Wie sich die Steuern für Rentner stetig erhöhen

Finanzen

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Wenn 80-Jährige plötzlich eine Steuererklärung machen müssen, kann irgendetwas nicht stimmen – oder? Durch die Rentenerhöhungen müssen Rentner Steuern zahlen, obwohl sie vorher nicht zahlen mussten. Wie kann das sein?

2018 gab’s im Westen 3,22 Prozent mehr Rente, im Osten sogar 3,37 Prozent mehr. 2019 wird es eine Rentenerhöhung in ähnlicher Höhe geben. Damit müssen immer mehr Rentner Steuern zahlen, weil ihre Rente über dem Grundfreibetrag liegt. 2019 dürfte es wieder 50 000 Rentner treffen, die erstmals Steuern zahlen. Rentner trifft die kalte Progression gleich doppelt.

Durch das Alterseinkünftegesetz von 2005 steigt der Steueranteil für Neurentner von Jahr zu Jahr: 2005 war nur die Hälfte der Einkünfte im Alter zu versteuern, 2018 ist der zu versteuernde Anteil bereits bei 76 Prozent – und er steigert pro Jahr weiter, bis 2040 schließlich hundert Prozent zu versteuern sind.

Wie ist das mit dem Besteuerungsanteil?

Grenzen je nach VersicherungBruttolohn 2016  (Euro)Bruttolohn 2017  (Euro)
MonatJahrMonatJahr
Kranken- und Pflegeversicherung
Beitragsbemessungsgrenze4 237,5050 8504 35052 200
Versicherungspflichtgrenze 14 687,5056 2504 80057 600
Renten- und Arbeitslosenversicherung
BeitragsbemessungsgrenzeWest:  6 200West:  74 400West:  6 350West:  76 200
Ost:    5 400Ost:    64 800Ost:    5 700Ost:    68 400

Jedes Jahr höhere Steuern

Der Staat erhöht seine Steuern schleichend von Jahr zu Jahr, weil er sich ein perfides System einfielen ließ. Der steuerfreie Anteil bleibt nämlich ein Leben lang gleich, die Preise aber steigen von Jahr zu Jahr – und so müssen prozentual immer mehr Rentner Steuern zahlen. Klingt kompliziert, ist kompliziert – also der Reihe nach. Das lässt sich am besten an einem Beispiel erklären: Wer also beispielsweise 2018 in Rente geht, muss mit einem steuerpflichtigen Anteil von 76 Prozent rechnen, umgekehrt sind 24 Prozent steuerfrei. Nehmen wir an, der Rentner bekäme 1200 Euro Rente, dann ist sein zu versteuernder Anteil bei 76 Prozent oder 912 Euro, der steuerfrei Anteil bei 288 Euro. 288 Euro bleiben also bis in alle Ewigkeit steuerfrei. Klingt ja schon mal nicht schlecht. Allerdings bleibt es bei diesen 288 Euro, auch wenn die Rente steigt. Angenommen, die Rente steigt in den kommenden zehn Jahren bis auf 2000 Euro, dann beträgt der steuerfreie Anteil trotzdem nur 288 Euro. Prozentual sind 288 Euro von 2000 Euro dann aber nicht mehr 24 Prozent, sondern nur noch 14,4 Prozent. Das heißt, durch die Rentenerhöhungen kassiert der Staat immer mehr von der Rente.

2018: 288 Euro = 24 Prozent von 1200 Euro
2028: 288 Euro = 14,4 Prozent von 2000 Euro

Je höher die Rente steigt, desto weniger bleibt prozentual steuerfrei. Selbst wer zu Beginn seiner Rente unter dem Existenzminimum lag, wird künftig wegen dieser kalten Progression Steuern zahlen. 2018 waren das immerhin rund 180 000 Rentner mehr, 2019 werden es voraussichtlich weitere 50 000 Rentner sein.

