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Wie brüchig das Betriebsrentenmodell ist, beweisen die Kürzungen einiger Pensionskassen und -fonds – und jetzt sind Kaufhof-Karstadt-Betriebsrenten in Schieflage. Die Betriebsrentner müssen um ihre Zahlungen bangen, die vorläufig ausgesetzt wurden.
Die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH friert laut „Berliner Kurier“ die Zahlung von Betriebsrenten ein. Die Ex-Kaufhof-Karstadt-Mitarbeiter müssen voraussichtlich monatelang ohne Betriebsrente auskommen, weil der Kaufhof-Konzern finanziell angeschlagen ist – wegen der Coronavirus-Pandemie, aber nicht nur. Der stationäre Handel leidet schon seit Jahren und verliert immer mehr Geschäft an Amazon & Co. Kaufhof-Karstadt hat viel zu spät und zu zögerlich auf diesen Umbruch reagiert – jetzt büßen es die Betriebsrentner des Konzerns.
Betriebsrente in Schieflage
Die Senioren erfuhren „Bild“ zufolge von dem vorläufigen Aus ihrer Betriebsrenten aus einem Brief ihres Ex-Arbeitgebers. Darin heißt es, die Betriebsrentner müssten mit „einer mehrmonatigen Zahlungsunterbrechung rechnen“. Kaufhof-Karstadt sei sich bewusst, „dass ihre Bezüge aus der betrieblichen Altersversorgung ein bedeutender Bestandteil Ihres Einkommens sind …“.
Der Warenhauskonzern befindet sich in einem „Schutzschirmverfahren“, das ist laut „Finance Magazin“ eine „spezielle Ausprägung der Insolvenz in Eigenverwaltung“ – und die kann dauern. Karstadt-Kaufhof hat drei Monate Zeit, um einen Sanierungsplan vorzulegen. So lange werden die Betriebsrentner schon mal warten müssen. Bis der dann genehmigt und umgesetzt wird, kann es noch einmal mehrere Monate dauern. So lange sehen die Betriebsrentner nichts von ihrem Geld. Karstadt-Kaufhof friert erst einmal die Zahlungen an die Betriebsrentner ein.
Zwischen zwei Stühlen
„Anders als aktuell angestellte Mitarbeiter haben Betriebsrentner kein Recht auf Insolvenzgeld“, erklärt der „Berliner Kurier“. Erst nach der Eröffnung eines offiziellen Insolvenzverfahrens übernehme ein sogenannter „Pensionssicherungsverein“ die Zahlungen. Das heißt, die Betriebsrentner sitzen zwischen zwei Stühlen. Je länger die Kaufhof-Karstadt-Betriebsrentner auf ihr Geld warten müssen, desto dramatischer wird es für sie, denn auch andere Betriebsrentner sind auf das Geld des Pensionssicherungsvereins angewiesen – und der könnte angesichts seiner geringen Reserven und der vielen Fälle bald überlastet sein. Der „Berliner Kurier“ wirft die Frage auf, „wie viele Unternehmen nach den Zwangsschließungen in der Corona-Krise womöglich noch in eine Notlage geraten wie Kaufhof“. Im schlimmsten Fall könnten Millionen Betriebsrentner in Deutschland betroffen sein.
Arbeitsminister wiegelt ab
Das Arbeitsministerium wiegelt ab, die betroffene Rentner seien durch einen solchen Verein komplett abgesichert, wie der „Berliner Kurier“ zitiert. Den Kaufhof-Senioren gehe kein Geld verloren. Selbst im schlimmsten Fall einer Insolvenz verzögere sich die Auszahlung „nur“. Kaufhof-Karstadt lässt verlauten, der Konzern erfülle seine Rentenverpflichtung „ordnungsgemäß“. Das dürften die Betriebsrentner anders sehen.
Dabei trifft es Ex-Beschäftigte, die eh schon wenig Geld verdient haben. Eine Verkäuferin etwa erhalte nach 30 Jahren rund 100 Euro Betriebsrente, rechnet der „Berliner Kurier“ vor. „Bild“ stellt einige Beispiele vor, darunter Inge Schellen aus dem nordrhein-westfälischen Solingen. Sie „arbeitete 31 Jahre lang als Verkäuferin bei Karstadt, bekam rund 100 Euro Betriebsrente pro Monat.“ Sie und viele ihrer Ex-Kolleginnen und -Kollegen sind sauer.
Ruhe vor dem Sturm?
Das „Versicherungsjournal“ sieht „Ruhe vor dem Sturm beim Pensionssicherungsverein“. Denn in diesem dürfte es noch zahlreiche Insolvenzen geben. Da könnte der Pensionssicherungsverein schnell an seine Grenzen stoßen.
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„Der Markt wird alles regeln!“ Das ist ein Ergebnis, wenn Politiker es ablehnen, Ihren Job zu machen, nämlich „Politik“. Die Arbeitnehmer büßen für den Zynismus einer Lobbyförderung und exzessiven Staatsreduktion. Der Zynismus steigert sich für diese Menschen ins unerträgliche, wenn Politiker oben drauf völlig unbeeindruckt das verdrängen, was offensichtlich ist.
Die SPD – vorne dran Hubertus Heil – wird kaum das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen, wenn Tatsachen vertuscht oder abgewiegelt werden, als wären Wähler völlig naiv. Die privaten Lösungen zeigen sich als fragil und praxisuntauglich. Die Einschläge kommen immer näher. Doch wer gibt schon gerne zu, dass erst 2018 mit dem Betriebsrentengesetz die Fehler verschlimmert worden sind. Es könnte ja sein, dass es die Wähler nicht merken. (- Oder erst, wenn es zu spät ist.)