Wie Mütter bei der Rente vom Staat benachteiligt werden

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Wie Mütter bei der Rente vom Staat benachteiligt werden – das betrifft vor allem Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes schon bald wieder arbeiten gingen. Wenn sie in Rente gehen und während der Kindererziehungszeit zu viel verdient haben, bekommen sie im schlechtesten Fall gar nichts ihrer Arbeitsleistung anerkannt.

Wie das? Die Rentenversicherung sieht bei der Anrechnung der Kindererziehungszeit eine Obergrenze vor, wenn die Mutter mehr als der Durchschnitt verdient hat. Das Ganze ist leider ziemlich kompliziert – wie überhaupt das Rentenrecht. Die „Freie Presse“ aus Chemnitz hat das Problem anhand eines Falls, nämlich der von Heidrun Buchner, aufgedröselt. Heidrun Buchner bekam, so das Blatt, 1975 eine Tochter. Dummerweise habe sie in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes 14 Monate gearbeitet und Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt. In punkto Anrechnung der Kindererziehungszeiten gilt aber eine Bemessungsgrenze – und Heidrun Buchner lag darüber, wie übrigens viele Frauen in der DDR, die ja auf ein gut ausgebautes Kinderbetreuungssystem setzen konnten.

31 oder 30 Euro für einen Rentenpunkt

So weit, so schlecht. Mütter bekommen für die Kindererziehung von der Rentenversicherung einen Entgeltpunkt, sozusagen die Währung der Rentenversicherung, gut geschrieben – und der ist sei 1. Juli 2017 in Westdeutschland 31,03 Euro wert und in Ostdeutschland 29,69 Euro. 2018 wird er sich in Westdeutschland auf 31,86 Euro erhöhen und in Ostdeutschland auf 29,51 verringern. Wenn Kindererziehung und Arbeit zusammenkommen, bekämen die Mütter natürlich entsprechend mehr Entgeltpunkte. So weit die Theorie. In der Rentenpraxis ist das leider ganz und gar nicht so. Für die Entgeltpunkte haben die Rentenversicherungspolitiker eine Obergrenze eingezogen. Wenn jetzt eine Frau zu gut verdiente während der Kindererziehung bekommt sie nicht die Summe ihrer Entgeltpunkte, sondern weniger oder gar nichts von den Ansprüchen aus der Kindererziehung.

Obergrenze bei der Mütterrente

Das wird an einem Beispiel deutlich wie die Zeitschrift „Lichtblick“ errechnete, wobei sie den fiktiven Fall von Marianne L. nimmt: „Marianne L. hatte damals (gemeint ist das Jahr 1990, als ihr Kind zur Welt kam) 80 000 Mark (ja, der Euro wurde erst 2002 eingeführt) Jahresgehalt und lag weit über dem damaligen Durchschnittsgehalt“. Der Durchschnitt lag damals, im Jahr der Geburt des Kindes laut Deutscher Rentenversicherung bei 41 946 Mark, die Beitragsbemessungsgrenze lag bei 75 600 Mark – und dafür gab’s 1,8 Rentenpunkte.

Wäre Marianne L. vor dem 1. Juli 2014 in Rente gegangen, hätte sie auch den Entgeltpunkt für die Kindererziehungszeit bekommen, leider geht sie erst später in Rente. Also, die Gnade der frühen Geburt hat sie nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt gab’s pauschal einen Entgeltpunkt für jedes Kind.

Willkür bei der Rentenberechnung

So, Marianne L. bekommt weniger als diesen Punkt, denn Punkte aus Beschäftigung und Kindererziehung werden nur noch bis zu einer Höchstgrenze anerkannt. Für das Jahr der Geburt von Mariannes Kind, sprich 1990, haben die Rentenpolitiker eine Obergrenze festgelegt – genau 1,8 Rentenpunkte.