Schleichende Enteignung durch den Staat

Damit nicht genug, der Staat kassiert die Rentner auch über die Inflation ab – und das funktioniert so: Der Grundfreibetrag (Existenzminimum) steigt in der Regel um zwei Prozent. So stieg der Grundfreibetrag von 2017 auf 2018 von 8820 Euro (Single) auf 9000 Euro. Das sind zwei Prozent. Die Inflation im November lag bei 2,4 Prozent, im Oktober bei 2,5 Prozent und im September bei 2,3 Prozent. Wenn aber die Inflation über der Erhöhung des Grundfreibetrags liegt, wird ein Teil, zugegeben, ein kleiner Teil des Existenzminimums besteuert. Dazu kommt, dass häufig die für Rentner relevanten Preise besonders steigen. Im November 2018 waren das laut Statistischem Bundesamt Zwiebeln (plus 41 Prozent), Heizöl (plus 41 Prozent), Gurken (plus 39 Prozent), Kartoffeln (plus 27 Prozent).

Viele auf Grundsicherung angewiesen

Noch ein Wort zum Grundfreibetrag: 16 von den 21 Millionen Rentnern bleiben unter dem Grundfreibetrag von zurzeit 750 Euro (9000 ./. 12) monatlich liegen. Sie sind damit theoretisch auf Grundsicherung angewiesen. Eine halbe Millionen beziehen Grundsicherung, Anspruch haben bestimmt weit mehr, aber viele schämen sich, zum Amt zu gehen.

Zahl der Grundsicherungsbezieher gestiegen

Ranking
Land20172016GesamtindexAngemessenheitNachhaltigkeitIntegrität
Dänemark1/301/27 78.976.5 79.881.3
Niederlande2/302/2778.878.073.587.5
Australien3/30 3/2777.175.373.085.7
Norwegen4/30-74.777.061.090.3
Finnland5/304/2772.370.261.391.0
Schweden6/305/2772.067.771.080.3
Singapur7/307/2769.465.266.280.7
Schweiz8/306/2767.660.264.783.3
Neuseeland9/30-67.466.261.577.8
Chile10/308/2767.358.069.179.7
Kanada11/308/2766.869.955.477.7
Irland12/3010/2765.8 77.943.977.2
Deutschland13/3012/2763.576.576.5 40.9
Frankreich16/3013/2759.680.438.655.8
Österreich21/3018/27 53.167.619.9 76.4
Durchschnitt59.960.950.871.2

Denn, so eine Faustregel der Rentenversicherung, wer weniger als monatlichen 838 Euro hat, sollte einmal durchrechnen, ob er Grundsicherung bekommen könnte. Die Grundsicherung wird unabhängig davon gezahlt, ob jemand bereits eine Altersrente oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bekommt.

Das Sonderheft „Rente 2019“ von „Plus“ hat einmal durchgerechnet, wie ein Rentner, der 2013 in Rente ging und zu Rentenbeginn keine Steuern zahlte, schon drei Jahre später steuerpflichtig wird.

Hier die Rechnung (in verkürzter Form):

Ein Rentner geht 2013 mit 1080 Euro in Rente

Berechnung Freibetrag
Rente pro Jahr (12 x 108o)            = 12 960 Euro
– steuerpflichtiger Anteil 66 %        =   8 554 Euro
—————————————————————–
Steuerfreibetrag                                  4 406 Euro

2013
Rente pro Jahr (12 x 1080)            = 12 960 Euro
– Freibetrag                                     =  4 406 Euro
——————————————————————
zu versteuern                                      8 554 Euro
Grundfreibetrag 2013                          8 130 Euro

Der Rentner liegt über dem Grundfreibetrag, praktisch muss er keine Steuern zahlen dank sonstiger Freibeträge, Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschale.

2016 (Rentenerhöhung 5,95 %, plus Erhöhungen Vorjahre)

Rente pro Jahr (12 x 1202,53)         = 14 430,36 Euro
Freibetrag                                         =  4 406,00 Euro
———————————————————————-
zu versteuern                                      10 024,36 Euro
Grundfreibetrag 2016                           8 652,00 Euro

Der Rentner liegt 1372 Euro über dem Grundfreibetrag und zahlt erstmals Steuern.

