Wie hat sich die Rente in 128 Jahren entwickelt?

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Was haben Andrea Nahles, Ulla Schmidt, Norbert Blüm, Walter Riester, Walter Arendt, Konrad Adenauer und Otto von Bismarck miteinander zu tun? Viel, denn sie haben die Entwicklung der Rentenversicherung maßgeblich beeinflusst – ob im positiven oder negativen Sinn sei dahin gestellt. Die gesetzliche Rente ist 128 Jahre alt – wie hat sie sich entwickelt?

„Zum Mitschreiben – die Rente ist sicher“, postulierte am 10. Oktober 1997 Norbert Blüm, der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, im Bundestag.  SPD-Politiker Rudolf Dreßler warnte, Blüm zu glauben. „Wer sich auf das Wort des Bundesministers verlässt, hat auf Sand gebaut“. Genau so ist es gekommen, wie wir heute wissen, zehn Jahre später.

„Kinder kriegen die Leute immer“

Die Geschichte der gesetzlichen Rente ist aber noch von mehr irrigen Annahmen geprägt. Erinnert sei nur an Konrad Adenauer, der davon überzeugt war: „Kinder kriegen die Leute immer“. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl war doch 1996 noch der Meinung, dass „die Rente das Ergebnis der Lebensleistung eines Menschen ist“. Weit kritischer – und aus heutiger Sicht auch realistischer – war dagegen der Ex-Ministerpräsident von Sachsen, Kurt Biedenkopf, der erkannte, dass es mit dem Generationenvertrag nicht zum Besten bestellt ist, denn „die Generation meiner Kinder hat dadurch, dass sie nur wenige Kinder hat, den Generationenvertrag längst aufgekündigt; die Vorstellung, man könne eine Umlagesystem unbeschadet der demographischen Entwicklung und der Bereitschaft der Bevölkerung, Kapital zu bilden, auf Jahrzehnte hinaus garantieren, ist unrealistisch … Der Generationenvertrag ist demographisch gekündigt“. Ziemlich ehrlich war auch Wolfgang Schäuble, 2007 Bundesinnenminister, der meinte, das Rentenalter müsse über 67 Jahre hinaus verschoben werden.

Wie sich die Rente verändert hat

Ansonsten sollte niemand einem Politiker glauben, vor allem dann nicht, wenn er etwas verspricht, weil er es ja doch nicht halten kann – wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der 1999 noch der Öffentlichkeit vorgaukelte, er stehe dafür, dass „auch zukünftige Renten steigen wie die Nettoeinkommen.“ Sein Parteigenosse Walter Riester versprach nur ein Jahr später: „Ich kann den Jungen auch sagen, dass zukünftig jedes Jahr die Renten angehoben werden“. Schon 2004 gab es dann gleich drei Nullrunden – so viel zu Riesters Versprechen. Die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt log 2002 noch dreister indem sie behauptete, die Rentenanpassung werde nicht angetastet – und „die Vorschläge von Nullrunden kommen von denen, die vom Rentensystem wenig verstehen“. Von ihr stammt auch das Zitat: „Die Bundesregierung will keine Rentenkürzung, und deshalb hat sie sich dafür entschieden, dass die Auszahlung für die Rentner sicher ist, dass die Beitragssätze stabil sind.“ Neben Biedenkopf gehört Franz Müntefering zu den wenigen, die zur Selbstkritik in der Lage sind. Er räumte ein, dass „wir Sozialdemokraten in der Vergangenheit die drohende Überalterung unserer Gesellschaft verschlafen haben. Jetzt sind wir aufgewacht. Unsere Antwort heißt: Agenda 2010! Die Demographie macht den Umbau unserer Sozialsysteme zwingend notwendig.“

Schon vor 40 Jahren gegensteuern

Schon vor 40 Jahren hätten die Rentenpolitiker gegensteuern müssen, denn es war bereits damals absehbar, dass sich die Demographie verschiebt, statt dessen haben sie ein Wahlversprechen nach dem anderen abgegeben. Sie wiegen die Öffentlichkeit immer noch in Sicherheit und gaukeln ihnen etwas vor, statt die Fakten nüchtern zu analysieren und daraus Folgerungen zu ziehen. Andrea Nahles, die mit 45 Jahren noch immer jüngste Rentenministerin in der deutschen Geschichte, hat die Agenda 2010 wieder zurück gedreht und ist mit milliardenschweren Wahlgeschenken ins Amt gestartet. Erinnert sei nur an die Ausweitung der Mütterrente und die „abschlagfreie Rente mit 63“. Ihr Nachfolger, Hubertus Heil, hat sich dann für die Grundrente stark gemacht und sie auch durchgesetzt. Allerdings ist die Grundrente ein Bürokratiemonster.

