Zum Rentenbeginn neu orientieren und zu sich selbst finden

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Zum Rentenbeginn neu orientieren und zu sich selbst finden – gar nicht so einfach. Ob Amtmann, Staatssekretär, Legationsrat, Chief Financial Officer oder Abteilungsleiter – wer mal einen Titel besessen hat, tut sich schwer los zu lassen, wenn er in Rente geht oder in Pension geschickt wird.

„Ich war mal …“ zählt nicht mehr. Was war, das war – und ist nicht mehr. Es nützt auch nichts, auf die Visitenkarte „a.D.“ zu schreiben. Das sieht wie „Nachtarocken“ aus, sprich einen Stand der Dinge aus Trotz nicht zu akzeptieren. Das ist der Versuch, die eigene Bedeutung herauszustreichen, beim Gegenüber Respekt zu erheischen und sich selbst seiner eigenen Wichtigkeit zu versichern.

Sich auf sich selbst einlassen

Was heißt „neu orientieren“? Natürlich zählt die Lebensleistung, keine Frage – aber davon noch Jahre oder Jahrzehnte zu zehren? Das Geleistete gehört der Vergangenheit an. Es ist sicher auch amüsant, von Erlebtem zu erzählen und eine lustige Anekdote anzubringen. Eingestreut mag das Aufmerksamkeit bringen, auf Dauer ödet es jedoch an. Manche Alphatierchen können ihre Bedeutungslosigkeit in der Rente oder Pension nur schwer ertragen. Es gibt nicht wenige, die sich in den Alkohol flüchten oder zum Couch-Potatoe werden oder sich in Hausdespoten verwandeln. Nicht von ungefähr fürchten Ehefrauen den Rentenbeginn ihrer Männer.

Es geht also darum, sich am besten schon vor Rentenbeginn selbst zu erkunden, sich auf die eigene Persönlichkeit einzulassen, denn, nur sie nehmen wir mit in die Rente oder Pension „Das, was Sie aus sich selbst in dieser langen Zeit Ihres Berufslebens gemacht haben, unabhängig vom Nimbus und Status ihrer ehemaligen Position“, wie es Herb Stumpf, Autor des Buchs „Wenn das Wochenende 7 Tage hat“  so schön formuliert.

Vor Rentenbeginn auf die Rente einstimmen

Schlimm, wer erst bei Rentenbeginn anfängt, sich auf sich selbst zu besinnen. Diese Arbeit fängt lange vor Rentenbeginn an. Jeder in dieser Lage sollte sich fragen, „was interessiert mich wirklich?“, „was ist in meinem Leben zu kurz gekommen?“, „welche Träume blieben unerfüllt?“, „welche Freunde habe ich vernachlässigt – oder die Familie?“. In dieser Phase des Lebens geht es um das Immaterielle, um Selbstwert, soziale Bindungen, Charakter, Ethik und letztlich um den Sinn des Lebens. Dieser Frage kann keiner ausweichen. Jeder muss, ob er will oder nicht, sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Entberuflichung bietet Chancen und Risiken

Der Abschied aus dem Beruf bietet Chancen, aber auch Risiken. Es gehe darum, so Wolfgang Schiele, Coach für Menschen vor und im Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand, sich umzuprogrammieren, Position zu beziehen, etwas Neues anzufangen und das Alte hinter sich zu lassen. Der Abschnitt, der Ruheständler noch bleibt, ist länger als viele vermuten – wenn es gut geht, sind es 20 Jahre oder sogar mehr. Das ist der gleiche Zeitraum wie von der Geburt bis zum Ende der Schulzeit. Es geht auch darum, Erfahrungen weiterzugeben, egal, ob zum Ende des Berufslebens oder in der Rente.

