner Merkur“ „so (un)sozial ist Bayern wirklich“. Klar, dass die Union dieses Thema aus dem Wahlkampf am liebsten nicht ansprechen will. „Eine Reform ist unausweichlich, Experten warnen bereits vor den Folgen“, schreibt die „Zeit“. Die CDU wolle deshalb eine Kommission einsetzen, die bis 2019 Vorschläge erarbeiten soll.
Davon könne beileibe keine Rede sein, so Mascher. Die Armutsgefährdung für Ältere in Bayern sei sehr hoch. „Die Quote der Empfänger von Grundsicherung im Alter hat sich zwischen 2010 und 2015 von 2,1 auf 2,8 Prozent erhöht“. Das dürften schätzungsweise 120 000 ältere Menschen sein, die ohne Hilfe vom Staat nicht über die Runden kommen. Dabei ist das sicher nur die halbe Wahrheit, denn 60 Prozent gehen nach Schätzung von Armutsforschern nicht zum Amt, um einen Antrag auf Grundsicherung zu stellen – „aus Unwissenheit, aber vor allem aus Scham“, so Mascher.
In Bayern nicht alles weiß-blau
Das ist ein anderes Bild, als die bayerische Sozialministerin Emilia Müller so gern in ihrem Sozialbericht zeichnet. Und dieses Bild würde die CSU gern auch im Bundestagswahl wie eine Monstranz vor sich hertragen – oder das Thema „Rente“ am besten gleich ganz ignorieren. In ihrem Wahlprogramm schreibt die CSU, eine Kommission werde Antworten für die Rente nach 2030 liefern. „Die Weiterentwicklung der Rente nach 2030 soll in einem gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung der Tarifpartner geregelt werden“, so die windelweiche Formulierung. Sie will eine Rentenkommission einsetzen, „die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll“. Das heißt letztlich, das Thema „Rente“ auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben. „Bis 2030, also 13 Jahre lang, de facto Stillstand bei der Rentenpolitik?“, fragt Mascher. Das werde es mit dem VdK nicht geben.
Nöte von Rentnern
Dabei sind die Nöte vieler Rentner drängend – auch und gerade im reichen Bayern. Die Mieten machen gerade ältere Münchner ärmer. In München sind die Mieten von 2007 bis 2015 um 28 Prozent gestiegen. Viele müssen sogar beim Essen sparen oder Flaschen sammeln gehen, um sich ihre Wohnung überhaupt noch leisten zu können. Manche müssen gar in billigere Wohnungen umziehen.
Armutsgefährdung wächst
Insofern dürfte es nicht sonderlich wundern, dass die Armutsgefährdung in Bayern dem VdK zufolge bei über 65-Jährigen bei 21,8 Prozent – die durchschnittlichen bayerischen Werte, sprich den „Landesmedian“ zugrunde gelegt. Besonders hart trifft es ältere Frauen in Bayern, „denn 24,4 Prozent von ihnen haben ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze“, so Mascher.
Die Armutsgefährdung wird sich künftig eher noch verschärfen, denn die Neurenten erreichen in Bayern kaum noch die Armutsschwelle, die in Bayern derzeit bei 1025 Euro pro Monat liegt – viele Neurenten liegen unter dieser Schwelle, ablesbar auch an den Zahlen der Deutschen Rentenversicherung. Die durchschnittliche Altersrente bei Männer liegt nur knapp über dieser Schwelle, bei Frauen liegt der Durchschnitt eklatant darunter.
