Weniger ist mehr

Leben

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Weniger ist mehr – oder less is more. Minimalismus ist wieder en vogue, denn weniger Besitz bedeutet mehr Souveränität über das eigene Leben. Aufräumen kann das Leben im positiven Sinn verändern. Minimalismus ist der Weg zu mehr persönlicher Freiheit, einem bewussteren Selbst und  mehr Lebensfreude. Darüber schreibt Simone Harland in ihrem Blog „Geboren in den Sechzigern“.

Hier ihr Gastbeitrag:

Der Weg zum Minimalismus

Wer einen Haushalt auflösen muss, weil ein lieber Mensch in ein Pflegeheim umzieht oder gestorben ist, steht vor einer unangenehmen Aufgabe. So viele Dinge dort haben dem ehemaligen Besitzer etwas bedeutet, für die Nachkommen, Freunde oder Bekannte aber sind sie oft nur Tand. Und trotzdem: Beim Wegwerfen macht sich ein Gefühl im Bauch breit, als würde man die Existenz des Vorbesitzers ein zweites Mal auslöschen.

Nicht alles haben wollen

Ich habe mir deshalb geschworen, mich von möglichst vielen Dingen schon zu Lebzeiten zu trennen. Denn in unserem Leben sammeln sich so viele Dinge an, die wir nicht vermissen, wären sie nicht mehr da. Wer beispielsweise benötigt noch eine Tasse mit der Aufschrift „Mutti ist die Beste“, wenn sie an der Öffnung angeschlagen ist und man beim Trinken aufpassen muss, sich nicht im wahrsten Sinne des Wortes das Maul zu zerreißen? Wer braucht einen Plastikfisch zum An-die-Wand-Hängen, der „Don’t worry, be happy“ singt, zum Klang der Worte seine Zähne zeigt und dabei seine Schwanzflosse hin und her bewegt? Oder eine Spieluhr in Flaschenform, die „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ spielt? Wer braucht dieses ganze Zeug – noch ein Gläschen, noch ein Schälchen, noch ein Figürchen?

Der Werbung widerstehen

Von allen Seiten suggeriert man uns, unser Leben würde besser, behaglicher, bedeutender durch Dinge wie die Kapselmaschine, mit der sich Tee „so einfach wie nie zuvor“ zubereiten lässt (ähem, wie lässt sich Tee wohl leichter zubereiten als durch Aufgießen von heißem Wasser?). Viele andere Geräte versprechen uns ebenfalls, die Arbeit zu erleichtern und Zeit zu sparen, funktionieren dann jedoch nicht wie versprochen oder müssen nach dem Benutzen kompliziert gereinigt werden, was wiederum die Zeitersparnis auffrisst. Spätestens nach der zweiten, dritten, vierten Benutzung merken das selbst Merkbefreite. Von da an fristen diese Dinge ein Dasein in der hintersten Schrankecke, bis … ja, bis die Nachkommen sie entsorgen.

Andere Dinge erfüllen von vornherein keinen Zweck, sondern stehen nur rum (daher die Bezeichnung Stehrümchen). Natürlich darf (und soll) es in jedem Haushalt auch zweckfreie Dinge geben, die nichts anderes tun, als hübsch auszusehen. Das ist schließlich gemütlich. Doch viele Haushalte sind voll mit Dingen, die die Wohnung gemütlich machen sollen. Auf der Strecke bleibt die Gemütlichkeit.

Die wirklich wichtigen Dinge

Weniger Dinge bedeuten auch weniger Ballast. Wer hin und wieder einmal umgezogen ist, weiß das. Deshalb ist Umziehen auch der beste Schutz vor einem Berg unnützer Dinge. Denn bei jedem Umzug wirft man Dinge fort. Nach mehreren Umzügen nacheinander ist der Haushalt auf (fast) das Nötigste reduziert. Doch je länger man wieder in einer Wohnung wohnt, desto mehr Ballast sammelt sich erneut an. Und da Menschen ab einem gewissen Alter immer seltener umziehen … naja, ihr wisst schon.