Blick zurück in die Geschichte

Insofern lohnt ein Blick in die Geschichte der Rentenversicherung, deren Grundstein Otto von Bismarck vor 128 Jahren legte. Seit dem haben viele am Rad gedreht. „Kaum eine deutsche Regierung, die sich nicht an einer Reform versucht hätte“, schreibt die „Versicherungswirtschaft-heute“. Entscheidend war das Jahr 1957 als das bundesdeutschen Rentensystems unter Bundeskanzler Konrad Adenauer von dem bis dahin zugrundeliegende Kapitaldeckungsverfahren schrittweise durch das umlagefinanzierte Modell ersetzt wurde. Arbeitsministerin Andrea Nahles bildet mit der abschlagsfreien Altersrente ab 63 Jahren und der Mütterrente keine Ausnahme. Sie stehe vielmehr in langer historischer Tradition.
Wobei bei Ulla Schmidt vergessen wurde, dass sie die Doppelverbeitragung von Direktversicherungen verbrochen hat. 

Wer in den vergangenen Jahrzehnte das Sagen hatte als verantwortlicher Minister(in)

Bundesminister für Arbeit
NameParteiAmtszeit vonAmtszeit bis
Anton StorchCDU20.9.194929.10.1957
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
NameParteiAmtszeit vonAmtszeit bis
Theodor BlankCDU29.10.195726.10.1965
Hans KatzerCDU26.10.196521.10.1969
Walter ArendtSPD22.10.196916.12.1976
Herbert EhrenbergSPD16.12.197628.4.1982
Heinz WestphalSPD28.4.19821.10.1982
Norbert BlümCDU1.10.198227.10.1998
Walter RiesterSPD27.10.199822.10.2002
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
NameParteiAmtszeit vonAmtszeit bis
Wolfgang ClementSPD22.10.200222.11.2005
Bundesminister für Arbeit und Soziales
NameParteiAmtszeit vonAmtszeit bis
Franz MünteferingSPD22.11.200521.11.2007
Olaf ScholzSPD21.11.200728.10.2009
Franz Josef JungCDU28.10.200927.11.2009
Ursula von der LeyenCDU30.11.200917.12.2013
Andrea NahlesSPD17.12.2013 13.3.2018
Hubertus HeilSPD14.3.2018noch im Amt

Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung

Ab 2020 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Damit wachsen die Herausforderungen für die gesetzliche Rentenversicherung. Spätestens ab 2027 dürften die Alarmglocken schrillen, denn da können die ersten des geburtenstärksten Jahrgangs – mit Abschlägen allerdings – mit 63 Jahren in Rente gehen; 2029 folgen die nächsten mit 65 Jahren und 2031 folgen die letzten dieses Jahrgangs mit 67 Jahren. 1964 erblickten 1 357 304 Jungen und Mädchen das Licht der Welt.  1964 war der Peak – „nie zuvor und nie danach wurden in der deutschen Nachkriegsgeschichte mehr Kinder geboren als in diesem Jahr 1964″, schreibt FOCUS. „Was ist schon eine Facebook-Party gegen einen normalen Nachmittag in einem Kleinstadt-Freibad in den 70ern? Ein Witz.“ Das ganze Land sei wie ein großes Wimmelbild gewesen. „Die 64er werden auch noch als Rentner die meisten in diesem Land sein“, heißt es weiter. „Schon 2030, ja, das ist übermorgen, wird die Zahl der 60- bis 64-Jährigen um 1,6 Millionen höher liegen als heute“ – und das ist eine ziemlich sichere Prognose des Magazins. „Der Generationenvertrag wird nicht mehr funktionieren, auch wenn die Männer und Frauen des Jahrgangs 1964 als Erste überhaupt bis zum 67. Lebensjahr werden arbeiten müssen , um dann kaum das zu bekommen, was ihre Eltern einmal Rente nannten.“

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Mehr zum Thema:

Bundeszentrale für politische Bildung: die Geschichte der Rentenversicherung
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung
RP Online: von der kaiserlichen Botschaft zu Riesters Rentenplan 

Doc Player: 125 Jahre gesetzliche Rentenversicherung 
Mario Wiegel: Politikerzitate

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Helmut Achatz

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