Mit Rentenbeginn zum Sozialhilfeempfänger

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Deutschland gehört zu den Ländern, in denen das Rentenniveau am niedrigsten ist. Normalverdiener werden künftig zu Sozialhilfeempfängern, weil ihre gesetzliche Rente nicht mehr für ein auskömmliches Leben reicht.

Schuld an dieser Entwicklung ist die Agenda 2010, die damals 2003 vom Ex-Kanzler Gerhard Schröder verkündet wurde. Das Rentenniveau sinkt und sinkt und sinkt – mittlerweile sind wir bei einem Niveau (netto vor Steuern – alte Bundesländer) von 48,2 Prozent angekommen. 48,2 Prozent heißt, davon wird noch die Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen. Die Standardrente eines abhängig Beschäftigten liegt dann bei 1301 Euro, wie die deutsche Rentenversicherung errechnet hat.

653 Euro Rente für 48 Arbeitsjahre

Das ist, wohlgemerkt, eine Durchschnittsrente, denn viele liegen auch deutlich darunter, wie der Fall Hans-Peter Mußmann beweist. Mußmann ist bei der Bahn beschäftigt und bekommt nach 48 Arbeitsjahren nur 653 Euro gesetzliche Rente, wie der MDR in einem Film berichtet. Mußmann ist ganz erstaunt, dass seine Kollegen, die 1994 und 2003 in Rente gingen, deutlich mehr bekommen – der eine 1417 und der andere 915 Euro. Die „Seniorenhilfe“ hat parallel dazu ausgerechnet, dass ein Gärtner beispielsweise, der „45 Jahre gebuckelt hat, lediglich 22,29 Entgeltspunkte“ einsammelt. Das mache, bezogen auf sein Arbeitsleben 569 Euro Rente aus. Damit wird der Gärtner zum Fall fürs Amt. „Wozu ist eine Pflicht-Rentenversicherung gut, die nicht mal die Existenz im Alter sicher?“, klagt der Verein an. Auskömmliche Renten seien bei Niedrig- oder Mindestlöhnen nicht zu erreichen, so die „Seniorenhilfe“. Wer heute nur den Mindestlohn von 8,50 Euro bekommt, kann sich im Alter gleich auf den Gang zum Amt einrichten.

Klar, dass Mußmann verbittert ist. Das ist freilich die grausame Logik der Agenda 2010. Die Rente wird der demografischen Entwicklung angepasst – und zwar so dramatisch, wie es sich die meisten kaum vorstellen können. Mittlerweile gehört Deutschland zu den Ländern, in denen das Rentenniveau am niedrigsten ist – und dabei ist die Steuer noch gar nicht berücksichtigt. In Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und den Niederlanden liegt das Rentenniveau von Geringverdienern deutlich höher.

Rentenniveau abgesenkt

Mußmann ist zu Recht verbittert, dass er so wenig bekommt. Aber Kanzler Schröder hat mit Blick auf den demografischen Wandel das Rentenniveau gezielt abgesenkt. Deswegen bekommen seine Kollegen, die 1994 und 2003 in Rente gingen deutlich mehr Ruhestandsgeld. Übrigens, Mußmanns Kollegen werden künftig sogar noch weniger bekommen, denn das Rentenniveau wird 2030 nur noch bei 43 Prozent liegen – noch einmal 4,5 Prozent niedriger als heute.

Wenn es denn nur die Absenkung des Rentenniveaus wäre. Das Sozialgesetzbuch wurde seit 1992 ständig geändert. Kräftig gekürzt wurden beispielsweise die Anrechnung von Schul- und Studienzeiten, wie jeder Akademiker bejaht. Bis 1992 wurden noch 13 Jahre anerkannt, anschließend ging es rapide nach unten und es wurde schrittweise abgesenkt auf sieben und dann drei Jahre. Wer sich in Sicherheit wiegte, musste beim Lesen seiner Rentenauskünfte erschreckt feststellen, dass ab 2009 Schul- und Studienzeiten gar nicht mehr berücksichtigt wurden – einfach gestrichen, also von wegen Vertrauensschutz. Wer beispielsweise vor 1994 in Rente ging, konnte noch mit 60 Jahren ausscheiden, ohne große Kürzung hinnehmen zu müssen. Heute hingegen wird die Rente gekürzt, wer vorzeitig in den Ruhestand geht – 0,3 Prozent pro Monat, den ein Vorruheständler früher in Rente geht. Das Schlimme dabei – in Zukunft wird es nicht besser, sondern schlimmer. Wer künftig in Rente geht, muss mit noch weniger rechnen.