Die Regelung ist willkürlich, der Zeitpunkt ist Willkür und auch die Obergrenze ist nach Gutsherrenart festgelegt. Warum liegt die Obergrenze für Kinder, die 1990 geboren wurden bei 1,8 und für Kinder, die 1980 geboren wurden bei 1,7 Rentenpunkte? Willkür ist auch der Stichtag 1. Januar 1992 – denn Mütter (oder Väter), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bekommen zwei Jahre Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung angerechnet, „bei Geburten ab 1992 sind es 36 Monate“, so die Rentenversicherung. Der Sozialverband VdK – und auch die CSU – kämpfen dafür, die Mütterrente anzugleichen. „Die älteren Mütter müssen wie die jüngeren drei statt bisher nur zwei Kindererziehungsjahre für die Rente angerechnet bekommen“, forder der VdK.

Millionen Mütter von Betrug betroffen

Es handelt sich auch nicht um ein paar Ausnahmen. „Lichtblick“ zufolge bekommen rund 2,5 Millionen Frauen die versprochene höhere Rente „nur zum Teil oder überhaupt nicht“.

Die Beitragsbemessungsgrenze sei, so die „Freie Presse“ deshalb schon mehrmals angegriffen worden, bisher ohne Erfolg. Der Fall liegt beim Bundesverfassungsgericht, das bislang freilich noch nichts entschieden hat, zumindest nach meinemWissen. Das Sozialgericht Brandenburg ist davon überzeugt, „dass die Regelung zur Höchstbegrenzung verfassungswidrig ist. Sie führt zu einer ungleichen Behandlung verschiedener Personengruppen, weil sich Kindererziehungszeiten nicht bei allen Versicherten gleich auswirken. Benachteiligt sind diejenigen Versicherten, die während der ersten Lebensjahre ihrer Kinder arbeiten, vergleichsweise eher höhere versicherungspflichtige Entgelte erzielen und so die Solidargemeinschaft mit hohen Rentenversicherungsbeiträgen unterstützen. Erzielt ein Versicherter während der Kindererziehungszeit ein solch hohes beitragspflichtiges Entgelt, werden seine Kindererziehungszeiten nicht mehr in gleicher Weise berücksichtigt wie bei einem Versicherten mit geringerem oder ohne Entgelt.“ (Haufe, Ungleichbehandlung von Besserverdienenden, 20.4.2012).

Widerspruch gegen Rentenbescheid

Mütter, die sich benachteiligt fühlen, sollten Widerspruch einlegen. Der Dresdner Rechtsanwalt Matthias Herberg hat sich auf solche Fälle spezialisiert und ermutigt die Betroffenen beim Sozialgericht zu klagen, was übrigens gerichtskostenfrei ist.

Ein Musterbrief ist auf der FP-Webseite hinterlegt.

Wie viel arbeitende Mütter bekommen – Obergrenze bei den Entgeltpunkten

JahrDurchschnittsverdienstBeitrags- Bemessungsgrenzemaximale Rentenpunkte
197430000203811.47
197533600218081.54
197637200233351.59
197740800249451.64
197844400262421.73
197948000276851.7
19805040029 4851.71
198152800309001.75
198256400321981.82
198360000332931.82
198462400342921.82
198564800352861.84
198667200366271.83
198768400377261.81
198872000388961.85
198973200400631.83
199075600419461.8
199178000444211.75
199281600468201.74
19938640049142

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12 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Die Beitragsbemessungsgrenze hat durchaus ihren Sinn und trifft in diesem Fall keine „arme Frau“. Diese Fallkonstellation ist dann doch eher ein „Luxusproblem“.

    Viel schlimmer finde ich, dass Mütter, die Grundsicherung beziehen nicht von der Mütterrente profitiert haben: Die „Mütterrente“ hat lediglich den Hilfebedarf verringert. Unter dem Strich haben diese Mütter also nicht mehr Geld zur Verfügung…. 🙁

    Auch Adoptivmütter, die bereits in Rente sind, und das Kind erst nach dessen 1. Lebensjahr in den Haushalt aufgenommen haben, haben von der Mütterrente keinen Cent gesehen…. 🙁

    Antworten
    • Helmut Achatz
      18. September 2016 12:32

      Offensichtlich habe ich nur einen Teil der Willkür aufgedeckt, den die Mütterrente bietet. Danke für die Ergänzungen