Was wirklich zählt

Ruheständler „können sich auf das besinnen, was wirklich zählt“, so Stumpf. Das ist alles andere als einfach. Wer sich von seinem Berufsleben verabschiedet, muss sich zwangläufig neu orientieren. Denn, so Stumpf, es gerate ein ganz erheblicher Wert ins Wanken, ein wesentlicher Teil der eigenen Identität. Der Beruf hat jedem von uns eine Menge gegeben, auch wenn wir vielleicht manchmal die Tretmühle verfluchten. Das war nicht nur das Geld, sondern auch das Prestige, die finanzielle Sicherheit, die Kommunikation mit den Kollegen, das Gefühl gebraucht zu werden und etwas zu gelten. Das alles kollabiere mit dem Eintritt in den Ruhestand. Dafür müssen andere Werte in den Vordergrund treten. „Die buchstäbliche Neubewertu9ng all dessen, was bisher wertvoll und wichtig erschien, ist also unvermeidlich“, so Stumpf. Da sei doch gleich an den Song von Reinhard Mey „Über den Wolken“ erinnert. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein/ Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen und dann/ Würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ Das passt wunderbar für diese Lage.

Genießt die Freiheit

Jeder habe die Wahl zu sagen „Ich darf nicht mehr mitspielen“ oder „Ich muss mich nicht mehr plagen“, beschreibt Stumpf den Wegscheid. Deswegen plädiert er für die zweite Variante. Ruheständler haben „bei positiver Sichtweise eine weitaus breitere Anzahl von Möglichkeiten, weil sie nämlich Zeit haben, die sie vorher nicht hatten“.

Also, genießt diese Freiheit und nutzt eure Möglichkeiten! „Jeder Tag könnte also ein Sonntag sein – wenn man will und sich dies geistig zugesteht“, postuliert Stumpf.

 

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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ein sehr schöner Artikel. Liebe Grüße von Katrin (Weiberleben)

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  • Hört sich schon toll an mit den Titeln die es bei den Beamten gibt. Österreich ist führend. Aber die Deutschen sollten nicht zu bescheiden sein. Ich habe mir unlängst eine Visitenkarte drucken lassen. Darauf steht Rentner und Bauarbeiter i.R. Mein Nachbar war Beamter. Das ist eine hoheitsrechtliche Aufgabe. Er hat im Knast Gefangene beaufsichtigt. Da nimmt man den Titel mit und deshalb ist mein Nachbar jetzt Pensionär und Justizvollzugshauptsekretär a.D. Der Gerhard Schröder ist jetzt Gazprom Vorstand und auch Bundeskanzler a.D. Ich habe auch zwei Schwestern. Beide haben Pädagogik studiert. Die eine war an einer privaten Eliteschule beschäftigt und ist jetzt Lehrerin i.R. Die andere war an einem staatlichen Gymnasium beschäftigt. Sie ist jetzt Studienrätin a.D. Es ist wichtig zu wissen wenn in Deutschland zwei Leute die gleiche Tätigkeit ausüben ist es nicht das Gleiche. Da habe ich mal eben an den Mann mit der Waffe gedacht. Wenn dieser Mann einen Menschen erschiesst ist er Mörder. Wenn er dieses jedoch im Auftrag des Staates macht und dabei eine Uniform trägt ist er Soldat.

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  • Sehr schön zu lesen. Nur die „echten“ Titel haben Bestand, auch ohne a.D. (Doktor, Professor). Die Neigung des Menschen, etwas Besseres als andere zu sein, hat leider auch Bestand. Eine Hausfrau, Mutter – auch bekannt als Familienmanagerin – hatte ihr Leben lang keinen Titel, braucht also auch den Verlust desselbigen nicht zu fürchten.

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  • […] unterschätzen den Übergangsschock vom Berufsleben in die Ruhestandsphase: Er tritt nämlich abrupt, von einem Tag auf den anderen, ein. Wir, soeben noch mit dem Beruf […]

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  • […] oder abwracken? Wer seinen Ruhestand nicht aktiv gestaltet, muss sich nicht wundern, wenn er versauert. Diesen Ruhestand zu gestalten, das ist die […]

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  • Eine Neugestaltung im Ruhestand wird häufig nicht nur von festgefahrenen Ritual en erschwert, sondern dadurch, wie die Rente ausfällt, häufig noch immer bei Frauen, die betagten werden konkret von jeglicher Lebensverbesserung ausgeschlossen. Denn Kindererziehung und Renten von 500 oder 600€ lassen das alles nicht zu. Und es wird häufig so gealtert wie gelebt.

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Helmut Achatz

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