Nur noch Verschlechterungen für Rentner

Ach ja, da kommen ja auch noch die Verschlechterungen bei der Krankenversicherung hinzu. Heute zahlen Rentner beispielsweise bei der Techniker Krankenkasse 8,3 Prozent vom beitragspflichtigen Einkommen – 1,3 Prozent macht der Zusatzbeitrag aus. Dazu kommt die Pflegeversicherung von 3,05 Prozent (Zuschlag für Kinderlose von 0,25 Prozent). Wer übrigens eine Betriebsrente bezieht, zahlt den vollen Beitragssatz in der Kranken- und Pflegeversicherung.

Auf staatliche Hilfe angewiesen

Diese Entwicklung führt dazu, dass künftig mehr Rentner – und nicht nur Mußmann – auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Ende 2015 waren es schon 7,55 Millionen Menschen und damit 9,3 Prozent der Bevölkerung, so Statistische Bundesamt. Es werden künftig noch mehr werden, wenn das Rentenniveau noch weiter sinkt. Das heißt, der Staat wird die Mittel für die Grundsicherung aufstocken müssen.

Abschließend noch ein paar Worte zum Thema Rentenniveau. Wie der Staat das Rentenniveau absenkt, ist im Sozialgesetzbuch so festgeschrieben, § 154 Abs. 3 SGB VI. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Sorry, das war sarkastisch gemeint. In diesem Werk steht:

„Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, wenn

  1. der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung … bis zum Jahre 2020 20 vom Hundert oder bis zum Jahr 2030 22 vom Hundert überschreitet,
  2. der Verhältniswert aus einer jahresdurchschnittlichen verfügbaren Standardrente und dem verfügbaren Durchschnittsentgelt … bis zum Jahr 2020 46 vom Hundert oder bis zum Jahr 2030 43 vom Hundert unterschreitet; verfügbare Standardrente ist die Regelaltersrente aus der allgemeinen Rentenversicherung mit 45 Entgeltpunkten ohne Berücksichtigung der auf sie entfallenden Steuern, gemindert um den allgemeinen Beitragsanteil sowie den durchschnittlichen Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung und den Beitrag zur Pflegeversicherung; verfügbares Durchschnittsentgelt ist das Durchschnittsentgelt ohne Berücksichtigung der darauf entfallenden Steuern, gemindert um den durchschnittlich zu entrichtenden Arbeitnehmersozialbeitrag einschließlich des durchschnittlichen Aufwands zur zusätzlichen Altersvorsorge.“

Für Geringverdiener wird’s bitter

Da steht klipp und klar, wohin die Reise geht – in Richtung 43 Prozent. Was das heißt, kann sich jeder selbst ausrechnen. Selbst, wer mehr als der Durchschnittsbürger verdient, wird sich im Alter gewaltig einschränken müssen. Für Geringverdiener wird’s richtig bitter. Sie werden so viel – oder kaum mehr – wie Sozialhilfeempfänger bekomme. Der Fall Mußmann wird zur Normalität.

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17 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Joachim Storch
    25. Februar 2016 12:21

    Hallo, ich konnte noch vom positiven Profitieren, als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst (39 Jahre), da ich zusätzlich zu meiner AR noch die VBL erhalte.
    Nach insgesamt 45 Arbeitsjahren hätte ich sonst (nicht wenig verdient in dieser Zeit) nur ca. 1100 Euro Rente.
    Unser Jahrgang (1942) wurde sehr benachteiligt , durch die Veränderung der Bemessung der Rente (Punktesystem).
    Wenn ich z.B. meine Frau nehme, die auch 40 Arbeitsjahre hat (in den letzen 10 Jahre vor ihrer Rente einen guten Verdienst hatte) und mit knapp 1000 Euro abgespeist wird, finde ich dies nicht richtig.
    Wir wollen nicht auf jammern, aber wenn ich daran denke, wie es unseren Kindern und Enkeln geht, kommt mir das Grausen.
    Auch bei uns war es so, dass man in jungen Jahren andere Maßstäbe setze und die ältere Generation etwas mehr Geld hatte.
    Dieses ist leider nicht mehr so.