Ich habe mir vorgenommen, es nicht so weit kommen zu lassen. Ich hoffe, es gelingt mir. Denn eigentlich weiß ich: Die wirklich wichtigen Dinge im Leben kann man nicht kaufen. Dazu gehört auch mehr Freiheit durch weniger Ballast.


Symplify your life

Werner Tiki Küstenmacher und Lothar J. Seiwert haben den Klassiker „Simplify your Life“ herausgebracht. Und dazu gibt es einen Kalender „Simplify your Day“ – mit vielen Tipps. Am 25. Februar 2016 beschäftigte sich der Kalender mit Marie Kondo – „Heute wird gekondot!“ Küstenmacher empfiehlt: „Testen Sie es daher an einer Untermenge Ihrer Besitztümer, z.B. Ihren Strümpfen oder Schreibwerkzeugen. Wenn es klappt, gehen Sie die nächste Kategorie an. Aber Vorsicht: Es kann Ihr Leben revolutionieren!“

Aufräumen macht kaum jemandem Spaß, aufgeräumte Zimmer bringen aber durchaus Freude. Das bedeute indes nicht, dass es sich zwangsläufig lohne, Ordnung zu schaffen, das zumindest meint der Ökonomen Tim Harford in „Quartz“ im Beitrag „The psychological benefits of giving up on cleaning and embracing the mess“. Ein leergeräumter Arbeitstisch könne sogar kontraproduktiv sein. Chaos sei aus seiner Sicht durchaus förderlich für einen freien Kopf – so beschreibt es der INSM-Ökonomenblog.

Eine kleine Sammlung der schönsten Minimalismus-Zitate – entlehnt aus dem Blog von Elisabeth Hippe-Heisler:

„Wie viele Dinge es doch gibt, die ich nicht brauche.“ (Sokrates, griechischer Philosoph, 479 v. Chr. – 399 v. Chr.)
„Sparsamkeit ist eine gute Einnahme.“ (Cicero, römischer Politiker und Philosoph, 106 v. Chr. – 43 v. Chr.)
„Geben ist seliger als Nehmen.“ (Apostelgeschichte 20,35; Paulus zitiert Jesus)
„Einfachheit ist das Resultat der Reife.“ (Friedrich Schiller, deutscher Dichter, 1759 – 1805)
„Weniger ist mehr.“ (Robert Browning, englischer Dichter, 1812 – 1889)
„Habe nichts in deinem Haus, von dem Du nicht glaubst, dass es nützlich oder schön ist.“ (William Morris, britischer Maler 1834 – 1896)

Weiterführende Links:

https://twitter.com/Gabi_Raeggel/status/703869096077742080

Schau Dich in Deiner Wohnung und in Deinem Leben um – welcher fremde Ballast hält Dich am Boden? #ballast #minimalismus #entrümpeln pic.twitter.com/IALIK9VsWm

— Andrea (@solittletimede) October 9, 2016

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8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • solange Minimalismus nicht mit Purismus gleichgesetzt wird, und jeder nach seinem Gusto glücklich werden kann, ist doch alles prima. Konsenz besteht hingegen in der periodisch wiederkehrenden „Inventur“, mal zu schauen, was wirklich gut und gesund ist. Es lebe die Fastenzeit. Da gibt es doch ein paar Pfunde, die man wirklich nicht mehr braucht.

