Warum kinderlose Frauen mehr Rente bekommen als Mütter

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Warum bekommen Frauen, die keine Kinder haben mehr Rente als Frauen mit Kindern? Klar, Mütter können zeitweise gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiten, das wirkt sich für die Rente aus.

„Bild“ verweist auf eine Statistik der Deutschen Rentenversicherung. Danach soll der Unterschied 102 Euro ausmachen zwischen kinderlosen Frauen und Müttern. Die 102 Euro sind der Unterschied zwischen einer Mutter mit vier Kindern und einer Kinderlosen. Wohlgemerkt, das bezieht sich auf den Mittelwert, sprich den Median. Es gibt sicher auch Mütter mit mehreren Kindern, die mehr Rente bekommen als Kinderlose.

Mütter sind die Dummen

Aber warum ist das so? Warum sind Mütter die Dummen? Darauf hat „Bild“ keine Antwort gegeben. Klingt halt ziemlich plakativ. Jeder, der ein bisschen denken kann, kommt leicht selbst drauf. Mütter können eine Zeit lang gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiten; ihre Karriere ist durch Kindererziehung ausgebremst; nicht selten kommt es zum Karriereknick. Nicht immer können Mütter gleich nach drei Jahren wieder voll in den Beruf zurückkehren – und zahlen somit natürlich entsprechend weniger in die Rentenkasse ein. Zur Erinnerung, Mütter bekommen für die ersten drei Jahre nach der Geburt des Kindes Erziehungszeiten anerkannt – als Pflichtbeitrag. Dafür wird ein durchschnittlicher Verdienst unterstellt. Für Kindererziehungszeiten bekommen Mütter Entgeltpunkte,  was direkt auf die Rentenhöhe durchschlägt. Berechnungsgrundlage dafür ist der Durchschnittsverdienst aller Versicherten – 2017 waren das 31 103 Euro, für 2018 werden 37 873 Euro pro Jahr angenommen. Aktueller Rentenwert seit 1. Juli 2017: 31,03 Euro.

Aber Mütter haben ja auch nicht gearbeitet, das zumindest rutschte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Feier zum 30. Geburtstag des Frauenministeriums heraus. Bei dieser Feier nutzte sie die Gelegenheit, von ihrem „größten Nightmare-Erlebnis“ zu erzählen, wie kath.net schreibt. Bei einer Veranstaltung im rheinischen Pulheim habe eine Frau aus dem Publikum gefragt, warum denn Frauen im Osten so viel Rente bekämen. Merkel habe geantwortet: „Die haben ja auch gearbeitet“. Diese spontane Antwort sage mehr über das DDR-geprägte Selbstverständnis in punkto Mütter von Angela Merkel und ihr Frauenbild aus, als ein Dutzend Regierungserklärungen es jemals ausdrücken könnten. Und heute? „Nach zwölf Jahren unter Deutschlands einziger kinderloser ‚Mutti‘ darf man vermuten: Sie hatte es auch nie vor.“

Karriereknick wegen Kindererziehung

Allein diese Formulierung dürfte jedem das Problem verdeutlichen: Eine Frau, die vor der Geburt mehr als der Durchschnitt verdiente, wird mit dem Pflichtbeitrag abgespeist. Gerade Mütter sind freilich doppelt gekniffen, denn, wenn sie in den Beruf zurückkehren, machen Mütter selten da weiter, wo sie aufgehört haben. Im schlimmsten Fall müssen Mütter sogar eine Herabstufung akzeptieren. Das heißt, Mütter haben während der dreijährigen Auszeit verloren und im Anschluss noch einmal. Übrigens, Mütter mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden, gibt es nur zwei Jahre Erziehungszeit. Die CSU will das ändern. Mütter sollen drei Jahre zugerechnet bekommen, allerdings soll das nur für Mütter gelten mit drei und mehr Kindern, so sieht es die Sondierung zur neuen Regierung 2018 vor.

Kinderlose bekommen mehr als Mütter

Der Bericht von „Bild“ ist nicht neu – die Deutsche Rentenversicherung hat schon im Juli 2016 einen Beitrag veröffentlicht über die „Alterseinkommen von Müttern und kinderlosen Frauen im Haushaltskontext“. Darin stellen die Autorinnen fest, dass „alleinlebende kinderlose Frauen in Westdeutschland trotz der ausgleichenden Leistungen für Kindererziehungszeiten für Mütter im Durchschnitt höhere eigene Alterseinkommen beziehen“. Die gesetzlichen Renten belaufen sich danach bei ihnen im Durchschnitt auf 958 Euro. Je mehr Kinder eine Frau hat, desto größer wird die Differenz.

Die Autorinnen haben auch festgestellt, „die alleinlebenden kinderlosen Frauen in Westdeutschland über ein deutlich höheres Haushaltseinkommen als die anderen untersuchten Gruppen verfügen; sie besitzen auch als allein lebende Personen Einkommen auf äquivalentem Niveau vieler Paarhaushalte“.