2017 (Rentenerhöhung 3,59 %)
Rente pro Jahr (12 x 1245,70)         = 14 948,40 Euro
Freibetrag                                         =   4 406,00 Euro
———————————————————————–
zu versteuern                                       10 542,40 Euro
Grundfreibetrag 2017                             8 820,00 Euro

Der Rentner liegt 1722,40 Euro über dem Grundfreibetrag und muss seine Rente sicher versteuern.

2018 (Rentenerhöhung 3,37 %)
Rente pro Jahr (12 x 1287,68)         = 15 452,16 Euro
Freibetrag                                         =  4 406,00 Euro
———————————————————————-
zu versteuern                                       11 046,16 Euro
Grundfreibetrag 2018                             9 000,00 Euro

Der Rentner liegt 2046,16 Euro über dem Grundfreibetrag und muss noch mehr Steuern zahlen als 2017.

Hohe Kapitalerträge Niedrige Kapitalerträge Gesamtkosten Ertragsminderung Gesamtkosten Ertragsminderung Schwedische Rentenagentur AP7 Såfa 6,4 % 0,17 % 5,6 % 0,15 % Union Investment UniProfiRente 31,3 % 0,97 % 27,8 % 0,83 % Deka Investment-fonds Deka-ZukunftsPlan Select 33,7 % 1,07 % 30,1 % 0,91 % DWS DWS RiesterRente Premium 41,0 % 1,36 % 34,0 % 1,06 %
Hohe Kapitalerträge*Niedrige Kapitalerträge*
AnbieterProduktGesamtkostenErtragsminderungGesamtkostenErtragsminderung
Schwedische RentenagenturAP7 Såfa6.40.175.60.15
Union InvestmentUniProRente31.30.9727.80.83
Deka InvestmentDekaZukunftPlan S. 33.71.0730.10.91
DWS DWS RiesterRente Prem.411.36341.06
*in ProzentQuelle: BMAS

Höhere Pauschbeträge gefordert

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der Staat Rentner systematisch steuerlich höher belastet. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) fordert deswegen, dass „zum einen der steuerliche Anteil der Rente langsamer steigen sollte und Rentenerhöhungen nicht zu 100 Prozent versteuert werden“. Auch die Beträge, die Senioren bei der Steuer abziehen dürfen, müssen dem BdSt zufolge überprüft werden. So liege der Werbungskosten-Pauschbetrag beispielsweise seit dem Jahr 1954 unverändert bei 102 Euro pro Jahr. Ein wichtiger Lösungsansatz liege auch bei der Einkommensteuererklärung selbst – denn anders als bei Arbeitnehmern bieten die Finanzämter für Rentner keine vereinfachte Steuererklärung an. Eine Reform ist überfällig.

Das heißt, Rentner müssen sich noch viel stärker als in der Vergangenheit mit dem Thema Steuern auseinandersetzen und jede legale Möglichkeit nutzen, Steuern zu sparen. Das heißt, Belege zu sammeln und sich schlau zu machen, was sich alles absetzen lässt. Steuern sparen ist keine Kunst, sondern eher Fleißarbeit, die sich aber lohnt.

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9 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Vielen Dank für die Erklärung. Endlich habe ich das verstanden. Bin ja auch erst seit einem guten Jahr Rentner. Unglaublich, was der Staat sich da ausgedacht hat. Und ich dachte immer, nur die Doppelverbeitragung sei eine Sauerei. Einfach unglaublich. Mein Vertrauen in die Politiker ist eh schon gestört, aber das setzt dem Fass die Krone mitten ins Gesicht. Ich bin fassungslos.

    Antworten
  • Frage an den Bundestagsabgeordneten:“Warum muessen Rentner Steuern zahlen? Antwort:Auch wir Angeordneten muessen im Ruhestand Steuern zahlen und vergessen Sie bitte nicht die \Millionen von hart arbeitenden Beamten die schon immer Steuern fuer ihre Pensionen bezahlen mussten.“

    Antworten
  • Herbert Wendland
    14. Dezember 2018 17:46

    Wer sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hat, wird im Alter noch dafür bestraft. Dabei haben wir im Gegensatz zu den „Staatsdienern keinerlei Unterstützung bekommen. Ist das gelebte Solidarität? Der Staat ist die gesamte Bevölkerung!

