Griechen und Geld

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Vielleicht gehört es ja nicht ganz hierher, aber die Griechenlandkrise beeinflusst eben auch unsere Finanzen. Durch das schamlose Gelddrucken der Europäischen Zentralbank (EZB) wird der Wert des Euro verwässert – und das betrifft eben auch unsere Altersvorsorge. Insofern hat Griechenland doch etwas mit dem Ruhestand zu tun. Hans-Werner Sinn hat in der Schweizer Finanzzeitung „Finanz und Wirtschaft“ einen aufschlussreichen Kommentar geschrieben, der das Agieren griechischer Politiker, sprich des Finanzministers Yanis Varoufakis und des Regierungschefs Alexis Tsipras beleuchtet und deren Spieltheorie aufdröselt. Wirklich lesenswert.

Sinn zufolge arbeitet der griechische Finanzminister Varoufakis arbeitet an Plan B, dem Grexit, während Regierungschef Tsipras sich für Plan A (dem Verbleich in der Euro-Zone) zur Verfügung stellt. Das Rollenspiel gehört zur Strategie“, so Sinn.

Der „Spiegel“ mutmaßte schon Mitte Februar, dass es sich um „eine Art Mutprobe“. Die Spieltheoretiker beschreiben das, was da schon seit Monate zwischen Griechenland und seinen Geldgebern abgeht, „Chicken Game“, Feiglingsspiel. „Und es sieht so aus, als wollten Griechenland und der Rest der Eurozone gerade demonstrieren, wie dieses Spiel in der knallharten Realität aussieht – Zusammenstoß ausdrücklich eingeschlossen“, so der „Spiegel“. In den USA war dieses Chicken Game mal beliebt: Da rasen zwei Autos aufeinander zu, wer dann „feige“ ausweicht, hat verloren. Dumm nur, wenn keiner ausweicht – die Folge dürfte jedem klar sein.

Alles läuft einen Grexit hinaus

Zurück zu Sinn: „Spieltheoretiker wissen, dass sie auch den Plan B durchdenken müssen, denn er ist der Drohpunkt, von dem das Verhandlungsergebnis für Plan A massgeblich abhängt“, so Sinn – und genau das sei Varoufakis‘ Aufgaben. Tsipras hingegen stehe offiziell für Plan A. Es sieht so aus, dass alles auf Plan B hinausläuft, sprich dem Austritt aus dem Euro – und dieser Austritt muss vorbereitet werden auf zwei Ebenen. „Zum einen muss man provozieren, um die eigene Bevölkerung für den Fall eines Austritts zu emotionalisieren; ohne die Eskalation des Streits wäre das griechische Volk nicht bereit, der Regierung während der schwierigen Zeit nach dem Austritt die Treue zu halten.“

Die zweite Ansatzpunkt ist die Kostenfrage: Es gelte, die Kosten des Plans B für die Gegenseite in die Höhe zu treiben. „Das tut die griechische Regierung, indem sie ihren Bürgern die Kapitalflucht erlaubt. Sie könnte die Flucht eindämmen, wenn sie sich konziliant zeigen würde, und sie könnte sie mit Kapitalverkehrskontrollen sofort unterbinden. Aber das würde ihren Drohpunkt verschlechtern“, folgert Sinn.

Milliarden von der EZB

Zur Erinnerung, das griechische Banksystem funktioniert zurzeit nur deshalb, weil die EZB griechische Banken massiv mit Notfallkrediten unterstützt, ohne diese Geld aus Frankfurt wäre das System schon längst zusammengebrochen. Und dabei geht es um gewaltigen Summen: Die EZB hat gerade wieder ihre Notfallkredite um 500 Millionen Euros erhöht – zu den bereits 80,2 Milliarden, die EZB-Chef Mario Draghi bislang schon genehmigte. Das ist Fiat-Geld, Geld aus dem Nichts, denn die griechischen Banken werden dieses Geld nie und nimmer zurückzahlen.