Übrigens ist diese Erkenntnis in punkto Benachteiligung der Mütter ein alter Hut, wie eine Suche bei Google belegt. Geändert hat sich seit dem wenig, die Schlagzeilen sind immer noch die gleichen wie 2013 „Mütter mit mehreren Kindern sind Renten-Verlierer“, schrieb da die „Süddeutsche Zeitung“

Aber, wenn es nach der CSU geht, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Wie schrieb die Partei 2003 so schön,

„Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Menschen für ihre Kinderlosigkeit zu bestrafen“, kritisiert die Bundesvorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer, den Reformvorschlag der CSU, nach dem Kinderlose höhere Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, selbst jedoch nur noch eine Basisrente beziehen sollen. Ziel jeder Rentenreform müsse es sein, die Leistungen, die Erziehende für die Rentenversicherung erbringen, angemessen zu berücksichtigen

 hat auf dem Blog „Die Freie Welt“ auf den Familienberichts der Robert-Bosch-Stiftung aus dem Jahr 2005 die erhellende Passage herausgegriffen, warum das jetzige Rentensystem ungerecht ist – ungerecht gegenüber Müttern (und Vätern mit Kindern). Übrigens stammt das Vorwort von Autoren wie Kurt Biedenkopf, Hans Bertram, Margot Käßmann, Paul Kirchhof, Elisabeth Niejahr, Hans-Werner Sinn und Frans Willekens. Woldag meint, die Erkenntnisse des Berichts, der ursprünglich als familienpolitische Leitlinie der Merkelschen Bundesregierung gedacht war, sind heute jedoch so unfassbar weit von der unter der Kanzlerin dann tatsächlich verfolgten Anti-Familienpolitik entfernt, dass man sich schon wundern muss, warum dieses „rückwärtsgewandte“ Dokument nicht bereits den Säuberungen des Internets zum Opfer gefallen ist“. Er empfiehlt: „Laden Sie sich den Familienbericht noch herunter, bevor die inoffiziellen Mitarbeiter der Maasi die Bosch-Stiftung so unter Druck gesetzt haben, dass diese ihre Courage verliert.“

Und hier die Passage, die sehr einleuchtend erklärt, warum Frauen mit Kindern von der Gesellschaft ausgebeutet werden:

Im Kern besteht das Problem darin, dass das Steuer- und Sozialsystem, insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung, mögliche Erträge des Aufziehens der Kinder in großem Umfang sozialisiert und ohne die Berücksichtigung der individuellen Übernahme von Kinderkosten an alle Angehörigen der jeweiligen Elterngeneration weiterleitet. Eltern verlieren daher bei ihren Entscheidungen über ihre Kinderzahl den Effekt eines zusätzlichen Kindes für ihre Altersversorgung aus den Augen und wählen eine geringere Kinderzahl. Die Sozialisierung des ‚Kindernutzens‘ erzeugt im Ergebnis die Illusion, das eigene Alter sei dank der kollektiven Sicherungssysteme auch ohne eigene Kinder gesichert. Diese Illusion ist inzwischen zum allgemeinen politischen Besitzstand geworden. Dies erklärt nicht nur den Widerstand, der gegen jede Veränderung des bestehenden Systems geleistet wird. Es erklärt auch das wachsende Gefühl der Ausbeutung derjenigen, die einen Teilabschnitt ihres Arbeitslebens der Erziehung ihrer Kinder widmen, zu diesem Zweck auf eine Vollzeittätigkeit verzichten, stattdessen unbezahlte Familienarbeit leisten und aus diesen Gründen vom geltenden Rentensystem auf eine Altersrente verwiesen werden, die in mittlerer bis fernerer Zukunft regelmäßig unter dem gegenwärtigen Niveau der Sozialhilfe liegen wird. Die Aussicht, auf diese Weise für eine Arbeit ‚bestraft‘ zu werden, die zwar nicht besonders angesehen, für die Zukunft des Landes und seine soziale Ordnung aber unverzichtbar ist, wird die ohnehin vorhandene Neigung zusätzlich verstärken, auf Kinder weitgehend zu verzichten.“(S.14)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Eltern und speziell Mütter sind die Verlierer dieses ungerechten Sozialsystems. Sie haben die nervliche, zeitliche und finanzielle Belastung des Kinderhabens weitgehend privat zu tragen und zugleich wird der Nutzen aus den Kindern vergesellschaftet. Ungerechter geht es fast nicht mehr. Man möchte meinen, die Politik und speziell die Volksparteien wollen partout, dass sich die Deutschen nicht mehr vermehren. Für mich gibt es keine andere logische Erklärung für diesen Unfug und für diese schon fast kriminell zu bezeichnende Familienpolitik, die allerbeste ANTIBABYPILLE, die mir persönlich bekannt ist.
    Nichtsdestotrotz strahlen den jungen Frauen von allen Hochglanzmagazinen lächelnde Babygesichter und strahlende, glückliche Mütter entgegen. Was für ein Hohn!!!

    Antworten
    • Helmut Achatz
      8. Juni 2020 16:22

      Der Meinung bin ich auch

      Antworten
    • Eugen Dinkel
      8. Juni 2020 20:28

      Perfekt – dem ist nichts hinzuzufügen.
      Ein lebendiges, lächelndes Babygesicht ist zwar etwas unvergleichlich Schönes, aber dank der Politik ist der Preis dafür zu hoch.
      Solche Volkszertreter – pardon – Volksvertreter haben wir nicht verdient.

      Antworten

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