Durchschnittliche Renten von Bestandsrentnern in Bayern 2015
pflichtversichert in der KVdR | freiwillig versichert in der KVdR | |||
---|---|---|---|---|
beitragspflichtig | Beitragssatz in % | beitragspflichtig | Beitragssatz in % | |
gesetzliche Rente | ja | 7.3 | ja | 7.3 |
Versorgungsbezüge | ja | 14.6 | ja | 14.6 |
Erwerbseinkommen | ja | 14.6 | ja | 14.6 |
Direktversicherung | ja | 14.6 | ja | 14.6 |
Mieteinnahmen | nein | - | ja | 14.6 |
Zinsen und ähnliches | nein | - | ja | 14.6 |
Privatrente | nein | - | ja | 14.6 |
Quelle: GKV, den Zusatzbeitrag tragen Rentner in voller Höhe |
Quelle: VdK/Deutsche Rentenversicherung
Durchschnittliche Renten von Neurentnern in Bayern 2015
Geburtsjahr | Anhebung in Monaten | Rentenalter* |
---|---|---|
1952 | 0 | 63 |
1953 | 2 | 63+2 |
1954 | 4 | 63+4 |
1955 | 6 | 63+6 |
1956 | 8 | 63+8 |
1957 | 10 | 63+10 |
1958 | 12 | 63+12 |
1959 | 14 | 63+14 |
1960 | 16 | 63+16 |
1961 | 18 | 63+18 |
1962 | 20 | 63+20 |
1963 | 22 | 63+22 |
1964 | 24 | 63+24 |
Quelle: VdK/Deutsche Rentenversicherung
Mütterrente muss besser werden
Die VdK-Präsidentin stößt die Kritik der Wirtschaft sauer auf, die sich über „zu viele Rentengeschenke“ beklagt. Gemeint ist die Mütterrente – der VdK hat erreicht, dass die Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder von einem auf zwei Jahre pro Kind aufgestockt wurden. Der VdK will aber die Gleichstellung – und fordert die Aufstockung auf drei Jahre pro Kind, wie es für Kinder, die nach 1992 geboren wurden mittlerweile selbstverständlich ist. Damit nicht genug, Frauen, die Grundsicherung beziehen, wird die dank Kindererziehungszeiten höhere Rente mit der Grundsicherung verrechnet. Der VdK fordert deswegen einen Freibetrag von 200 Euro. Mascher meint, „Kinder groß gezogen zu haben, darf nicht weniger wert sein, als über einen Versicherungskonzern eine private Altersvorsorge abgeschlossen zu haben“. Der VdK kennt viele Beispiele von Frauen, die auf diese 200 Euro dringend angewiesen wären.
Mehr Geld für Erwerbsgeminderte
Mütterrente ist nicht der einzige Stein des Anstoßes: Der VdK fordert von der Politik die Abschaffung der Rentenabschläge für Erwerbsminderungsrentner, die eben wegen diesen Abschlägen von 10,8 Prozent in hohem Maß armutsgefährdet seien.
Leider ist auch die vermeintliche Verbesserung durch das Pflegegesetz eher eine Verschlechterung. Der VdK sieht viele Verlierer. Es könne nicht sein, dass Pflegebedürftige Anspruch nur auf dem Papier hätten. Bayern habe besonders hohe Hürden aufgebaut bei der Auswahl eines Pflegedienst-Anbieters, die viele einfach nicht erfüllen können. Von Flächendeckung für die konkrete Entlastung im Alltag könne keine Rede sein – „und wenn überhaupt vorhanden, sind die Anbieter oft auf Monate ausgebucht“. Ambulante Dienste seien oft so teuer, „dass oft nicht mehr als drei, vier Stunden pro Monat dafür herausspringen“. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen fühlen sich nach Meinung Maschers oft verschaukelt, weil sie zwar Pflegestufe eins anerkannt bekommen haben, aber die Leistungen nirgends abrufen können.
Desaster bei Kurzzeitpflege
Besonders viel im Argen liege bei der Kurzzeitpflege. Kurzzeitpflege, so viel zur Erklärung, ist dafür gedacht, dass pflegende Angehörige auch einmal Urlaub machen können. Aber dafür müsste Plätze geben. „Tatsächlich finden Betroffene in Bayern aber kaum solche Angebote, die Zahl der Kurzzeitpflegesätze sinkt sogar mehr und mehr“, prangert Mascher an. So seien im März 2012 in 205 bayerischen Heimen 966 feste Kurzzeitpflegeplätze angeboten worden, im März 2017 seien es nur noch 796 Plätze gewesen. Allein das sagt schon viel über den desolaten Zustand in Bayern aus.