    Antworten
    • Helmut Achatz
      25. Februar 2016 16:00

      Danke für den Kommentar. Leider haben das nur die Wenigsten erkannt und viele stecken den Kopf in den Sand und ziehen sich ins Private zurück. Das löst leider keine Probleme.

      Antworten
  • Jeder der jetzt in Rente geht und nicht mit der Rentenhöhe einverstanden ist sollte den Rentenbescheid an seinen Bundestagsabgeordneten senden. Als Zusatztext sollte er erwähnen:“Lieber Volksvertreter wie viel Pension werden Sie nach dem Rücktritt aus dem Bundestag bekommen? Glauben Sie dass meine Rente nach 40 bzw 42 Arbeitsjahren gerecht ist?“ Deutschland braucht mehr Demokratie und die Verpflichtung aller Bürger in die Rentenversicherung einzuzahlen. Auch der Missbrauch der Rentenversicherung für die Frühverrentung von Langzeitarbeitslosen muss endlich gestoppt werden.

    Antworten
    • Helmut Achatz
      26. Februar 2016 11:53

      Ich habe ja mal einen Vergleich Pension und gesetzliche Rente ausgearbeitet – und der fällt für die Rente vernichtend aus.

      Antworten
  • Danke für den tollen Artikel, lieber Helmut.
    Dein Artikel erschreckt mich.
    Stehen doch im öffentlichen Dienst die Verhandlungen wieder an und das große Thema ist die Rentenkürzung!

    Wo soll das nur hinführen?!

    Herzliche Grüße
    Jutta

    Antworten
  • […] Mehr unter vorunruhestand.de […]

    Antworten
  • Hallo,
    es hat viele Gründe, warum die gesetzl. Rente so dramatisch nach unten reduziert wurde. Unter anderem politische Korruption zugunsten der Versicherungsindustrie.
    Einer der ursächlichen Strickfehler ist, dass nicht alle Erwerbstätigen einzahlen und somit die Lasten, zusätzliche allgemeinstaatliche Aufgaben, die man aus den Rentenbeiträgen finanziert, noch nie vollständig von den Bundeszuschüssen zurück erstattet wurden, so dass der GRV seit 1957 bis heute rund 700 Mrd. Euro aus Steuermitteln fehlen. Damit haben allein die gesetzl. Rentenversicherten einen Großteil wichtiger gesamtgesellschaftlicher Aufgaben allein bezahlen müssen und bezahlen es immer noch. Die Mütterrente ist das jüngste Beispiel. Der Staat bedient sich, nicht umgekehrt, der im Bundeshaushalt ausgewiesene Bundeszuschuss (§213 SGB VI) an die GRV ist kein Zuschuss, sondern mangelhafte Ersatzleistungen.
    Gut erklärt in diesem vierteiligen Vortrag:
    https://www.youtube.com/playlist?list=PL95F9AEBEDFC9C6C5

    Die Aufteilung des Rentensystems wie im Ständestaat des 19. Jahrhunderts ist unzivilisiert und hält anders berufständisch Versicherte, Beamte, Selbständige und Politiker unverhältnismäßig frei von wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben.
    Dies wurde vielfach auch wiederholt angemahnt. Das lässt sich alles recherchieren, wenn man die Rentenversicherung
    in Zahlen, in Zeitreihen, die jährlichen Presseseminare in Würzburg und so weiter, genau verfolgt. Dies ist in diesem Vortrag genau erklärt:
    https://www.youtube.com/watch?v=2Bm2uHKOUb4
    Man braucht nur viel Zeit. s. auch Ulrich Reinecke/DRV, Prof.
    Winfried Schmähl, Klaus J. Klumpers-Die Enteignng der Altersrentner,
    etc.
    https://www.youtube.com/watch?v=8mGC0bjyXSY

    Ein gravierender Fehler ist desweiteren, dass die Verwalter der GRV keine Pflicht auferlegt ist, eine alle Ausgaben bilanzierende Buchhaltung transparent vorzulegen. In den jährlichen Rentenberichten wird das verschleiert.
    Die Ausgaben der Rentenversicherung sind gleich Rentenausgaben!