      Antworten
  • Bei der Anerkennung von Erziehungsleistungen profitieren wohlhabende Elternteile (ohne Beitragsleistung) davon, jedoch nicht die Frauen, die von der Grundsicherung leben müssen. Die Mütterrrente wird hier angerechnet.
    Die Finanzierung der zusätzlichen Rentenpunkte wird alleine den gesetzlichen Rentenversicherten aufgebürdet. Hierzu kann im Portal Sozialpolitik folgendes nachgelesen werden:
    http://www.portal-sozialpolitik.de/rente/muetterrenten
    „Wenn die Union diese Leistungen durch ein zusätzliches Kindererziehungsjahr für Geburten vor 1992 ausweiten will, dann muss sie für eine entsprechende Gegenfinanzierung über Steuermittel sorgen. Alles andere wäre eine Ausweitung der Fehlfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler geht. Diese müssten damit am Ende den Preis für die Befriedung des unionsinternen Rentenstreits zahlen.“
    Damit werden wieder einmal alle begünstigt, die nicht in die GRV einzahlen und der gRV noch mehr Mittel für gesamtgeseschaftliche Aufgaben entzogen, die allein über Steuermitteln zu finanzieren sind. Dass der im Bundeshaushalt ausgewiesene Bundeszuchuss an die gRV eigentlich alle allgemeinstaatlichen Aufgaben erstatten muss (§213 SGB VI), dass das aber seit 1957 noch in keinem Jahr komplett erfolgt ist, mit der Folge, dass der gRV bis heute rund 700 Mrd. Euro fehlen, dürfte sich mittlerweile herum gesprochen haben. Damit bezahlen allein gesetzl. Rentenversicherte doppelt und dreifach wichtige staatliche Aufgaben. Alle, die nicht einzahlen, werden entsprechend davon frei gehalten.

    § 282 Nachzahlung nach Erreichen der Regel­altersgrenze
    (1) Vor dem 1. Januar 1955 geborene Elternteile, denen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind und die bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, können auf Antrag freiwillige Beiträge für so viele Monate nachzahlen, wie zur Erfüllung der allgemeinen Warte­zeit noch erforderlich sind. Beiträge können nur für Zeiten nachgezahlt werden, die noch nicht mit Beiträgen belegt sind.
    Von der DRV gibt es dazu auch die Broschüre:
    „Kindererziehung – Ihr Plus für die Rente“. Sie kann heruntergeladen bzw. bestellt werden.
    http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/03_broschueren_und_mehr/01_broschueren/01_national/kindererziehung_plus_fuer_die_rente.html%20

    Siehe auch:
    „Mütterrente“: Wenn die scheinbaren Spendierhosen in der Realität zu heiß gewaschen werden, dann laufen sie ein :
    http://aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2015/01/10-muetterrente.html

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  • […] Wie Mütter bei der Rente vom Staat benachteiligt werden […]

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  • […] Wie Mütter bei der Rente vom Staat benachteiligt werden […]

    Antworten
  • […] entsprechend weniger in die Rentenkasse ein. Zur Erinnerung: Mütter bekommen für die ersten drei Jahre nach der Geburt des Kindes Erziehungszeiten anerkannt – als Pflichtbeitrag. Dafür wird ein durchschnittlicher Verdienst […]

    Antworten
  • […] Allerdings wird es wohl nichts mehr bis zur Bundestagswahl. Aber mal schau’n. Die Idee der CSU: Mütter, deren Kinder vor 1992 zur Welt kamen, werden bislang nur zwei Erziehungsjahre – eines weniger als Mütter, der Kinder später geboren wurden, denn sie bekommen drei Jahre […]

    Antworten
  • […] wird allerdings von vielen vernachlässigt – ob unverschuldet oder gewollt sei dahingestellt. Eltern aber leisteten mit der Erziehung ihrer Kinder „den wichtigsten Beitrag für die Zukunft unseres Rentensystems“, so das CSU-Papier – und die […]

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  • […] Einigungsvertrag sind ostdeutsche Frauen, die noch zu DDR-Zeiten geschieden wurde, einfach vergessen worden – einen Versorgungsausgleich gibt’s nicht und […]

    Antworten
  • […] betrifft vor allem geschiedene Frauen. Im Einigungsvertrag sind ostdeutsche Frauen, die noch zu DDR-Zeiten geschieden wurde, einfach vergessen worden – einen Versorgungsausgleich gibt’s nicht und […]

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