Was steckt hinter der Rentensteuer?

Finanzen

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Rentner zahlen doppelt Steuern. Das schert den Fiskus bislang wenig. Wer klagt, läuft ins Leere, dabei ist die Rentensteuer in der jetzigen Form verfassungswidrig. Das soll sich aber ändern.

„Rentensteuer verstößt gegen die Verfassung!“, titelte die „Bild“. Das wäre nicht das erste Mal und war dem ehemaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und jetzigen Bundeskanzler ziemlich wurscht sein. Er weiß das schon lange – und besteuerte weiter doppelt. Dank Doppelbesteuerung schwimmt der Staat im Geld – das ist aber das Geld der Bürger, denen es abgeht. Auch der Sozialverband VdK fordert ein Ende der Doppelbesteuerung der Rente. „Es ist gesetzlich verboten, wenn der Fiskus Rentnerinnen oder Rentner doppelt zur Kasse bittet. Das darf es auch nicht in Einzelfällen geben. Kompliziert wird es für diejenigen, die mutmaßlich doppelt Steuern gezahlt haben: Damit das Finanzamt die Doppelbesteuerung prüfen kann, müssen sie alle Steuerbescheide ihres ganzen Lebens vorlegen. Das ist eine Zumutung. Dieses Verfahren muss dringend vereinfacht werden. Es kann nicht sein, dass die Betroffenen nur über den Klageweg zu ihrem Recht kommen. Deshalb fordert der VdK, dass die Finanzverwaltung auf Antrag der Betroffenen prüft, ob eine Doppelbesteuerung vorliegt.“

Rentensteuer

Rentner werden steuerlich belastet, Rentenzahler entlastet – aber Be- und Entlastung sind verfassungswidrig. So sieht die gegenwärtige Be- und Entlastung aus (Anteile jeweils in Prozent):

JahrAnteil absetzbare RentenbeträgeAnteil der besteuerten Rente (Rentenbeginn)
20056050
20066252
20076454
20086656
20096858
20107060
20117262
20127464
20137666
20147868
20158070
20168272
20178474
20188676
20198878
20209080
20219281
20229482
20239683
20249884
202510085
202610086
202710087
202810088
202910089
203010090
203110091
203210092
203310093
203410094
203510095
203610096
203710097
203810098
203910099
2040100100

Am Montag, den 31. Mai 2021, fällte der Bundesfinanzhof ein Urteil in zwei Fällen. „Konkret geht es um die Klagen zweier Personen gegen die geltende Besteuerung der Rente. Sie werfen dem Staat vor, während der Umstellung der Besteuerung sowohl die Rentenbeiträge als auch die Rente selbst besteuert zu haben. Dies wäre nicht verfassungsgemäß. Das Finanzministerium bestritt dies. Das Urteil könnte sich als richtungsweisend für hunderttausende von Rentnern erweisen.“

Doch wer mögliche Ansprüche absichern will, müsse sich beeilen, so der „Münchner Merkur“. Denn auf eine mögliche Rückzahlung können der Zeitung zufolge Rentner nur hoffen, wenn sie gegen ihren Steuerbescheid rechtzeitig Einspruch einlegen.

Mehr Klagen gegen Finanzämter – Steuer-Hoffnung für Millionen Rentner https://t.co/sPPxorSmEv

— BILD (@BILD) February 21, 2021

In punkto Steuer ist noch mehr im Argen: Die Politik müsse auch besonders arme Rentner viel besser bei der Einkommenssteuer schützen, so der VdK.  „Der Freibetrag muss rauf auf 12.600 Euro, damit die Steuerlast ihre Existenz nicht gefährdet“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Der VdK fordert ferner, die Einkommenssteuererklärung für Rentner so zu vereinfachen, dass sie jeder 99-Jährige alleine ausfüllen kann.

Rentensteuer verfassungswidrig

Gegen die Doppelbesteuerung zieht der Bund der Steuerzahler ins Feld. Seit 2005 müssen Rentner – auf Drängen eines Beamten – Steuern zahlen. Jedes Jahr etwas mehr. Sie wurden und werden zwar im aktiven Berufsleben entlastet, aber bei weitem nicht genug, so dass sie letztlich doppelt Steuern bezahlen, was definitiv verfassungswidrig ist. Das ficht die Politiker der vermeintlichen Volksparteien aber nicht an. „Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ganz klar entschieden – jeder Fall der Doppelbesteuerung ist verfassungswidrig“, so der ehemalige Chef der Deutschen Rentenversicherung, Franz Ruland, „Plusminus“ gegenüber.  Wer dagegen aufbegehrt, muss sein Recht aber selbst durchsetzen, denn die Politik stellt sich taub. „Das ist ein politischer Skandal“, kommentiert Johanna Hey, Institut für Steuerrecht an der Universität Köln im ARD-Wirtschaftsmagazin die Ignoranz der Politik gegenüber den Entscheidungen des BVerfG.

Klagewelle rollt

Jetzt scheint sich doch etwas zu bewegen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat 2021 über die umstrittene Rentenbesteuerung entschieden. Ins Rollen gebracht hat den Stein ein Ruheständler, der gegen die Doppelbesteuerung klagt.