    Antworten
  • Zur zunehmender Besteuerung der Renten und der Doppelbesteuerung und wie das Alterseinkünftgesetz mit Trickserei zustande kam, sei auf die Seite hingewiesen: https://altersarmut-per-gesetz.de/ dort wird auch eine Klagebegründung zur Verfügung gestellt.
    Man sollte annehmen, dass gleiches Einkommen zu gleicher Steuer führt. Da ist allerdings bei Renten und Pensionen nicht der Fall – so wie es das BVerfG und die Sachverständigenkommission rechnen:
    Keine der vier Tabellen, die das BVerfG seiner Entscheidung zugrunde legt, enthält ausschließlich real mögliche Werte von Renten, Pensionen und Zusatzeinkommen.
    Die Höhe der vom Gericht unterstellten Renten ist in drei von vier Fällen bzw. Tabellen nach den vom Gericht benutzten Quellen nicht zu erreichen.
    Die vom Gericht angenommenen Pensionen sind in zwei von vier Fällen bzw. Tabellen unmöglich, da sie niedriger sind, als die vorgeschriebene Mindestversorgung.
    Das vom Gericht unterstellte zu versteuernde Zusatzeinkommen von Rentnern ist rund viermal höher als in der gerichtlich zugrunde gelegten Quelle.
    usw. usw. usw.
    erstens beruht die Besteuerung der Renten aus der GRV auf falschen Zahlen. Zweitens haben Pflichtversicherte und Rentner erhebliche steuerliche Nachteile gegenüber Beamten und Pensionären, die zur Zeit noch keine Berücksichtigung finden.

    Der Beschwerdeführer war ein Leitender Oberstaatsanwalt der jahrelang beim Finanzgericht Münster Einsprüche eingelegt hatte. Das Finanzgericht Münster ist zuständig für die Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster. In seinem denkwürdigen Urteil (Frechheit: steuerrechtsimmanente Betrachtungsweise, RZ 176) schreibt das BVerfG falsch ab und ignoriert den Inhalt von zwei gerichtseigenen Quellen. Es werden Rentenhöhen zugrunde gelegt, die es nicht gibt und nicht geben kann, ebenso Ruhestandsgehälter so gering, die es auch nicht gibt. Das stört das BVerfG nicht. Es gibt Quellen an, zitiert aber die Texte falsch. So zitiert das Gericht angeblich aus einer Bundestagsdrucksache. Nur, da steht drin, dass es solch hohe Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gibt. Die vom BVerfG angegeben Pensionen sind auch teilweise falsch und die zu versteuernden Zusatzeinkommen ebenso.
    Das hat aber wohl niemanden gestört. Auch nicht die Sachverständigenkommission.

    Antworten
  • […] hat es überhaupt mit der Doppelbesteuerung auf sich? „Nach dem Alterseinkünftegesetz wird Rente seit 2005 teilweise besteuert; der Anteil steigt jährlich; 2040 liegt er bei 100 […]

    Antworten
  • […] hat es überhaupt mit der Doppelbesteuerung auf sich? „Nach dem Alterseinkünftegesetz wird Rente seit 2005 teilweise besteuert; der Anteil steigt jährlich; 2040 liegt er bei 100 […]

    Antworten
  • […] hat es überhaupt mit der Doppelbesteuerung auf sich? „Nach dem Alterseinkünftegesetz wird Rente seit 2005 teilweise besteuert; der Anteil steigt jährlich; 2040 liegt er bei 100 […]

    Antworten
  • […] hat es überhaupt mit der Doppelbesteuerung auf sich? „Nach dem Alterseinkünftegesetz wird Rente seit 2005 teilweise besteuert; der Anteil steigt jährlich; 2040 liegt er bei 100 […]

    Antworten
  • […] werden doppelt besteuert: in der Einzahl- und Auszahlphase. Der Mechanismus dahinter: „Nach dem Alterseinkünftegesetz wird Rente seit 2005 teilweise besteuert; der Anteil steigt jährlich; 2040 liegt er bei 100 […]

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