Staat erleichtert Rentner um 830 Millionen Euro

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Mit der einen Hand gibt der Staat, mit der anderen nimmt er. Das ist der Fall bei Rentenerhöhungen. Da die Renten 2016 im Westen um 4,25 Prozent, im Osten um 5,95 Prozent stiegen, werden viele Rentner erstmals Steuern zahlen müssen, andere Rentner höhere Steuern. Der Staat erleichtert Rentner insgesamt um 830 Millionen Euro.

Zum 1. Juli 2017 sind die Renten im Osten um 3,59 Prozente gestiegen, im Westen um 1,9 Prozent. Das Bundesfinanzministeriums schätzt, dass es in diesem Jahr durch die Rentenanhebung rund 4,25 Millionen Steuerpflichtige mit Rentenbezug geben wird. Zum 1. Juli 2018 werden die Renten weiter steigen: im Westen um voraussichtlich 3,09 Prozent und im Osten um 3,23 Prozent, so zumindest steht es im Rentenversicherungsbericht 2017 der Bundesregierung. Also dürfte der Staat noch mehr von den Rentnern einnehmen.

Staat erleichtert Rentner um 830 Millionen

Ohne groß nachzudenken, haben viele Online-Portale den Wortlaut der Nachrichtenagentur dpa einfach übernommen, die von „spülen“ schreibt – „Rentenerhöhung spült 625 Millionen Euro in Staatskasse“, wie „Spiegel Online“ schreibt. Staat erleichtert Rentner – das trifft es doch eher. Denn „spülen“ das klingt so, als ob sich alle über den Zugriff des Staats freuen sollten, ziemlich euphemistisch. Das Online-Portal „Steuerratschlag“ spricht von Abzocke. Es gebe wohl weltweit nur einen Staat, in dem Journalisten so blöd seien, Steuererhöhungen für die eigenen Bürger auch noch zu bejubeln.  Dieser Eindruck drängt sich bei dem Wort „spülen“ automatisch auf. Schlimmer allerdings ist, dass viele Medien das einfach unkritisch übernommen haben, darunter neben „Spiegel Online“, „ZEIT Online“, die „Badische Zeitung“ und das „Handelsblatt“, wie jeder selbst schnell bei Google nachchecken kann. Also von „spülen“ kann keine Rede sein. Vielmehr zwackt der Staat seinen Bürgern immer Geld ab. Insofern ist das „Staat erleichtert Rentner“ noch viel zu harmlos.

Viele Rentner jetzt steuerpflichtig

Der Fiskus freut sich, denn dadurch werden Steuertipps.de zufolge allein 2017 mehr als 40 000 Rentner steuerpflichtig und müssen im kommenden Jahr eine Steuererklärung abgeben. Für das Jahr 2017 könnte nach Rechnung von „Neues Deutschland“ durch die Rentenerhöhung zu Steuermehreinnahmen von bis zu 205 Millionen Euro kommen. 2016 und 2017 zusammen genommen, schröpft der Staat die Rentner um 830 Millionen Euro.

Rentenerhöhungen seit 2000

20062016
Deutsche gesamtAltersgrenze und älter364535525595
davon
bis 70138063184120
70 bis 7589110123549
75 und älter137362217926
männlichAltersgrenze bis 70119821216869
davon
bis 705693988469
70 bis 753307454886
75 und älter2980873514
weiblichAltersgrenze und älter244714308726
davon
Altersgrenze bis 708112495651
70 bis 755603668663
75 und älter107554144412
AusländergesamtAltersgrenze und älter74247130323
davon
Altersgrenze bis 703155945121
70 und älter4268885202

Steuern und Krankenversicherung

Dabei ist das nur die halbe Wahrheit, denn von der Brutto-Rente gehen ja nicht nur Steuern weg, sondern auch Sozialabgaben, sprich Kranken- und Pflegeversicherung, die sich auf die Höhe der Rente beziehen. Das heißt, den Rentnern wird noch weit mehr als die 830 Millionen Euro abgezogen. Staat erleichtert Rentner – dazu gehört auch die Sozialversicherung.

Zur Erinnerung, eingeführt wurde die Rentenbesteuerung 2005 von einer Rot-Grünen-Regierung unter Gerhard Schröder. „Ausgehend von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2002 wurde die Besteuerung der Altersbezüge durch das Alterseinkünftegesetz seit 2005 neu geregelt“, heißt es auf der Seite des Bundesfinanzministeriums. Seit 2005 werden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteuert: Das Perfide daran, das Gesetz wurde rückwirkend auch für bereits bestehende Renten angewandt. Denn, auch wer schon früher als 2005 eine Rente bezog und weiter bezieht, zahlt Steuern – und zwar muss er sie zu 50 Prozent versteuern. Seit dem steigt der zu versteuernde Anteil jedes Jahr um zwei Prozent, so dass, wer 2017 in Rente geht, dessen steuerpflichtiger Rentenanteil liegt bei 74 Prozent, 2018 sind es 76 Prozent und 2040 dann hundert Prozent. Staat erleichtert Rentner – und zwar doppelt, denn durch die sukzessive Einführung kommt es zur Doppelbesteuerung, gegen die bereits geklagt wird.