    Antworten
  • Helmut Achatz
    2. März 2016 17:41

    Wunderbar zusammengefasst 😉

    Antworten
  • Die „Schnickschnack“-Beispiele sind wirklich die wahre Wonne, ich habe mich köstlich darüber amüsiert. Ich bin selbst Anfang der 60er-Jahre geboren, habe aber nie wirklich viel Krams angesammelt. Maximal habe ich gedacht, ich müsste jetzt mal einen „normalen Hausstand“ haben, aber iiiirgendwie ging zum Glück immer wieder dieser ganze Tinnef kaputt. Wer in den 60er-Jahren geboren ist, hat ja in der Regel noch die Erfahrung, dass es mit weniger Zeug sehr gut geht. Warum sich jetzt die Wohnung vollstellen? Minimalismus ist für mich kein Trend, sondern einfach eine Wohltat. Dafür muss ich keine Socken zählen, darf durchaus viel mehr als 100 Teile besitzen – solange keine Stehrümchens dabei sind 😉
    Ich blogge jetzt seit 2014 über Achtsamkeit und Minimalismus als Lebenskunst und habe mit dem Blog http://www.minimalismus-tipps.de eine thematisch orientierte Übersicht über praktische Tipps diverser Minimalismus-Blogs geschaffen. Und das macht viiiiel mehr Spaß als Shoppen und Stehrümchens abzustauben.

    Antworten
  • Traurig! Da werden mit den „Schnickschnack“-Beispielen die Hinterlassenschaften eines Menschen abgewertet, ja sogar ins Lächerliche gezogen! Ich habe mit meinen Schwestern vor ein paar Jahren den Haushalt unserer Eltern aufgelöst. Was gab es da an Schätzen zu entdecken! Alte Fotoalben, prächtige Bücher, nützliche und brauchbare Geräte… Ich ärgere mich immer wieder über diesen hochgelobten Minimalismus, der Altes, Geerbtes so wenig respektiert. Ja, meine Wohnung ist voller Erinnerungen, an meine Großeltern, an meine Eltern, an meine Reisen und mehr. Wenn ich eine alte Tasse benutze, dann denke ich an meine Mutter, wenn ich eine Tischdecke auf einem Tisch ausbreite, dann erinnern mich sowohl Tuch als auch Tisch an Menschen, Erlebnisse und mehr. Das ist für mich kein Schnickschnack! Wenn ich mal sterbe, dann habe ich keine Erben. Dann habe ich kein Problem damit, wenn eine Entrümpelungsfirma diese Dinge entsorgt. Doch bis dahin hat eigentlich fast jeder Gegenstand in meiner Wohnung eine Geschichte, die ich respektiere. Das bedeutet nicht, dass ich nichts wegwerfen kann. Nein, ich bin gut im Aussortieren und Loslassen. Aber nicht alles oder nur, um mich und meinen Haushalt zu minimalisieren.

    Antworten
  • Nun, das muß doch Jeder selbst für sich entscheiden. Ich habe nie zuviel, ich habe die Dinge, die mich an liebe Menschen erinnern und ich freue mich drüber. Ich habe schönes Porzellan und mir gefällt es, mich mit schönen Dingen zu umgehen.
    Ich habe nicht zuviel, Auch habe ich geerbte Sachen und auch Bilder, was meine Kinder damit machen, ist mir egal,
    diese Dinge möchte ich nicht missen.
    Werbung, das schaue ich mir an und gut ist. Wenn es mir gut erscheint, probiere ich, wenn nicht, dann nicht.
    Ich prüfe sehr genau, aber sonst.
    Ja genau, bei manchen Menschen wäre es gut, wenn sie mal ihre Pfunde entsorgen würden, aber darüber schreibt man ja nicht.
    Eva

    Antworten
    • Helmut Achatz
      3. März 2016 11:52

      Ich habe meinen Beitrag noch ergänzt mit Tipps von „Simplify your Day“ und einen Link zu Anselm Grün

      Antworten
  • […] Weniger ist mehr – Ballast abwerfen bedeutet Freiheit Mehr bewegen für einen gesunden Lebensabend Warum Langweiler länger leben Zum Törggelen nach Südtirol – Kurzurlaub mal anders […]

    Antworten
  • […] wollen wir uns damit länger belasten? Es ist ein Gefühl von Freiheit, sich von überflüssigem Ballast zu lösen und so den Schritt in eine neue Zeit zu wagen. Doch unsere Kleidung ist nicht einfach nur […]

    Antworten

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