Zurück zu Sinn: Was machen die Griechen? Sie heben das Geld ab, das via EZB und Griechenlands Banken ins Land kommen. Privates Geld werde gegen öffentlichs Kapital getauscht. „Griechische Bürger leihen sich bei ihren Banken Geld, das im Wesentlichen durch ELA ­Notfallkredite (Emergency Liquidity Assistance der Europäischen Zentralbank) der griechischen Notenbank gegenfinanziert wird“, konstatiert Sinn. „Dann überweisen sie das Geld ins Ausland, was die Banken der Liquidität beraubt“, beschreibt Sinn das Verhalten der Griechen. Die Überweisung zwinge die Notenbanken der anderen Länder, neues Geld zu schaffen und griechischen Bürgern zur Verfügung zu stellen. Das Perfide an diesem Gebahren: „Damit geben diese Notenbanken der griechischen Notenbank einen Überziehungskredit, wie er durch die sogenannten Target­Salden gemessen wird“, erläutert Sinn. Trete Griechenland aus dem Euro aus, „so haben die griechischen Kapitalflüchtlinge ihr Vermögen im Ausland in Sicherheit gebracht, während die ausländischen Notenbanken auf ihren EuroTarget­Forderungen gegenüber der griechischen Notenbank sitzen bleiben“. Die Ethnikí Trápeza tis Elládos, wie die griechische Nationalbank heißt, sei dann nämlich bankrott, weil ihre Aktiva auf abgewertete Drachmen lauten und der griechische Staat weder haften muss noch haften kann“, konkretisiert Sinn.

 

Chicken Game als Muster

Varoufakis und Tsipras beherrschen das Chicken Game perfekt. Sie spielen auf Zeit, halte die Geldgeber hin und verbessern so ihre Position. Die Geldgeber ärgern sich, lassen sich aber von den Beiden so behandeln.

Ein großer Teil der Notfallkredite in Euro wird, wenn das Land dann doch bankrott ist, vor dem Umtausch in Drachmen geschützt, da das Geld bereits im Ausland ist oder unter griechischen Matratzen liegt – und dabei geht es um zig Milliarden. „Bei einem Austritt wird viel von diesem Geld für den Kauf von Gütern und Wertobjekten sowie für die Schuldentilgung in den Rest der Eurozone fließen und insofern zu einem realen Verlust für die Staatengemeinschaft werden“, mahnt Sinn.

Sinn sieht die EZB als Erfüllungsgehilfen der Griechen, denn „ermöglicht wurde diese Verbesserung des griechischen Drohpunktes durch die EZB, denn die Zweidrittelmehrheit im EZB­Rat, die für eine Begrenzung der ELA­Notfallkredite nötig gewesen wäre, kam nie zustande, obwohl diese Kredite mit einem Gesamtvolumen von etwa 80 Milliarden Euro (mittlerweile sogar 80,7) die Haftungsmasse der griechischen Notenbank, die bei etwa 41 Milliarden Euro liegt, schon lange überschritten haben“, geißelt er dieses Verhalten. Ohne Notfallkredite wären griechische Banken schon längst pleite.

Merkel als Schutzherrin des Euro

Wann ist endlich Schluss mit dem Unsinn? So lange die Kanzlerin Angela Merkel aber die Griechen partout im Euro halten will, geht das Spielchen weiter – und die EZB spielt da mit, obwohl sie angesichts der Situation in Griechenland schon längst hätte den Hahn zudrehen müssen.

Es sei an ihre Rede im Dezember 2010 erinnert: „Niemand in Europa wird allein gelassen oder fallen gelassen“.

dann im Juni 2011: „Die Europäische Union und der Euro sind Deutschland ein Herzensanliegen“

„Zieht die EZB die Reissleine, wird Bewegung in die Verhandlungen kommen, weil die griechische Regierung ihren
Drohpunkt durch Abwarten nicht mehr verbessern kann“, schließt Sinn. Das mache aber nichts, denn auch so sei es ihr bereits gelungen, eine sehr gute Verhandlungsposition aufzubauen. „Dank der Unterstützung durch die EZB wird sie eine Kombination aus Hilfsgeldern und einem Verzicht auf Reformauflagen erstreiten können, die wesentlich günstiger für sie ist als alles, was sie zu einem früheren Zeitpunkt hätte erreichen können“, kritisiert Sinn. Bei einem Grexit steht Griechenland gar nicht so schlecht da, denn das Land „hat sie mit den Nettoüberweisungen von 99 Milliarden Euro (und es dürfte mittlerweile sogar noch mehr sein) ins Ausland und dem Eurobargeld in Höhe von 43 Milliarden Euro, zusammen immerhin 79 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2014, die maximal mögliche Erstausstattung für den Übergang in das Drachmeregime herausgeholt“.

Das Chicken Game hat sich für Tsipras und Varoufakis gelohnt – finanziell und politisch.

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Helmut Achatz

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