Existenzminimum bleibt steuerfrei

Steuerfrei bleibt das Existenzminimum, der Grundfreibetrag in Höhe von 8652 Euro. Das entspricht monatlich 721 Euro. Für 2017 liegt der steuerliche Freibetrag bei 8820 Euro für Alleinstehende und bei 17 640 Euro für Ehepaare. Für 2018 steigt es auf 9000 Euro. Nur mal so zum Rechnen: 8820 Euro steuerfrei sind auf den Monat umgerechnet 735 Euro. Die Steuer richtet sich allerdings nicht nur nach der gesetzlichen Renten, sondern nach den Gesamteinkünften – und dazu können auch Mieteinnahmen, Einnahme aus selbstständiger Tätigkeit gehören. Es lohnt sich auf alle Fälle, Belege zu sammeln und alles gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen.

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8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • „Mit der einen Hand gibt der Staat, mit der anderen nimmt er.“
    Das ist nicht ganz das, was geschieht.
    Mit der einen Hand verteilt er Geld aus der Rentenkasse der Beschäftigten und mit der anderen kassiert er es von den Rentnern als Steueraufkommen und für den Gesundheitsfonds.
    Das ist zwar nicht so ‚griffig‘ ausgedrückt, sollte aber immer im Hinterkopf bleiben.

    Herzliche Grüße
    Wolfgang Domeier

    Antworten
  • Warum werden Renten eigentlich zunehmend besteuert? Wie ist das jetzt gültige Alterseinkünftegesetz zustande gekommen? Mit allen Mitteln sollte die gesetzl. Rente so gering werden, dass immer mehr Menschen gezwungen werden sollten, privat vorsorgen zu müssen. Nicht nur mit der Teilprivatisierung über die Riesterrente und den damit einehrgehenden rentenkürzenden Faktoren, sondern eben auch mit der Besteuerung niedriger Renten:
    Zitat aus dem (Maschmeyer-) Artikel zum Buch „Macht Geld Politik“ im STERN vom 13.11.14:
    . . . „Im Jahr 2005 lief die Steuerbefreiung für neu abgeschlossene Lebensversicherungen aus.
    Das dämpfte das Geschäft des AWD. Mit der Vermittlung der Policen hatte der Finanzbetrieb immer gut Kasse gemacht. Doch mit dem 1. Januar 2005 trat auch das neue Alterseinkünftegesetz in Kraft. Dahinter verbarg sich nichts anderes als die von Maschmeyer ersehnte „Reform der Reform“. Der AWD-Chef konnte höchst zufrieden auf das neue Gesetz schauen. . . . .
    „Und der Boss stimmte seine Leute ein, etwa in einem Editorial für die AWD-Mitarbeiterzeitung: „Die Silvesternacht ist vorbei, willkommen in 2005! (…)
    Ab Januar 2005 tritt das neue Alterseinkünftegesetz http://altersarmut-per-gesetz.de/ in Kraft. So Traurig es eigentlich ist, dass die größte Kürzung der gesetzlichen Rentenversicherung statt findet, wir haben hervorragende Arbeitsbedingungen. (…) Das ist eine Riesenchance, denn im Schnitt werden den Menschen 1000 Euro Rente fehlen.“ Der AWD-Chef frohlockte: „Wie heißt es so schön, des einen Leid, ist des anderen Freud.“
    Da passte es doch, dass ein Staatsanwalt sich gegenüber Rentnern als Pensionär benachteiligt fühlte und für sich Vorteile herausholen wollte. Der Beschwerdeführer war ein Leitender Oberstaatsanwalt der jahrelang beim Finanzgericht Münster Einsprüche eingelegt hatte. Das Finanzgericht Münster ist zuständig für die Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster. In seinem denkwürdigen Urteil (Frechheit: steuerrechtsimmanente Betrachtungsweise, RZ 176) schreibt das BVerfG falsch ab und ignoriert den Inhalt von zwei gerichtseigenen Quellen. Es werden Rentenhöhen zugrunde gelegt, die es nicht gibt und nicht geben kann, ebenso Ruhestandsgehälter so gering, die es auch nicht gibt. Das stört das BVerfG nicht. Es gibt Quellen an, zitiert aber die Texte falsch. So zitiert das Gericht angeblich aus einer Bundestagsdrucksache. Nur, da steht drin, dass es solch hohe Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gibt. Die vom BVerfG angegeben Pensionen sind auch teilweise falsch und die zu versteuernden Zusatzeinkommen ebenso.
    Das hat aber wohl niemanden gestört. Auch nicht die Sachverständigenkommission. Aber das alles ist hier genau aufgeschlüsselt: https://altersarmut-per-gesetz.de/

    Antworten
  • […] 2016 stiegen die Renten deutlich, im Juli 201 werden sie noch einmal um 3,59 Prozent im Osten und 1,…. Wer seit 2005 eine gesetzliche Rentenversicherung bezieht, muss sich möglicherweise versteuern […]

    Antworten
  • […] Staat erleichtert Rentner um 625 Millionen Euro […]

    Antworten
  • […] aber nicht an. „Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ganz klar entschieden – jeder Fall der Doppelbesteuerung ist verfassungswidrig„, so der ehemalige Chef der Deutschen Rentenversicherung, Franz Ruland, […]

    Antworten
  • […] er bekommt seine Rente eins zu eins ausgezahlt, sollte diesen Traum schnell begraben. Auf die Brutto-Rente werden Krankenversicherungs- und Pflegeversicherung fällig – ja und seit neuestem auch noch ein […]

    Antworten
  • […] aber nicht an. “Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ganz klar entschieden – jeder Fall der Doppelbesteuerung ist verfassungswidrig“, so der ehemalige Chef der Deutschen Rentenversicherung, Franz Ruland, […]

    Antworten

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Helmut Achatz

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