    Es entscheiden über die GRV nur Personen, die nicht betroffen sind. Damit einher geht eine permanente Missachtung der Selbstverwaltungsautonomie der GRV. Derweil haben sich Politik und Justiz für sich selbst nicht nur wesentlich bessere Regelungen geschaffen, sie haben auch spätestens seit 1978 elementare Grundrechte für die Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung außer Kraft gesetzt, Gleichheitssatz, Eigentumsschutz für die Beiträge, Rechtsstaatsprinzip (keine rückwirkenden Eingriffe) Nachlesen kann man das in den Entscheidungen des BVerfG vom 01.07.1981 (1 BvR 874/77 u.a.) oder vom 27.02.2007 (1 BvL 10/00, Absätze 53, 55 und 70).
    Dazu kommt auch im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der GRV das ganz im Sinne von Maschmeyer, von Rürup mit falschen Zahlen 2005 geänderte Alterseinkünftegesetz:
    http://altersarmut-per-gesetz.de/

    Wären mindestens alle Erwerbstätigen gleichermaßen von den rentenkürzenden Nachhol- Riester- und Nachhaltigkeitstaktor betroffen, wäre der Riesterbetrug und das Alterseinkünftegesetz nie durchsetzbar gewesen.

    Immer müssen die jeweilig Arbeitenden die jeweilig nicht Arbeitenden finanzieren, wobei die GRV ohne private Saugnäpfe dazwischen die weitaus sicherste und verwaltungskostengünstigste Altersversorgung ist. Sie muss gestärkt, gesichert und auf alle Einkommen ausgeweitet werden, ohne Beitragsbemesungsgrenze. Auszahlungen, je nach Einzahlung, nach unten wie oben gedeckelt.
    Durch stetig gestiegene Produktivität muss das daraus Erwirtschaftete gerecht verteilt werden. Die Arbeitnehmer partizipieren schon seit mindestens 15 Jahre nicht mehr daran. Mehr Kinder lösen das Problem nicht, sie brauchen gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze, so sie denn überhaupt Einzahler werden. Und aus mehr Kindern werden noch mehr Alte.
    Auch Rentner sichern mit einer guten Rente Arbeitsplätze, denn das was aus dem Umlagesystem gleich ausgezahlt werden kann, geht umgehend wieder in die Wirtschaft, für Kinder und Enkel.
    Ein wirkliches Solidarsystem erfordert die Einbindung aller Bürger in allen drei Lebensphasen. Denn alle Bürger profitieren in jungen Jahren von dieser Solidarität (Schule, Ausbildung) ebenso wie im Alter (Rente, Pension), aber diejenigen, die im Alter am meisten von dieser Solidarität profitieren, klinken sich während ihres Berufslebens kraft eigener Entscheidungsbefugnis aus dem Solidarsystem aus.

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  • […] Sozialdemokratische Partei, die den Sparerfreibetrag gekürzt hat, Hartz IV eingeführt und die Agenda 2010 umgesetzt hat. Wer hat das Rentenniveau gesenkt? Wer hat die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent […]

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  • […] steht in Zukunft vor einem Scherbenhaufen. Sorry, wenn ich das so hart sagen muss. Viele werden auf Grundsicherung angewiesen sein, die seit 1. Januar 2014 monatlich 391 Euro beträgt, wobei sie individuell berechnet wird. […]

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  • […] Die Armutsgefährdung für Ältere in Bayern sei sehr hoch. „Die Quote der Empfänger von Grundsicherung im Alter hat sich zwischen 2010 und 2015 von 2,1 auf 2,8 Prozent erhöht“. Das dürften schätzungsweise […]

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  • Wolfgang Fuhrmann
    4. Februar 2021 00:34

    Es gibt nur eins. Alle Macht dem Volk. Dann nieder mit dieser
    .. Regierung. Diesen Blutsauger muessen Weg. Dann zuerst kommt das deutsche Volk dran. Alle abgelehnte und kriminelle Asylbewerber sofort Abschieben Dann Stop für Asylbewerber.

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  • […] für den Parteivorsitz, wollte es genau wissen, wie viel jemand verdienen muss, um nicht auf Sozialhilfe angewiesen zu sein: Es sind mehr als 2000 Euro monatlich – und das 45 Jahre lang. Wer jährlich […]

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