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Die Preise lassen sich auch erhöhen, indem der Kunde weniger fürs gleiche Geld bekommt – genau das plant die Gesundheitsministerin für die gesetzliche Krankenversicherung.
Gesundheitsministerin Nina Warken und Staatssekretär Tino Sorge nennen das „Basis-Tarifmodell“. Das heißt, die Krankenversicherten bekommen nur noch das absolut Nötige, für alles andere müssen sie zuzahlen. Momentan ist das nur eine Diskussionsgrundlage und kein konkreter Reformvorschlag, aber es zeigt, wohin die Entwicklung geht.
Den Krankenkassen laufen die Kosten davon, eine weitere Erhöhung der Beiträge droht. Um das abzuwenden, denken Gesundheitspolitiker wie Warken und Sorge über neue Tarifmodelle nach.
Das geplante Basis-Tarifmodell
Die Hauptidee ist die Einführung eines neuen Basis-Tarifmodells innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dieses Modell soll eine gute Grundversorgung zu einem niedrigeren Beitragssatz als dem aktuellen Durchschnitt von 17,7 Prozent abdecken. Versicherte hätten dann die Möglichkeit, Zusatzleistungen über separate Pakete gegen Aufpreis hinzuzubuchen.
- Niedrigere Beiträge: Die Basistarife sollen unter dem heutigen Beitragssatz von 17,7 Prozent liegen, was eine Entlastung für viele Versicherte bedeuten würde.
- Wählbare Zusatzpakete: Leistungen wie der Kauf einer neuen Brille könnten künftig über solche Zusatzpakete abgesichert werden. Dies würde es den Kassen ermöglichen, passgenauere Tarife anzubieten.
- Integration von Zusatzleistungen: Eine wesentliche Neuerung wäre, dass solche Wahlleistungen erstmals direkt in die GKV integriert würden, anstatt über private Zusatzversicherungen (PKV) abgedeckt zu werden.
Unterschiede: aktuelles System vs Basis-Tarifmodell
Die Tabelle zeigt die zentralen Unterschiede zwischen dem aktuellen und dem vorgeschlagenen System.
Aktuelles GKV-System | Geplantes Basis-Tarifmodell | |
Grundprinzip | Solidargemeinschaft mit weitgehend einheitlichem Leistungskatalog [User Query]. | Basisversorgung + optionale Zusatzpakete |
Beitragssatz | Einheitlich für alle Kassen, plus kassenindividueller Zusatzbeitrag (ca. 17,7 % im Schnitt). | Günstigerer Basistarif (unter 17,7 %) + Aufpreis für Zusatzpakete |
Zusatzleistungen | Abgedeckt durch private Zusatzversicherungen außerhalb des GKV-Systems. | Werden erstmals direkt in die GKV integriert |
Patientensteuerung | Freie Arztwahl, teilweise Wahltarife mit Primärarztbindung. | Finanzielle Vorteile bei Primärarztbindung |
Beispiele für Zusatzleistungen | Beinhaltet nur Festbeträge für Zahnersatz und keine Kosten für Brillen. | Brillen, Zahnzusatzleistungen, schnellere Termine sollen dazugebucht werden können. |
Weitere Reformvorschläge und die Ausgangslage
Das geplante Modell ist eine Reaktion auf die angespannte finanzielle Situation der Krankenkassen. Für 2026 wird ein Defizit von vier Milliarden Euro prognostiziert und ein Anstieg der Beiträge in den vergangenen Jahren, was den Reformdruck erhöht.
- Primärarztmodell: Parallel zur Tarifreform soll das Primärarztmodell gestärkt werden. Versicherte, die sich verpflichten, zuerst einen Hausarzt aufzusuchen, sollen finanziell belohnt werden. Ziel ist es, unnötige Facharztbesuche zu vermeiden und die Behandlungen besser zu steuern.
- Finanzielle Schieflage: Die steigenden Kosten, bedingt durch die demografische Entwicklung, Corona-Altlasten und die Inflation, haben die Krankenkassen bereits 2025 dazu gezwungen, die Zusatzbeiträge spürbar anzuheben.
Versprechen
Am 14. Mai 2025 versprach Vizekanzler Lars Klingbeil eine Rentenreform „zügig“ anzugehen. Die Zeit läuft.
Zeit seit Abgabe des Versprechens
Offene Fragen
Der Vorschlag ist noch nicht final und stößt bereits auf Widerstand, insbesondere vom Koalitionspartner SPD.
- „Zwei-Klassen-GKV“: Kritiker befürchten, dass das Modell zu einer „Zwei-Klassen-GKV“ führen könnte. Wer es sich leisten kann, bucht Zusatzpakete und bekommt möglicherweise bessere oder schnellere Leistungen, während andere nur die Grundversorgung erhalten. Dies würde das Solidarprinzip der GKV verwässern.
- Expertenkommission: Bevor die Pläne umgesetzt werden können, müssen sie von einer Expertenkommission des Bundes geprüft werden. Ergebnisse werden für die Zeit ab 2027 erwartet.
Ob diese Pläne umgesetzt werden, hängt also stark von den politischen Verhandlungen und den Ergebnissen der Prüfung ab. In der Zwischenzeit sollen die Krankenkassen durch ein Darlehen des Steuerzahlers über 2,3 Milliarden Euro kurzfristig entlastet werden.
Was ist mit Zusatzversicherungen?
Wer genau hinschaut, begreift, dass es bei dem Vorschlag nicht nur um eine einfache Tarifreform handelt, sondern um einen Paradigmenwechsel, der die Grenze zwischen der GKV und der privaten Krankenversicherung (PKV) verwischt. Er transformiert die derzeitigen privaten Zusatzversicherungen in ein integriertes, formalisiertes System innerhalb der GKV. Folglich besteht die Gefahr, dass soziale Ungleichheiten im Gesundheitswesen weiter verfestigt werden, da Geringverdiener und chronisch Kranke möglicherweise gezwungen wären, auf essenzielle Zusatzleistungen zu verzichten, um die finanzielle Belastung zu stemmen.
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Bild: iStock | Aja Koska
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