Unwiederbringliche Erinnerungen

Leben

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Das erste Date, der erste Kuss, das erste Mal Sex, die erste Ektase, die ersten Trennungstränen – und häufig schwang Musik mit. Das Alter will die Erinnerungen zurückholen mit dieser Musik aus vergangenen Tagen. Dumm nur, dass es nicht so ganz funktionieren will. Ja, auch ich habe einen Selbstversuch gemacht, wie Burkhard Spinnen von der „Welt“. Sein Artikel inspirierte mich, über dieses Phänomen nachzudenken.

Wie schreibt der „Welt“-Feuilletonist so schön – „man sollte sich im Alter nicht die Jugend ruinieren und ein Konzert besuchen, das einem die Gefühle von damals verderben könnte“. Mit „man“ meint er natürlich sich selbst. Er besuchte vor kurzem ein Fleetwood-Mac-Konzert, ich das Irish Folk Festival, allerdings schon im Oktober 2014. Seine Erfahrung deckt sich indes mit meiner. Er strebte erwartungsvoll zur Lanxess-Arena, ich zum Zirkus-Krone-Bau. Natürlich waren wir viel zu früh dran, um die Stimmung aufzusaugen, natürlich wollten wir uns vorher noch mit einem Bierchen in Stimmung bringen – ich mit Guinness natürlich. Wobei der Zirkus-Krone-Bau die Reminiszenz an die 70er-Jahre besser konservierte (Die Lanxess-Arena existierte damals ja noch gar nicht).

Musik und Erinnerungen

Mit der Musik von damals wollen wir auch die Erinnerungen von damals revitalisieren. Ehrlich, funktioniert nicht so ganz. Wobei es Emotionstheoritker Spinnen etwas anders erging als mir. Die Fleetwood-Mac-Stars, alles stramme 60er und 70er, spielen wenigsten noch die Klassiker, wohl nur die Klassiker aus seinen „Emotionsarchiven“, mit derselben Stimme wie damals, mit der gleichen Verve und Attitüde wie damals. Da hatte ich weniger Glück: Die alten Irish-Folk-Barden aus den 70er-Jahren können nicht mehr, sind teils weggestorben – auf den Plakaten allerdings, die dafür werben, sind sie noch allgegenwärtig, was suggeriert, es gäbe sie noch. Alles Lüge!
An ihre Stelle sind Jüngere getreten, die ihr Handwerk zwar im Klangkreis der Fiedeln und Dudelsäcke ihrer Nennväter erlernten, aber eigene Stücke schreiben und interpretieren. Dumm nur, dass im Konzertsaal die Alten sitzen – und sie erhoffen sich Jigs wie „The Sligo Maid“ und Balladen wie „Eirigh Is Cuir Ort Do Chuid Eadaigh“. Dabei spielt es keine Rolle, nichts zu verstehen.

Newcomer von der Grünen Insel

Ein Lindsey Buckingham und Stevie Nicks verwalten und bewahren ihr Erbe aus der Blues- und Rock-Ära. Das wünscht sich ein gealterter Irish-Folk-Fan auch – und wird enttäuscht. Irish-Folk-Barden werden wohl nicht so alt. Im Zirkus-Krone-Bau war der Applaus verhalten, weil die „Newcomer von der Grünen Insel“, wie sie angekündigt worden waren, so ganz und gar am Publikumsgeschmack vorbei spielten. Wir wollen die alten Jigs und Balladen! Merkt euch das ihr Newcomer! Erst als sie nach gefühlten Stunden erkannten, dass die neuen Songs nicht ankommen, versuchten sie die Kurve zu bekommen und kramten alten Stücke aus – leider zu spät, denn der Abend war bereits gelaufen.

Unwiederholbares wiederholen

In der Kölner Lanxess-Arena versuchte Fleetwood Mac wenigstens, das Unwiederholbare zu wiederholen, was sich die 50plus-Generation im Stillen ersehnt. Davon war im Zirkus-Krone-Bau keine Rede, denn Alt traf auf Jung – und die Jungen wollen etwas Neues ausprobieren, was ja durchaus verständlich ist.

An das Altern seiner großen Erinnerungen erinnert zu werden, ist nur schwer zu ertragen, da wir doch innerlich irgendwo zwischen 25 und 35 stehen geblieben sind, auch wenn sich äußerlich die Falten mehren – und da hätten wir gern die Musik von damals. Na gut, es gibt ja noch die Konserve in Form alter Platten, sorry, mittlerweile längst als MP3.

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Helmut Achatz

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