Soziale Spaltung stoppen
Der VdK lässt die Muskeln spielen mit seiner Aktion „soziale Spaltung stoppen“. Was durchaus verständlich ist, hat er doch nach eigenen Angaben allein im Juli 2017 immerhin 4226 neue Mitglieder gezählt – „ein Rekord“, so der VdK-Landesvorsitzende in Bayern Michael Pausder. Insgesamt habe der VdK in Bayern 665 000 Mitglieder. Und „VdK-Mitglieder werden immer kämpferischer und aktiver“. Bei den sieben bayerischen VdK-Großveranstaltungen im Juli 2017 seien die Hallen mit 600 bis 700 Besucher überall „rappelvoll“ gewesen.
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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke daß Sie immer wieder den Finger auf diese Wunde legen! Es ist wirklich fast schon unerträglich, wie gerade Frauen bei der Rente dastehen. eigentlich auch ungerecht die Mütterrente, denn wir (Mütter) haben die neuen Renteneinzahler groß gezogen!
Danke. Ich werde auch weiter auf diese Missstände und Ungerechtigkeiten hinweisen.
Wenn Sie etwas ordentliches gewählt hätten, dann bräuchten Sie keine 20% an die Krankenkasse für Ihre selbst bezahlte Direktversicherung 10 Jahre lang entrichten!
Lasst uns zur Bundestagswahl 2017 schlauer sein!
„Erst angelockt, dann“
durch die folgenden Parteien
„abgezockt“
keine Stimme für CSU/CDU
keine Stimme für SPD
Keine Stimme für Grüne
Es gibt noch andere Alternativen für die Bundestagswahl 2017 für die über 6 Millionen Geschädigten und Ihre Angehörigen!
Nur die dümmsten Kälber, wählen sich ihre Metzger selber!
Danke für den interessanten Artikel. Bisher dachte ich, dass Altersarmut eher ein Problem im Osten ist. Wenn man sich die durchschnittlichen Renten in Bayern betrachtet, merkt man, davon können die bayrischen Rentner bei den hohen Mieten schlecht leben. Komisch, das dieses bayrische Altersarmutsproblem in den Qualitätsmedien nicht erwähnt wird. Daher nochmals danke für das private Engagement.
[…] angerechnet, „bei Geburten ab 1992 sind es 36 Monate“, so die Rentenversicherung. Der Sozialverband VdK – und auch die CSU – kämpfen dafür, die Mütterrente anzugleichen. „Die älteren […]
Auch ich wurde von der Regierung um meine Altersvorsorge betrogen. 10 Jahre lang muß ich jetzt Krankenkassenbeiträge nachentrichten. Was für eine Schande in unserem Sozialstaat. Man hat uns 1984 gesagt die Renten seien nicht sicher, ihr müßt euch zusätzlich privat versichern (Direktversicherung).Dann müßte die Rente reichen. Was für eine Lüge, man hat uns nicht gesagt das auf die ausgezahlte Versicherungssumme noch Sozialabgaben anfallen. Das haben wir SPD,CDU/CSU,Grüne zu verdanken.
Und jetzt kommt das Schlimme Frau Merkel will das Thema nicht zum Wahlthema machen,Sie sieht keinen Handlungsbedarf.
Die SPD M.Schulz sagt wenn er gewählt wird (Bundeskanzler) dann wird er die Doppelverbeitragung abschaffen b.z.w. entschädigen.
Die Grünen haben zu diesem Thema keine Antwort….. und nun, was machen die 6 Millionen geschädigten mit der Bundestagswahl….?
na, diese Parteien zumindest nicht wählen 😉