Protestwelle in Dresden gestartet

Finanzen

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Weil von der Betriebsrente und der privaten Altersvorsorge immer weniger übrig bleibt, gehen Betroffene in dieser Woche bundesweit auf die Straße. Auftakt war am Donnerstag in Dresden, am Samstag folgen Demos in weiteren 19 Städten

Mehr als hundert Menschen folgten dem Aufruf des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten und zogen durch Dresden. Hintergrund ist die sogenannte Doppelverbeitragung. Das bedeutet, dass Rentner, die eine Betriebsrente beziehen, immer mehr belastet werden. Bis 2003 waren die Betriebsrenten nur mit dem Arbeitnehmeranteil krankenkassenpflichtig. 2004 kam der Arbeitgeberanteil dazu. Letzteres bedeutete eine Verdoppelung der Abgaben. Zusammen mit der Pflegeversicherung ist seitdem fast ein Fünftel der Betriebsrente weg, sobald diese über 155 Euro monatlich liegt. Ähnlich ergeht es auch den Menschen, die über eine Direktversicherung oder anderweitig zusätzlich für die Rente vorgesorgt haben.

Erst Dresden, dann bundesweit

Die Rot-Grüne Bundesregierung hatte sich damals zu dem Schritt entschieden, weil die Arbeitslosigkeit sehr hoch war und die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von nahezu zehn Milliarden Euro aufwies.

Die Demonstration in Dresden galt als Auftakt für zahlreiche Proteste in ganz Deutschland. Weitere Kundgebungen sind am Samstag in Halle, Kassel, Erfurt und München geplant. Reichlich 20 Millionen Menschen in Deutschland haben eine betriebliche Altersvorsorge.

Stopp der Mehrfachverbeitragung

“Bis 2003 waren die Auszahlungen aus Kapitalauszahlungen beitragsfrei und die Betriebsrenten nur mit dem Arbeitnehmeranteil beitragspflichtig. Ab Januar 2004 müssen alle Bezieher von Kapitalauszahlungen oder Betriebsrenten der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) den vollen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen.
Bei einer monatlichen Entrichtung waren diese Beträge schon in der Einzahlungsphase beitragspflichtig, so dass Betroffene hier von Dreifachverbeitragung (Einzahlungsphase Arbeitnehmerbeitrag und Auszahlungsphase Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) sprechen (echte Doppelverbeitragung). Durch diese Mehrbelastung hat die betriebliche Altersvorsorge erheblich an Attraktivität verloren. Wir fordern daher einen sofortigen Stopp der Mehrfachverbeitragung und ab sofort nur die Entrichtung des Arbeitnehmeranteils. Ohne eine finanzielle Entschädigung wird das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge nicht wiederhergestellt und ohne eine Wiederherstellung des verlorengegangenen Vertrauens bleibt die betriebliche Altersvorsorge unattraktiv!”

Entschädigung der Betroffenen

“Obwohl seit der Einführung der Beitragspflicht für Auszahlungen aus Kapitalauszahlungen, wie aus Direktversicherungsverträgen, nunmehr 14 Jahre vergangen sind, trifft die Beitragspflicht Monat für Monat noch immer unvorbereitet auf erstmalige Empfänger der Auszahlung. Bis zu der Gesetzesänderung hatten die Versicherten jahrzehntelang darauf vertrauen dürfen, dass Kapitalauszahlungen beitragsfrei sind. Basierend auf dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (aus Art. 20 Abs. 3 GG) müssen sich Bürger darauf verlassen können, dass nicht rückwirkend in ihre Rechtspositionen eingegriffen wird.

Dies gilt umso mehr, wenn einmal getroffene Dispositionen wegen zeitlicher Nähe zum Ende des Erwerbslebens nicht mehr rückgängig gemacht oder korrigiert werden können, beispielsweise eine Hypothekenabzahlung. Noch schwerer wiegt dabei der Umstand, dass bei dieser Rechtsänderung keine Übergangsregelungen galten, so dass ältere Versicherte überhaupt keine Möglichkeit hatten, die für sie unvorhersehbaren finanziellen Einbußen zu kompensieren.

Sparen wird bestraft

Im Gegensatz zu anderen Formen der betrieblichen Altersvorsorge haben Direktversicherte mehrheitlich eigenverantwortlich für ihr Alter und ihre Familien vorgesorgt und größtenteils die Beiträge aus eigenen Mitteln entrichtet. Etliche Betroffene haben ihre Beitragszahlung bereits abgeschlossen und viele zahlen derzeit ihre monatlichen Beiträge. Für diesen Betroffenenkreis fordern wir, wie oben begründet, eine unbürokratische und pauschale Entschädigung.”

Unterstützung durch sächsische Politik

Unterstützung für ihre Forderungen erhalten die Demonstranten in Sachsen parteiübergreifend. Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte auf Twitter die Bundesregierung auf, endlich zu handeln. Vom Koalitionspartner SPD hieß es in einer Mitteilung, der Fehler müsse endlich korrigiert werden. “Die gültige Praxis, wonach die Betroffenen von ihrer Rente den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil der Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen müssen, ist ungerecht”, so der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Henning Homann. Und auch die AfD-Fraktion forderte die Abschaffung der Doppelbelastung. “In Zeiten zunehmender Altersarmut ist es zwingend notwendig, diese sogenannte Doppelverbeitragung abzuschaffen. Zudem sinkt der Anreiz, in eine betriebliche Altersvorsorge zu investieren”, so der Abgeordnete André Wendt.

Unser Ziel ist – genau wie bei der gesetzlichen Rente – der halbe Krankenkassenbeitrag. Damit werden zwar nicht alle Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft, viele Betriebsrentnerinnen und –rentner aber würden deutlich entlastet. Die gute wirtschaftliche Situation eröffnet dafür neue finanzielle Spielräume. Wer die betriebliche Altersversorgung attraktiver machen will, muss jetzt handeln.

Henning Homann arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Jaja, alle wollen das Unrecht beseitigen, aber niemand macht es.

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    • Dirk Feldhinkel
      29. Oktober 2019 15:06

      Hallo Fiu Tare!

      Das ist seit vielen Jahren genau die Situation. Das wohlgemeinte Zitat von Henning Homann zeigt seine politische Denkweise: Moralische Trostpflästerchen nach Kassenlage. So werden diese Probleme nicht gelöst. Das Thema wird auf breiter Basis unterschätzt. Deshalb fliegen die Versprechen in der Politik nur so umher. Wenn es an die Umsetzung gehen soll, wissen die einfach nicht, wie das funktionieren soll, ohne Flurschaden anzurichten.

      Antworten

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Helmut Achatz

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