Schon bald entscheidet der #Bundesfinanzhof über die #Doppelbesteuerung der #Rente. Im Bundestag steht eine Diskussion an, die von der #FDP losgetreten wurde: https://t.co/owZwCFbPXS

— FrankfurterRundschau (@fr) February 21, 2021

Zwar werden Aufwendungen für die Altersvorsorge der FAZ zufolge während des Erwerbslebens zunehmend steuerfrei, doch sehen Kritiker in der Regelung eine vom Bundesverfassungsgericht verbotene Doppelbesteuerung. „Die Doppelbesteuerung der Renten führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung kleiner und mittlerer Einkommen“, zitiert die „Süddeutschen Zeitung“ den Fraktionsvize der FDP-Bundestagsfraktion Christian Dürr der. Die FDP hat eine kleine Anfrage zu Folgen einer möglichen Doppelbesteuerung von Renten | FDP-Bundestagsfraktion (fdpbt.de) gestartet. Jetzt kann

Mehr als eine halbe Million Menschen haben dem „Münchner Merkur“ zufolge schon gegen diese Doppelbesteuerung geklagt. Doch der Staat mache es den Klägern schwer – nach Meinung der FDP*: eine bewusste Schikane.

Bislang gibt es noch keinen Gesetzesentwurf zur Änderung des Alterseinkünftegesetz. Jetzt liegt es an Finanzminister Christian Lindner den Worten Taten folgen zu lassen und die Rentensteuerreform endlich umzusetzen.

Eine aktuelle Fallstudie des Rentenexperten und Finanzmathematikers Werner Siepe für das Informationsportal ihre-vorsorge.de zeigt derweil, welche finanziellen Folgen die zwei Änderungen hätten. Siepe berechnete die Auswirkungen für die „Standardrentner“ (Durchschnittsverdiener mit monatlich rund 3240 Euro brutto) und „Höchstrentner“ (Top-Verdiener mit monatlich etwa 7050 Euro brutto im Westen) der Jahrgänge 1960 bis 1990, die im Schnitt mit 65 Jahren in Rente gehen.

Eine Reform der Rentenbesteuerung ist auf dem Weg und könnte die Rentenzahler um Tausende entlasten, wie der „Spiegel“ schreibt: „Maximal summieren sich demnach die Entlastungen auf 23.522 Euro – für Menschen mit Geburtsjahr 1975 und einem Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 7050 Euro im Westen. Für gleichaltrige Durchschnittsverdienende sind es immerhin noch 12.482 Euro.“

Rentner zahlen doppelt Steuern

Der Münchner Richter Egmont Kulosa am Bundesfinanzhof (BFH) hält die Ausgestaltung der derzeitigen Rentenbesteuerung schon lange für verfassungswidrig. Nach der schrittweisen Einführung der Besteuerung von Renten 2005 sind die damaligen Steuerzahler nicht entsprechend entlastet worden, werden jetzt aber viel höher belastet. Sprich, sie wurden viel weniger entlastet, als sie später steuerlich belastet werden – damit zahlen sie doppelt Steuern.

Hier geht es um einen der unanständigsten Vorfälle der Politik: Rentner werden doppelt besteuert. Sie werden um Zehntausende € buchstäblich betrogen – mit vollem Wissen der Kanzlerin und ihres Finanzministers. https://t.co/ghp5FE0wyr

— Roland Tichy (@RolandTichy) February 18, 2021

Die Verfassungsrichter hatten schon 2002 davor gewarnt, was der Regierung aber herzlich egal ist. Zur Erinnerung: Rot-Grün unter Gerhard Schröder (SPD) beschloss deshalb 2005 die schrittweise Besteuerung auch der Renten. Im Gegenzug zur Rentenbesteuerung wurden die finanziellen Aufwendungen für die Altersvorsorge schrittweise steuerfrei gestellt.

Ob die Ampel-Regierung auch etwas verbessert für die jetzigen Rentner ist allerdings fraglich. Aber es sind ja vor dem Bundesfinanzhof noch zwei Klagen von Rentner anhängig, die gegen ihre Steuerbescheide klagen. Ein Entscheidung wird für Mai 2022 erwartet.

 

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Norbert Böttcher
    18. Februar 2022 19:34

    Der Bundestag hat sich neu formiert. Das Durchschnittsalter liegt < 50 Jahre. Warum erwähne ich das ?
    Die jungen Abgeordneten waren noch in Schule / Studium oder sind noch mit der Klapphose hinter der Musik hergelaufen, als das GMG 2003 und die Agenda 2010 von der Schöderregierung mit allen enthaltenen Ungerechtigkeiten verabschiedet wurden. So kommt es heute zu groben Verwechselungen von "Doppelbesteuerung" und "Doppelverbeitragung", obwohl die Wortschöpfungen eindeutig den 2-fachen Abzockvorgang durch die SPD-geführte Regierung eindeutig beschreiben.
    Da ist Aufklärung mehr als gefragt. Doch gelingt uns das noch, denn wer seit 2004 als Rentner abgezockt wurde, dürfte heute fast Mitte 80 sein ?
    Der DVG e.V. strengt sich zwar sehr an, aber bis auf den Freibetrag ab 2020 (Judaslohn) für Betriebsrenten tut sich weiter nix. Selbst Olaf Scholz hat sein Versprechen in Münster vom 24.9. heute schon wieder vergessen.
    Wir werden sehen, wie es sich weiter entwickelt.

    Antworten
  • […] kommen, da ja ihre Bezüge einkommensteuerpflichtig sind. Aber die Mehrheit liegt unter der Freibetragsgrenze und zahlt keine Einkommensteuer. Sie gehen nach der jetzigen Regelung tatsächlich leer aus. […]

    Antworten
  • […] ersten Haushaltsentwurf der Regierung Scholz nicht aufgetauchte, sind viele davon ausgegangen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Aktienrente schon beerdigt […]

    Antworten

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Helmut Achatz

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