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Seniorinnen und Senioren sollen nach dem Willen von Wirtschaftsforscher Marcel Fratzscher doppelt Dienst tun. Nach dem Wehrdienst in jungen Jahren soll jetzt noch ein verpflichtendes soziales Jahr im Alter folgen. Den Jungen will er das nicht zumuten.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat mit seiner Forderung nach einem „verpflichtenden sozialen Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner“ eine bundesweite Kontroverse ausgelöst. Und er legt noch einmal nach: Die Boomer hätten zu wenig Kinder bekommen, „darum müssen sie im Alter ein soziales Pflichtjahr leisten, damit die Sozialsysteme finanzierbar bleiben und um den Arbeitskräftemangel dort zu beheben“. Er finde die Forderung an die Jungen ungerecht, einen Pflichtdienst zu leisten.
Auf die Frage von „Tagesspiegel“-Redakteur Christoph von Marschall: „Sie meinen das wirklich – die Senioren sollen doppelt Dienst tun, die Gen Z gar nicht?“, antwortete er lapidar: „Die Gen Z muss das soziale Pflichtjahr auch absolvieren, wenn sie selbst alt ist“.
Fratzscher selbst hat, so erzählt er im Interview mit dem „Tagesspiegel“, in seiner Jugend weder Wehr- noch Ersatzdienst geleistet: „Auch ich hatte mich 1990 nach dem Abitur bei der Bundeswehr beworben. Aber dann hieß es: Zwei ältere Brüder haben bereits Wehrdienst geleistet. Da wird der dritte nicht auch noch gezogen.“
Solidarität und „neuer Generationenvertrag“
Fratzscher argumentiert, die ältere Generation müsse sich gesellschaftlich „stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“. Er sieht Potenzial in den technischen Fähigkeiten vieler Ruheständler, die unter anderem der Bundeswehr zugutekommen könnten. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?“, so der DIW-Präsident. Sein Ziel sei es, die Lösung gesellschaftlicher Probleme nicht schematisch den Jungen aufzubürden. „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, resümiert Fratzscher, der seine Thesen in seinem demnächst erscheinenden Buch „Nach uns die Zukunft – ein neuer Generationenvertrag für Freiheit, Sicherheit und Chancen“ weiter ausführt.
Faktencheck: So engagiert sind Deutschlands Senioren
Tatsächlich ist das freiwillige Engagement in der Altersgruppe der Rentner bereits stark ausgeprägt. Laut dem Deutschen Freiwilligensurvey 2019, der letzten großen Erhebung vor der Pandemie, waren in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen beeindruckende 43,9 Prozent ehrenamtlich tätig. Rechnet man die unzähligen Stunden für familiäre Unterstützung, wie die Betreuung von Enkelkindern, hinzu, ergibt sich ein noch umfassenderes Bild des gesellschaftlichen Beitrags.
Möglichkeiten zum Engagement im Alter:
- Bundesfreiwilligendienst (BFD): Im Gegensatz zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) steht der BFD Menschen jeden Alters offen und bietet eine strukturierte Möglichkeit für soziales Engagement.
- Ehrenamt in Vereinen: Ob im Sportverein, in der Kirchengemeinde oder in kulturellen Organisationen – die Möglichkeiten sind vielfältig.
- Tafeln und soziale Einrichtungen: Die Mitarbeit bei den Tafeln oder anderen karitativen Organisationen ist für viele eine sinnstiftende Tätigkeit.
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Gesellschaftliches Engagement aller
Die Diskussion um ein Pflichtjahr für Rentner, angestoßen durch Marcel Fratzscher, rückt die Frage nach der Generationengerechtigkeit in den Fokus. Während der Vorstoß auf breite Ablehnung stößt und das bereits vorhandene, massive Engagement von Senioren ignoriert, könnte er dennoch als Anstoß für eine konstruktive Debatte über neue Formen des Miteinanders und der gegenseitigen Unterstützung der Generationen dienen.
Marcel Fratzscher
„Nach uns die Zukunft“
Piper Verlag
Preis, 22 Euro
224 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
Berlin Verlag
ISN: 978-3-8270-1527-3
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